AC/DC hatten sich seit ihrer Gründung stetig zu einem national erfolgreichen Act hochgespielt. Im Februar 1975 erschienen in Australien das Debüt-Album ,High Voltage‘ und bereits im September der Nachfolger ,T.N.T.‘ Am 30. April 1976 erschien ,High Voltage‘ schließlich auch in Europa und den USA. Allerdings war diese Version nicht identisch mit der australischen. Vielmehr handelte es sich um einen Mix aus dem Besten der beiden bisherigen Alben.
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Und hört man die Eröffnungsnummer, ist man gleich mit allem konfrontiert, was diese Band im Kern bis heute ausmacht. Ein knackiges Intro-Riff im angezerrten Sound drängt voran, dann setzt – angetrieben von der Bass-Drum – eine zweite Gitarre ein weiteres Riff drauf, schließlich setzen Drums und Bass mit einem stoischen Achtel-Groove ein. Und Sänger Bon Scott macht unmissverständlich klar, was es heißt in einer Rock-Band zu spielen: endlose Landstraßen und Motels, Schlägereien, One Night Stands und natürlich Rock‘n‘Roll spielen.
,It‘s A Long Way To The Top (If You Wanna Rock ‘n‘ Roll)‘ heißt dieser Song, der sich schließlich zur kultigen Dudelsack-Melodie hin steigert. Auch ,Rock ‘n‘ Roll Singer‘ und der Titeltrack handeln vom Mythos über das harte Leben on the road und den Traum vom Rockstar-Dasein. Einer der Höhepunkte des Albums ist das schwer nach vorne treibende ,Live Wire‘, ein Monster von einem Rock-Song. Er beginnt mit einem Achtel-Bass und scharf gespielten Powerchords, die sich allmählich steigern, bis endlich nach einer knappen Minute der erlösende Drumbeat einsetzt. Dramatik und Dynamik pur bot die Nummer, mit der AC/DC in den frühen 70ern ihre Shows wirkungsvoll eröffneten. Mit dem langsamen Blues ,The Jack‘ zeigten die Musiker einen ihrer großen Einflüsse.
Scott singt hier lasziv eindeutig zweideutige Zeilen – „jack“ ist ein australisches Slang-Wort für eine Geschlechtskrankheit – und Angus Young gibt sich hier als energetischer Blues-Solist. Und natürlich ist da noch das treibende ,T.N.T.‘ mit seinem ultratrockenen Riff und den punkigen „Oi“-Rufen im Hintergrundchor. Der brachiale Schluss, der in einem Sound-Orkan endet, spiegelt dann auch die Bühnen-Power der Band wider. Diese beiden Stücke gehören bis heute zum festen Live-Repertoire der Band. In allen Songs sticht das Zusammenspiel der beiden Gitarrenbrüder Angus und Malcolm Young hervor. In Riff-Parts verzahnen sie sich und dies in einem brachialen Sound. Malcolm klingt mit seiner ‘63er Gretsch Jet Firebird vergleichsweise trocken und unverzerrt. Angus Youngs Gibson SG Standard, sein Lieblingsmodell stammt laut eigener Aussage aus dem Baujahr ’67 oder ’68, hat mehr Zerre am Start, und beides summiert sich schließlich zum dicken Brett.
Die Youngs bevorzugten für ihren erdigen Sound von Beginn an Marshall-Verstärker (JTM 50/100) und – Boxen. Gitarren-Effekte gab und sollte es auch in Zukunft keine geben. Die Mehrheit der Songs der internationalen High-Voltage-Version stammt vom zweiten, nur in Australien veröffentlichten Album ,T.N.T.‘ Zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung hatte sich das erste stabile AC/DC-Lineup herausgebildet, mit Frontmann Bon Scott, den Gitarren-Brüdern Angus und Malcolm Young, Mark Evans (b) und Phil Rudd (dr). Allerdings sind die beiden Letzteren auf ,Little Lover‘ und ,She‘s Got Balls‘ (der australischen ,High Voltage‘-Version) nicht zu hören. Und hier kommen als Drummer Tony Currenti von The 69ers, der damalige reguläre AC/DC-Drummer Peter Clack und Session-Musiker John Proud in Frage. AC/DC-Bassist Rob Bailey teilte sich bei den frühen Sessions seinen Job mit George Young. Der ältere Bruder von Malcolm und Angus hatte allerdings einen weit größeren Einfluss auf den Sound von AC/DC, denn er produzierte das Album gemeinsam mit Harry Vanda.
Die beiden hatten bereits mit den Easybeats (Hit ,Friday On My Mind‘) australische Rock-Geschichte geschrieben. Sicher klingt der AC/DC-Rock‘n‘Roll auf ,High Voltage‘ heute altmodisch – und er war es eigentlich auch schon 1976. US-Rock-&- Roller wie Chuck Berry oder Elvis Presley und die UK-Bands The Rolling Stones, Free und The Who hatten es den Australiern vorgemacht. Neu war jedoch die Kompromisslosigkeit, die Exaktheit im Zusammenspiel und die Geradlinigkeit der Musik. Ein Jahr bevor der Punk im Königreich England regierte, verpassten die Australier der Rock-Musik einen harten Tritt in den Allerwertesten. Und genau diese Energie packt auch 2016 immer noch. Viel Spaß beim Wiederhören dieses Klassikers, der hervorragend zum Sommer passt!