Er singt seit mehr als 20 Jahren über Outlaws, Sonderlinge und Außenseiter. Doch erst die TV-Serie Sons Of Anarchy verhalf Jake Smiths düsteren Mörder-Balladen, Country-Trinkliedern und Cow-Punk-Tunes zu Popularität.
Jake Smith ist in vieler Hinsicht so durchschnittlich wie sein Nachname. Ein typischer Kalifornier: er liebt Barbecues, Bier und Baseball, überhaupt ist Sport das große Hobby des zweifachen Familienvaters. Inzwischen jedoch sprechen ihn die meisten mit seinem Künstlernamen an: The White Buffalo. Passenderweise ist Smith fast 1,90 Meter groß, ziemlich stattlich und besitzt eine raumfüllende Präsenz. Geboren in Eugene, Oregon, ziehen seine Eltern mit ihm als Krabbelkind nach Kalifornien. Dort wohnt er noch immer, zwar nicht mehr in Huntington Beach, sondern nördlich von Los Angeles im San Fernando Valley. In Kalifornien hat er sich auch gleich zwei Mal unsterblich verliebt – zuerst in ein Nachbarsmädchen, dann in die Musik.
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Das Mädchen zog irgendwann weg. Die Musik blieb. „Als Teenager haben wir immer bei einem Kumpel abgehangen, haben Bier getrunken, Sport geschaut und gegrillt. Sein Vater hat immer Songs von John Prine und Bob Dylan auf der Klampfe gespielt. Das sah recht einfach aus, vor allem fand ich es total cool und es hat mich inspiriert.“ Jake mäht ein paar Rasen in der Nachbarschaft, und befreit mit seinem Lohn eine Fender-Acoustic aus einem Pfandleihhaus. „Nicht gerade das coolste Teil, aber scheißegal.“
Zwei Herzen schlagen in Jakes Brust. Die Folk- und Country-Songs die er durch den Vater seines Freundes kennt, die großen amerikanischen Storyteller: Johnny Cash, Hank Williams, Woody Guthrie, Townes Van Zandt. Doch die Highschool hat ihn mit dem Punk-Rock-Virus infiziert, durch Bands wie Bad Religion, Circle Jerks und NOFX. „Ihr Sound und ihre Energie waren total cool, das gab mir eine Menge Schub“, erinnert sich Smith. „Ich saugte den Punk-Rock auf und daraus entwickelte sich erstmals so etwas wie eine Sound-Vorstellung in mir.“ Sozusagen die Blaupause für seinen heutigen Stil. Denn Smith adaptiert das Beste aus beiden Welten: Er entwickelt sich zu einem Storyteller der American-Roots-Music mit dem harten Anschlag eines Punk-Gitarristen. „Vor allem aber waren es die klassischen Songwriter die mich dazu gebracht haben, eigene Stücke zu schreiben. Sie haben es vorgemacht, dass man mit Songs Geschichten erzählen kann, die andere Menschen berühren.“
Smith spielt erste Open-Mic-Nights in San Francisco. Mit mäßigem Erfolg. „Ich war voller Selbstzweifel und hatte höllischen Schiss, außerdem gab es damals nicht viele Orte in denen Live-Musik angesagt war. Die kleinen Clubs und Coffee-Houses engagierten lieber DJs, weil die billiger sind. Aber ich habe einige Gigs spielen können, um zu sehen, ob ich mich vor Publikumwohl fühle. Eine wichtige Erfahrung.“
Gewalt, Suff und Mord
Smith will es wissen. Er nennt sich fortan The White Buffalo und beschließt, seine Brötchen mit eigenen Songs zu verdienen. In Ermangelung einer Demo-CD nutzt er eine eigenwillige Bewerbungsmaßnahme: Er singt die Anrufbeantworter der Clubbesitzer voll. „Ich hatte gar nichts, kein Demo, keine Website, keine Visitenkarten. Also hab ich Anrufbeantworter zugetextet und vollgespielt, ob mich die Leute nicht buchen wollen. Tatsächlich lag meine Rückrufrate bei fast 100 Prozent.“ Was sicherlich damit zu tun hat, dass der Newcomer zwei herausragende Qualitäten besitzt: Er hat eine ungemein durchdringende, sonore Bass-Stimme, die jeden unweigerlich aufhorchen lässt. „Die hatte ich schon früh“, gesteht er. „Ich war als Jugendlicher nicht gerade zurückhaltend, was den Konsum von verbotenen Substanzen und Suff anging. Ich hab alles geschluckt, was ich in die Finger kriegte. Was mir geblieben ist, ist meine Gesundheit – und diese Stimme. Ich habe echt Schwein gehabt …“
Der zweite Grund seiner grandiosen Rückrufrate liegt im Talent mit seinen Songs spannende Geschichten erzählen zu können. Er bedient sich dabei der etwas aus der Mode gekommenen Erzählerperspektive, die ihm jedoch schnell Vergleiche zu seinen eingangs erwähnten Vorbilder einbringt. „Ich will, dass jedes Wort zählt und jeder Satz seine Berechtigung hat“, schwört er. „Ich schreibe nie ohne Grund drauflos. Es gibt Licht und Schatten in meinen Songs, Konflikte und Gewalt, Suff und Mord fließen mir aus der Feder. Ich betrachte jeden Song wie einen Kurzfilm.“
Die visuelle Assoziation passt perfekt, denn Kurt Sutter, Autor von „Sons Of Anarchy“ entdeckt den Songwriter als musikalischen Star seiner TV-Erfolgsserie. „Ich war total überrascht“, erinnert sich Smith. „Sutter sandte mir einen Text und wollte, dass ich einen Song draus mache. Das funktionierte dann ziemlich gut.“ So gut, dass heute neun seiner Stücke die Motorbike-Gang-Outlaw-Saga untermalen. Dabei fährt Smith nicht mal selbst Motorrad. Ein Gig im Harley-Davidson-Museum in Milwaukee ist da schon das meiste.
„Diese Koop hat meiner Karriere natürlich ordentlich Schub verpasst“, freut sich der Büffelmann mit einem dröhnenden Lachen. „Das ist halt eine internationale TV-Serie, und die nutzen meine Songs nicht nur als atmosphärisches Hintergrundgedudel. Sie wollen Musik und Texte, die dich bei den Eiern packen. Und das ist genau was ich mache.“ Und was ihm vergangenes Jahr eine Emmy-Nominierung in der Kategorie „Outstanding Music and Lyrics“ bescherte.
Seine Songs schreibt der 42-Jährige, der gerne ein Geheimnis um sein Alter macht, am liebsten beim Bier in seiner Garage. Dort entstand auch sein aktueller Longplayer ‚Love And The Death Of Damnation‘, sein fünfter inzwischen. Dort, lacht Smith, habe er seine Ruhe. Da repariert er dies und das, arbeitet ein bisschen mit Leder, gönnt sich ein kühles Blondes und klimpert auf seinen Gitarren herum. „Garagenmusik hat was ganz Bodenständiges, was Ehrliches“, findet er. „Das ist ein Ort für Männer: Werkzeug, Kisten, Autoreifen, Ölkanister, Ersatzteile, dazu deine Kumpels die auf Hockern sitzen, ein Bierchen zischen und quatschen. Ich wünschte, ich könnte euch Presse-Jungs eine etwas schillernde Entstehungsweise meiner Songs erzählen, aber das kann ich nicht.“ Dröhnendes Buffalo-Lachen folgt. Zu seinen bevorzugten Songwriter-Werkzeugen gehören aktuell Arbeitsgeräte des Gitarrenherstellers Taylor, bevorzugt Full- Body-Dreadnoughts (ohne Cutaway) wie die Modelle 710e und 810e. Live spielt er sie über das an Bord befindliche Expression System 2 in Kombination mit einem Fender Bassman oder Twin Reverb. „Je nach Club bastle ich mir mit Pickup-System und Amp einen Mix zurecht wie es halt am besten passt. Die Taylors sind ja eigentlich für ihren eleganten Sound bekannt, aber ich finde ihre Dreadnoughts haben einen fetten Punch, der mir gefällt. Besonders wenn ich mit Bass und Schlagzeug spiele brauche ich mehr Druck, damit ich mich durchsetzen kann.“ In seiner Garage stehen noch ein paar Larrivées, Guilds und – na klar – eine Tele.
Wenn er über ‚Love And The Death Of Damnation‘ spricht, gerät er ins Schwärmen, dieses Album habe einen breiteren Sound und mehr Groove, weil er jetzt mit einer Band spiele. Besagte Band sind Schlagzeuger Matt Lynott und Bassist Bruce Wittkin. Ein paar Freunde steuerten im Studio noch Fiddle, Pedal-Steel und Piano bei. „Dieses Album ist auch viel fröhlicher, viel positiver“, ergänzt er. „Es gibt mehr Stücke mit positiven Botschaften, ja selbst Liebeslieder! Okay, die hatte ich früher auch schon, aber die entwickelten sich immer zu Tränendrüsen-Herzschmerz- Songs oder zu gruseligen Mörderballaden! Auch diesmal gehen ein paar Leute drauf … Das Leben ist eben kein Zuckerschlecken!“
Für Smith schon. Er genießt den späten Ruhm. Golf spielt er inzwischen. Sein Handicap beträgt 80. Und egal, ob die Leute dem Weißen Büffel weiter zuhören werden oder nicht – Jake hat seine unverrückbare Trilogie des Glücks: seine Familie, seine Freunde und seine Garage. „Bis jetzt hören die Leute mir gerne zu. Vermutlich finden sie es gut, dass ich einfach nur ich selbst bin. Ich bin echt ein Glückspilz.“