Retro-Braut, oder was?

Yamaha Pacifica 311H im Test

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E-Gitarre im Strat-Style von Yamaha, schwarz, stehend
(Bild: Dieter Stork)

 

Dass sich Gitarren aus dem unteren Preis-Segment mitunter als regelrechte Geheimtipps erweisen, wird im Gitarristen-Volk gerne gesehen. Denn das verspricht viel Bang für wenig Kohle. Es könnte durchaus sein, dass sich die Yamaha 311H als eine dieser geheimen Empfehlungen entpuppt.

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Aber hätte man dieser schicken Retro-Braut nicht einen schöneren Namen geben können als das schlichte 311H?

Im Karton findet sich immerhin eine ca. 110 Seiten starke Bedienungsanleitung. Der immense Umfang resultiert aus der Neunsprachigkeit des Manuals, auf das deutschsprachige Kapitel entfallen ganze 12 Seiten; hier gibt es sinnvolle Tipps zum Umgang mit E-Gitarren im Allgemeinen. Beim Durchstöbern sollte aber schon etwas Humor und Abstraktionsvermögen vorhanden sein, um z. B. Begriffe wie „Saitenhöhe“, „Versteifungsstab“ und „Tonabnehmer mit Brummspulen“ richtig zuordnen zu können.

 

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Locking-Mechaniken von Grover sorgen für bessere Stimmstabilität und schnellen Saitenwechsel. (Bild: Dieter Stork)

 

Konstruktion der Yamaha Pacifica 311H

Die 311H vereint viele Eigenschaften klassischer Erfolgsmodelle der Gitarrengeschichte, vor allem viele Fender-Elemente, die man in Stratocaster- und Telecaster-Modellen schon mal gesehen hat. Aber auch Gibson wird Tribut gezollt – mit dem P-90-Pickup in der Hals- und einem splittbaren Humbucker in der Steg-Position. Der stromlinienförmige Offset-Korpus der 311H ist aus Erle gefertigt und hat den bei vielen modernen Strat-Varianten typischen, recht scharfkantigen Rand. Ebenfalls scharf kommen die Konturen auf Vorder- und Rückseite rüber, im Amerikanischen hat man diese Übergänge gerne immer etwas fließender gestaltet. Der Ahornhals mit liegenden Jahresringen ist mit einem Palisandergriffbrett (Inder, nicht Rio!) beleimt, in das 22 Bünde in einem flacheren Medium-Format eingelassen sind. Während der Korpus satt deckend mit einem pechschwarzen Poly-Lack versiegelt ist, kommt die Rückseite des recht schmalen und dünnen Halses seidenmatt lackiert. Dementsprechend holzig ist denn auch das Griffgefühl.

Die Saiten werden durch den Korpus und über einen Einteiler-Steg geführt, dessen sechs Saitenreiter separat in Höhe und Oktavreinheit einstellbar sind. Prima, dass Yamaha hier Stahl für Steg und Reiter verwendet, denn das sorgt beim Klang für Transparenz, Brillanz und Sustain und ist in dieser Preisklasse durchaus nicht üblich.

Apropos Preisklasse: Die Grover-Locking-Mechaniken, zu denen hin die Saiten übrigens kerzengerade verlaufen, und den selbstschmierenden Black-Tusq-Sattel gibt es normalerweise auch nicht zu diesem Preis.

 

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Per Push/Pull-Funktion schaltet das Tone-Poti den Humbucker in Singlecoil-Modus. (Bild: Dieter Stork)

 

Die Yamaha Pacifica 311H in der Praxis

Die Gesamtkonstruktion der 311H ist sehr schwingungsfreudig, was sich in einem lebendigen Klangverhalten bemerkbar macht, das durch eine feine Dynamik und eine gewisse Offenheit des Klanges geprägt ist. Der geschraubte Hals und die lange Mensur tragen dazu einiges bei, doch ehe dies alles in zu viel Höhen abdriftet, kommen die beiden Tonabnehmer ins Spiel, die ja das Gibson-Gen in sich tragen. Der P-90-Typ am Hals liefert wirklich hervorragende Sounds ab – vollmundig, knackig, satt und wendig mit viel Strat-Appeal. Das sind seine Attribute, mit denen man sich elegant und souverän in den Sound-Welten zwischen Jazz, Blues und Rock bewegen kann. Vor allem clean, aber auch verzerrt gelingt dies wunderbar. Ähnliches liefert auch der Humbucker am Steg – weniger im cleanen Bereich, aber verzerrt um so eindrucksvoller. Satt, aber nicht matschig, Vintage-breit, aber nicht Brett. Ein Hauch von Tele-Flair entfaltet sich dann, wenn der Humbucker auf Singlecoil-Betrieb geschaltet ist, noch mehr nach Tele klingt nun die Kombinationsstellung mit beiden Pickups. Insgesamt präsentiert sich die 311H als eine richtig musikalische Gitarre, mit der sich sehr gut in den verschiedensten musikalischen Stilen arbeiten lässt, und das nicht nur als Einsteiger, sondern auch als Fortgeschrittener.

Die Spielbarkeit ist sehr bequem, denn der für eine Retro-Gitarre erstaunlich schlanke Hals wird auch kleineren Händen gut liegen und die Abrichtung von Bünden und Sattel lassen keine Klagen zu.

 

Resümee

Wieder einmal kann eine Gitarre aus dem unteren Preisbereich richtig überzeugen. Das Retro-Modell 311H aus Yamahas Pacifica-Serie hat sogar das Zeug zu einem Geheimtipp – denn hier stimmt die Ausstattung, das Aussehen, das klangliche Vermögen, die gute Spielbarkeit und der Preis. Und das ist nicht einfach zu toppen!

 

Übersicht

Fabrikat: Yamaha

Modell: Pacifica 311H

Typ: Solidbody-E-Gitarre

Herkunftsland: Indonesien

Mechaniken: Grover, locking

Hals: Ahorn, einteilig

Halsbefestigung: geschraubt, vier Schrauben

Sattel: Black Tusq

Griffbrett: Palisander, Punkteinlagen, keine Einfassung

Radius: 10“

Halsform: C-Profil

Halsbreite: Sattel 41,54 mm; XII. 51,30 mm

Halsdicke: I. 20,30 mm; XII. 22,75 mm

Bünde: 22, Medium-Format

Mensur: 648 mm

Korpus: Erle

Oberflächen: Black

Schlagbrett: Tortoise, fünfschichtig

Tonabnehmer: Yamaha P90-Typ (Hals, 7,67 kOhm); Yamaha Humbucker (Steg, 9,88 kOhm, splitbar)

Bedienfeld: Master-Volume, Master-Tone (mit Push/Pull-Funktion), 1× Dreiweg-Pickup-Schalter

Steg: Yamaha Einteiler, Saitenführung durch den Korpus

Hardware: verchromt

Saitenabstand Steg: E-1st – E-6th 52,90 mm

Gewicht: 3,35 kg

Lefthand-Option: nein

Vertrieb: Yamaha Music Central Europe GmbH, D-25462 Rellingen; www.yamaha.de

Zubehör: Karton, Kabel, Manual

Preis: ca. 521

 

Plus

  • Sounds
  • Spielbarkeit
  • Pickups
  • Preis/Leistung

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