Nichts für Menschen mit kurzer Aufmerksamkeitsspanne

Wurstfinger-Training: Poly Effects Josh Smith Flat V im Test

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(Bild: Dieter Stork)

PRAXIS

Ich sage es gleich vorneweg: Das Flat V ist nichts für Leute, die an Knöpfen drehen wollen und Doppelbelegungen hassen. Und auch nichts für ungeschickte Wurstfinger. Während Kanal A denkbar simpel zu bedienen ist, fordert Kanal B schon etwas Einarbeitungszeit, wenn man die Sache wirklich durchdringen will. Einen Live-Modus gibt es nicht, das Pedal sieht also die Verwendung von Presets zwingend vor.

Löst man sich mal von denen und stellt einfach nur einen Sound ein, muss man sich mit der Bedienung der Touch-Slider vertraut machen. Leider geht das nicht so haptisch befriedigend von der Hand, wie man es sich wünscht: Ein ums andere Mal reagiert das Bedienfeld zunächst nicht unmittelbar so, wie man es gedacht hat. Nach einiger Eingewöhnungszeit kommt man aber klar. Ob man die Bedienung des Flat V mag oder nicht, muss man selbst ausprobieren – es ist Geschmackssache, aber meiner Meinung nach für das hektische Live-Gefecht nicht geeignet. Es sei denn, man hat „janz viel Jefühl“ in den Fingerspitzen und eine ruhige Hand, wie ein Sprengmeister oder Bombenentschärfer.

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Klanglich begeistert Kanal A mit unglaublich schönen Overdrive-Sounds. Einstöpseln, Clipping anwählen, fertig. Je nach Pickups der Gitarre schwelgt man in „fast-cleanen“ Sounds bis hin zu kräftigem Overdrive. Schottky und LED klingen sehr offen, transparent und kräftig. Germanium klingt weicher, dafür mit weniger Bumms. Silizium hat am meisten Gain und klingt am ehesten nach Fuzz. Kanal A begeistert mich klanglich so sehr, dass er mir allein schon reichen würde. Aber warum kann man nicht wenigstens die Lautstärke einstellen in diesem Kanal?

Gehen wir mal in Kanal B. Das Grundtimbre des Overdrives ist in meinen Ohren rau, am ehesten mit einer ProCo Rat vergleichbar. Die Gain-Range reicht von „leicht haarig“ bis „ordentlich Dampf“. Wer das Flat V wirklich in seiner Vielseitigkeit nutzen will, muss sich auf das Tweaken des Sounds mit dem EQ einlassen. Und ja, wenn man da einsteigt, lassen sich allerlei bekannte Pedals „nachbauen“: Marshall Bluesbreaker, weiter zur Rat bis hin zum Big Muff – ungefähr so könnte man sich die Soundkultur vorstellen. Das Zuschalten des Kanals A erweitert das noch. Gut, ultramoderne Metal-Chugs, oder spezielle Fuzz-Sounds à la Maestro kann es dann doch nicht. Der EQ erlaubt aber durchaus extreme Settings wie „durchs Telefon gespielt“ oder „ich spiele Bass auf den Melodiesaiten!“

Und da haben wir den LFO noch gar nicht ausprobiert. In der Mitte rechts sieht man Schaltflächen für Wellenformen – Sinus, Dreieck, Rechteck und einen den Envelope-Filter symbolisierenden Umschlag. Man wechselt nun in die zweite Ebene der Druckflächen unter den Fadern und mischt nach Herzenslust ein Tremolo oder einen anschlagssensiblen Filter hinzu. Das klingt super und macht das Flat V zu einem einzigarten Vertreter seiner Zunft.

Bedient das Flat V nun wirklich alle Distortion- und Overdrive-Gelüste? Jein. Der doch recht raue Grundcharakter des Kanals B bestimmt ein gewisses Timbre. Das lässt sich zwar sehr, sehr abwechslungsreich mit dem EQ formen, aber wer die Flöhe husten hört – und viele auf Overdrives fixierte Pedaleros zählen zu dieser Sorte Mensch – wird seinen 5000-Dollar-Klon nach dem Kauf des Flat V dann doch nicht sofort verscherbeln.

RESÜMEE

Zunächst mal hat mich das Flat V überfordert: Die berühungsempfindlichen Slider reagierten nicht so, wie meine ungeduldigen Wurstfinger es wollten; die Lämpchen waren am sehr sonnigen Testtag schwer ablesbar, das Pedal musste künstlich abgedunkelt werden. Die Bedienung der EQ-Möglichkeiten war nicht sofort einleuchtend für mich, ein Handbuch liegt nicht bei, und ein ums andere Mal „slidete“ ich das Pedal ungewollt stumm. Dem gegenüber allerdings steht der Sound: Vor allem Kanal A hat mich restlos begeistert, und Kanal B ist sehr vielseitig einstellbar. Das Manövrieren der Presets fand ich etwas umständlich, auch hier fordert das Flat V Einarbeitungszeit und ist nichts für Menschen mit kurzer Aufmerksamkeitsspanne. Wie schon beim Chase Bliss MKII empfiehlt es sich damit entweder als Studio-Tool oder, wenn man es live nutzen will, es sollte in ein MIDI-System wie GigRig o.ä. eingebunden werden, mit dem man die enorme Vielseitigkeit per Knopfdruck abrufbar machen kann. Das Flat V kann dabei als alleiniger Overdrive/Fuzz fast, aber nicht ganz alle anderen Dirt-Boxes ersetzen (Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass auch das Chase Bliss MKII das nicht kann). Mit einem im Vergleich moderaten Preis und seiner unschlagbar kompakten Größe kann das Flat V ebenfalls gut punkten gegen die Konkurrenz – am Pedalboardfreundlichsten ist es auf jeden Fall.

PLUS

  • tadellose Verarbeitung
  • innovatives Design
  • hervorragende Sounds
  • Vielseitigkeit

MINUS

  • live und ohne Midi-Einbindung nur mit Geschick bedienbar
  • kein Handbuch beiliegend (nur online)
  • Kanal A nicht einstellbar
  • Einarbeitungszeit
  • zu schwache LEDs bei heller Umgebung
  • Touch-Feld reagiert nicht immer befriedigend


(erschienen in Gitarre & Bass 01/2024)

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