Am Ende kommt es auf das an, was rauskommt …

Walrus Audio Fundamental Reverb und Delay im Test: Hört das Auge mit?

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(Bild: Dieter Stork)

Eine ganze Zeit lang schien es zum guten Ton des Pedal-Marketings zu gehören, die kleinen Bodentreter grafisch immer aufwendiger zu präsentieren. Gerade im Boutique-Bereich kann man so manches Gerät aus den vergangenen zehn Jahren als Kunstwerk ins Regal stellen. Nach JHS legt nun mit Walrus Audio aber ein zweiter Boutique-Hersteller eine Serie vor, die einen radikal anderen Weg beschreitet.

So trist wie in den 1990ern und 2000ern sehen die Pedale der neuen „Fundamental“-Reihe zwar auch nicht aus, aber verglichen mit dem Julia Chorus (Walrus‘ erfolgreichstem Pedal), Lillian Phaser und den letzten Veröffentlichungen, Lore und Fable, ist die grafische Gestaltung jedoch geradezu spartanisch. Neben der Reduzierung der eigentlichen Features auf das Wesentliche spart das schon in der Designphase Kosten, weshalb die Fundamental-Reihe mit zwischen € 109 und € 145 Ladenpreis auch vergleichsweise günstig ist – genau wie beim Konkurrenten JHS.

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Ein Schelm, wer da an einen Zufall glaubt: Denn JHS aus Kansas City hat mit der „3 Series“ vor nicht allzu langer Zeit bereits eine denkbar abgespeckte Reihe an Pedalen mit je drei Potis und Kippschalter vorgelegt. Und, oh Wunder, auch bei der Fundamental-Serie betont Walrus Audio, dass die Pedals nur mit drei Controls auskommen. Im Fall von Walrus aber, so viel sei ihnen an Eigenständigkeit auf jeden Fall attestiert, handelt es sich um coole horizontal angeordnete Slider statt schnöder Drehpotis. Und mit einem etwas edleren Look als die recht graue JHS-Serie trumpft man dann doch auf.

Als Lästermaul könnte ich nun spekulieren, mit welcher „Brot und Butter“-Serie demnächst der dritte große US-Boutique-Hersteller, Earthquaker Devices, um die Ecke kommen wird. Aber wenden wir uns lieber mal zwei Repräsentanten von Walrus zu: dem Fundamental Delay und Reverb (neben diesen gibt es in der Serie auch Chorus, Phaser, Tremolo, Drive, Distortion und Fuzz).

(Bild: Dieter Stork)

PEDALBOARD-FREUNDLICH?

Verglichen mit einem Walrus Audio Julia Chorus aus meinem Bestand sind die Fundamental-Pedale genau 6mm schmaler. Das wäre für die Verwendung auf eng bepackten Pedalboards eine gute Nachricht, allerdings konterkariert Walrus diesen Fortschritt gleich wieder damit, dass die Buchse für den 9V-Stromanschluss an die Seite gewandert ist und nur die Ein- und Ausgänge sich noch an der Stirnseite befinden. Je nach Stromversorgung steigt damit die Gesamtbreite, die ein Fundamental-Pedal einnimmt, auf ca. 7 cm an. Damit nimmt das Gerät mehr wertvolle Fläche auf dem Pedalboard ein als ein normales Walrus-Pedal. Alle anderen Maße sind gleich. Platz sparen die Budget-Teile also schon mal nicht.

Jedes der Pedale bietet neben den drei erwähnten Slidern einen kleinen Schalter, mit dem sich drei Modi anwählen lassen. Ansonsten überzeugen sie mit solider, robuster Verarbeitung, soften Druckschaltern und einem leichten Gewicht. Besonders gut gefällt mir, dass die Slider-Controls mittig einrasten – warum auch immer, aber ich mag das, auch wenn es keinen unmittelbaren praktischen Nutzen hat. Bei beiden Pedalen liegt eine Anleitung bei, die nur so groß wie eine Visitenkarte ist. Das ist auch ok, denn zumindest beim Reverb sind die Regler an sich selbsterklärend. Beim Delay musste ich allerdings auf der Webseite nachschauen, wie das mit der Doppelbelegung des Modus-Switches funktioniert.

DELAY

Fangen wir mal in der korrekten Reihenfolge an und nehmen uns das Delay vor. Die drei Slider, von unten nach oben: Mix regelt das Lautstärkeverhältnis der Wiederholungen zum reingespielten Klang, Feedback stellt die Zahl der Wiederholungen ein – von nur einer bis unendlich, zumindest im „Digital“-Modus, und Time setzt die Geschwindigkeit des Delays – maximal ist eine Sekunde Delay-Zeit möglich. Der An/Aus-Schalter kann auch als Tap-Tempo dienen. Dazu muss man ihn kurz gedrückt halten und er geht in den „Tap Mode“. Nun kann man damit das Tempo eintappen, was auch problemlos funktioniert. Die Modus-Umschaltung ist dann inaktiv, denn der kleine Schalter wechselt nun die Tap-Divisions: Viertel-Delay, punktierte Achtel (muss sein, vielen Dank an David Gilmour und The Edge!) und Achtel.

Ist der Tap-Modus ausgeschaltet, kann man die folgenden drei Modi anwählen:

  • Digital: Hier erklingen sehr klare, präzise Wiederholungen, die auch nicht dumpfer und nur sehr langsam leiser werden. Im besten Sinne klangneutral, empfiehlt sich dieser Modus für alle, die Delays als Teil eines Riffs einsetzen wollen und dafür sehr gut hörbare Wiederholungen brauchen. Die befürchtete klirrende Kälte von früheren digitalen Delays ist hier nicht vorhanden, die Repeats haben ein rundes, angenehmes Voicing.
  • Analog: Hier wird das Klanggeschehen sofort dumpfer, wärmer, und eignet sich mehr zur Andickung des Tons, als für kristalline Riff-Gebilde. Laut Walrus wird dabei ein analoges Bucket-BrigadeDelay emuliert. Für mich klingt es nach dem MXR Carbon Copy.
  • Reverse: Wie der Name schon sagt, erklingen hier die Delays rückwärts. Kann man für getragene Ambient-Sachen interessant anwenden, im Bandkontext wird es schnell mal chaotisch, wenn Mix sehr hoch eingestellt ist – und es erfordert eine etwas andere Spielweise, um sich selbst nicht in die Quere zu kommen.

In die Selbstoszillation lässt sich das Fundamental Delay übrigens nicht treiben. Insgesamt eine gut klingende, solide Geschichte. Das Anwählen der Tap-Divisions im Tap-Mode finde ich etwas umständlich und nicht besonders Live-tauglich. Meine persönliche Empfehlung bei Delays mit Untermenüs ist: Stellt es einmal perfekt ein und dann ab dafür! Um das Tempo einzutappen, muss man ja auch den Schalter kurz gedrückt halten – das geht nur in einer Spielpause. Deshalb: Set & Forget.

Ich glaube, so ist das Fundamental Delay auch gedacht, und da kann es einen sehr guten Job machen – und das mit Boutique-Klangqualität.

Test des Reverbs auf Seite 2

(Bild: Dieter Stork)

REVERB

Noch einfacher zu bedienen als die Delay-Schwester ist der Fundamental Reverb. Die drei Slider sind hierbei, von unten nach oben: Mix (Verhältnis zum trockenen Signal), Tone (Ton für die Hallfahne, wichtig bei Reverbs!) und Decay (Ausklinglänge der Hallfahne). Die drei Modi des Reverb sind erneut mit einem kleinen Slider-Switch abrufbar:

  • Hall: Dieser Modus soll eine große Konzerthalle emulieren. Silbrig im Abklang mit viel „Bewegung“ in der Hallfahne, so könnte der Reverb-Sommelier das Geschehen beschreiben.
  • Spring: Wie beurteilt man die Tauglichkeit der digitalen Simulation eines Federhalls? Genau, man dreht Mix voll auf und Tone auch gut rein – dann muss sich das Gluckern und Schnalzen eines echten Federhalls einstellen. Und genau das ist beim Spring-Modus hier gegeben, Mission also erfüllt.
  • Plate: Eine Plattenhall-Simulation muss diesen feinen, leicht silbrigen, ganz zart metallischen Klang in der Hallfahne liefern. Und auch das macht der Fundamental Reverb sehr gut. Das klingt so fein, dass ich in diesem Modus tatsächlich etwas selbstvergessen hängengeblieben bin. Chapeau!

Insgesamt liefert der Fundamental Reverb Hallklänge vom Allerfeinsten, und da er einen Tone-Regler an Bord hat, lassen die sich auch für so ziemlich jede Anwendung einstellen. Ein bisschen unverständlich ist mir allerdings, warum man hier nicht einen Shimmer-Reverb an Bord gepackt hat. Denn für diese Ambient-Geschichten ist Walrus ja auch bekannt und beliebt. Vielleicht kommt das noch?

AUGE UND OHR

Hört das Auge nun mit? Brauchen wir all die kleinen Kunstwerke bei Pedals, deren Erstellung und Aufdruck wir auch (mit)bezahlen? Wir Menschen entscheiden ja mit den Augen, ob wir ein Kaufinteresse an etwas haben oder nicht – innerhalb von Millisekunden.

Und so ganz nur der Vernunft und dem Geldbeutel wollte Walrus Audio die Vermarktungschancen der Fundamental-Serie dann doch nicht überlassen, weshalb man ihr die interessanten Slider-Regler und den doch etwas edleren Look verpasst hat. Dennoch richtet sich die Serie klar an all jene, die nicht (mehr) das Geld haben, das heute für schicke Boutique-Pedals aufgerufen wird. Die Preise klettern ja mittlerweile schon quasi als Standard auf € 200 und mehr. Den riesigen „Budget“-Markt wollen die Boutique-Hersteller (vielleicht auch aus purer Not) anscheinend nicht mehr den großen asiatischen Herstellern überlassen. Wie man so hört, läuft die 3 Series für JHS sehr gut …

RESÜMEE

Am Ende kommt es auf das an, was rauskommt – in unserem Fall: den Klang. Und der ist bei der Fundamental-Serie über jeden Zweifel erhaben. Ich behaupte: Qualitativ schlägt das Gebotene die billige Konkurrenz von Mooer, EHX, etc. Und seien wir ehrlich: Wer nutzt denn die unzähligen Sound-Modi und Features der aufgeblähten Geräte der vergangenen zehn Jahre wirklich? Ich gestehe: Am Ende habe auch ich an meinem ca. € 800 teuren Chase Bliss CXM 1978 nur drei Sounds gespeichert. Klingt komisch, ist aber so. Insofern befriedigen die Fundamental-Pedale zwar vielleicht nicht das verwöhnte Auge, erfreuen aber das Ohr und schonen den heutzutage arg geplagten Geldbeutel.

PLUS

  • Soundqualität
  • Verarbeitung
  • einfachste Bedienbarkeit (Reverb)
  • Gewicht

MINUS

  • umständliche Bedienung der Tap-Divisions (Delay)
(Bild: Gitarre & Bass)

(erschienen in Gitarre & Bass 07/2023)

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