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Vox Starstream Typ 1 im Test

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In einem Punkt unterscheidet sich die neue Vox Modeling-Gitarre gewaltig von ihren Mitbewerberinnen, nämlich im Design. Während dieses auf den ersten Blick sehr futuristisch anmutet, zeigt der Praxistest eine höchst ergonomische Formgebung bei geringem Gewicht. Ein Hoch auf den/die Designer!

(Bild: Dieter Stork)

Die Starstream Type 1F bietet 12 Klangvarianten, bei denen allein die magnetischen Vox-Humbucker und deren Split- Varianten zum Einsatz kommen, während bei 12 Sounds die Piezo-Elemente der Vibrato-Bridge verwendet werden. Lediglich bei den drei elektrischen 12- String-Modellen sind beide Pickup-Systeme simultan aktiv, wodurch man insgesamt auf 27 Klangvarianten kommt. Der Volume-Regler kontrolliert stets den Ausgangspegel, das Tone-Poti bei den magnetischen Pickups den Klang, bei einzelnen Simulationen unterschiedliche Parameter. Zusätzlich gibt es sechs per Modebzw. Pickup-Schalter wählbare Speicherplätze für eigene Sound-Kreationen. Den magnetischen Abnehmern steht ein regelbarer Onboard-Verzerrer zur Seite, den Models ein variabler Halleffekt. Zur Verstärkung eignet sich jeder E-Gitarren- Amp, auch wenn die Akustik- und Spezial- Sounds ihre eigentlichen Qualitäten erst über Breitbandsysteme entwickeln, welches sich beispielsweise per A/B-Schalter ansteuern ließe.

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Holz & Kunststoff

Der Holzanteil der Starstream liegt deutlich unter dem traditioneller E-Gitarren. Während der vierfach verschraubte Ahornhals und das Palisandergriffbrett mit 22 ordentlich abgerichteten, akzeptabel entschärften Bünden noch als konventionell durchgeht, nimmt der Korpus die Dimension einer Reisegitarre ein. Zum ersten Mal treffe ich auf einen Mango-Body. Das helle Holz des Fruchtbaumes wächst in nahezu allen äquatorialen Gefilden wie z. B. Indien, China und Thailand. Nach etwa 15 Jahren wirft der ca. 25 m hohe und 1 m dicke Baum nicht mehr genügend Mangofrüchte ab und wird dann im Inneneinrichtungs-, Massivholzmöbel- und neuerdings auch Instrumentenbau verwendet.

Von dem 44 mm dicken Body bleibt aufgrund der zahlreichen Fräsungen für Pickups, Vibrato, Federkammer, Batterie- und Elektronikfach nicht allzu viel Material übrig, was sich natürlich auch im Gewicht widerspiegelt. Ein elegant geschwungener Rahmen aus ABS-Kunststoff, der über Kunststoffstreben mit dem Korpus verbunden ist. So dient die Cutaway-Strebe gleichzeitig als Konterplatte für den Hals, die beiden unteren Gurtpins sind an weiteren Streben montiert. Auch die Rohrklinkenbuchse fungiert als Rahmenverbindung. Über einen optimal ab- aber nur suboptimal ausgerichteten Knochensattel erreichen die Saiten zuverlässig arbeitende Tuner. In Anbetracht des Preises vermittelt die gesamte Konstruktion, auch wegen der zahlreichen Plastikteile und des schlanken Vibratoblocks aus Zinkguss, einen gewissen Cheapo-Charme.


Vox Starstream History

Bereits im 1968er Vox-Katalog, betitelt mit dem Slogan „Vox Musical Instruments – The Sound That Travels With The Stars“, erschienen erstmals die Modelle Starstream und Starstream XII, die batteriegespeiste Effekte an Bord hatten. Das standardmäßige Red Sunburst Finish der Starstream war eine Anlehnung an Rickenbackers Fireglo. Das Modell V269 Starstream besaß den exklusiven semiakustischen Vox Teardrop Body und war mit Distortion, Treble- und Bass-Booster, Repeat Percussion (eine Art Tremolo), etwas umständlich per Handballen zu steuerndem Wah-Wah und einem E-Tuner (Sinustongenerator E1 = 329,62 Hz) ausgestattet. All das war für die späten 60er-Jahre eine echte Sensation. Was heute das Pedalboard, war damals also eher ein Manualboard.

(Bild: Dieter Stork)

Auch der superleicht bespielbare Fast-Neck mit eingelassenem Double-T-Stahlstab und traditionellem justierbarem Truss Rod zählte zu den Besonderheiten. Zwei spezielle Vox Ferro-Sonic-Pickups, Bigsby-ähnliches Vibrato, vollständig justierbarer Steg, Master-Volume, zwei Tone-Regler und ein Dreiwegschalter komplettierten die luxuriöse Ausstattung. An Lackierungen standen Sunburst, Cherry und Sandburst zu Wahl. Mit Ausnahme des Vibratos und der Farbe Sunburst bot die 12-saitige Vox V270 Starstream XII die gleichen Features. Beide Gitarren wurden von EKO in Recanati/Italien gefertigt und mit Formkoffern ausgeliefert. Dies bezeugen Aufkleber auf den Rückseiten der Kopfplatten: „Made by Vox in Italy“.

Die Schaltung für sämtliche Onboard-Effekte hauste in einem einzigen Modul, das aus Angst vor Kopisten meistens verkapselt und versiegelt war und daher Reparaturen unmöglich machte, zumal der Vox-Service damals keinerlei Reparaturanleitungen zur Verfügung stellte. Wer also glaubte, fehlerhaft oder gar nicht funktionierenden Effekten durch Wechseln der 9- Volt-Batterie wieder Leben einzuhauchen, sah sich meist getäuscht. Und so blieben die Effekte dann oft unbrauchbar. Obwohl tadellos funktionierende original Vox Starstreams heute sehr rar sind, halten sich die Preise auf dem Vintage-Markt im erschwinglichen Rahmen.

Gitarren-Modeling-History

Der eigentliche Pionier auf diesem Gebiet war Roland, der Anfang 1995 mit dem üppigen Virtual Guitar VG-8 an die Sonne kam. Das System enthielt bereits digitalisierte Modelle von Gitarren, Bässen und Verstärkern, die sich umfangreich bearbeiten ließen. Zur Steuerung war jedoch ein zusätzlicher hexaphonischer Roland GK-Pickup erforderlich, zudem war das Gerät mit DM 4650 für einen breiten Kundenkreis schlichtweg zu teuer. Dennoch war das VG-8 ein großer Erfolg, dem die erweiterten Versionen VG-88 (2000) und VG-99 (2007) folgten. Komplette Onboard-Modeling-Elektronik präsentierte erstmals die US-Firma Line6 im Jahre 2002. Die Variax 500 wie auch die folgenden Modelle 700, 300 und 600, sowie einige Akustik-Gitarren und Bässe besaßen jedoch keine magnetischen Pickups. Erst Fender brachte 2007 auf Basis seines Klassikers die VG Stratocaster auf den Markt, die neben dem hexaphonischen GK-Pickup auch die traditionellen drei Singlecoils bot, die auch separat benutzt werden konnten. 2010 stellte Line6 die aktuellen von James Tyler entwickelten Variax-Modelle im Les-Paul- und Modern-Strat- Stil vor, deren Magnet-Pickups ebenfalls autark arbeiten.

(Bild: Dieter Stork)

Eierlegende Wollmilchsau?

Auch wenn auf den ersten Blick durchaus Zweifel aufkommen könnten, die Vox Starstream lässt sich im Sitzen wie im Stehen extrem komfortabel tragen und spielen. Wunderbar leicht, bestens ausbalanciert, perfekt abgewinkelte Armauflage, ungehinderter Zugang zu den höchsten Lagen – so lassen sich stundenlange Gala-Dinner problemlos meistern, und der Rücken freut sich. Das gelungen dimensionierte Halsprofil liegt gut in der Hand, allein einige Bünde weisen kleine scharfe Kanten auf. Resonanztechnisch kann ich nicht meckern, denn die Starstream schwingt intensiv, zeigt erstaunliches Sustain, tönt trocken sehr ausgewogen, wenn auch eher schwachbrüstig – logisch, angesichts des geringen Holzaufkommens. Das 2-Punkt-Vibtrato wurde werksseitig mit stramm aufliegender Basisplatte justiert, sodass dessen Handhabung nicht unerhebliche Kraft erfordert.

Düsenantrieb oder Gurtknöpfe? (Bild: Dieter Stork)

Wir haben es also quasi mit einer Hardtail- Gitarre zu tun. Nun gut, lässt sich alles einstellen. Zwei Vox XLM Schmalspur- Humbucker leisten ihren Beitrag zur konventionellen Verstärkung der Starstream, Allerdings kommt man auch in diesem Fall nicht ohne die Bordelektronik aus. Ohne Batterien also kein Ton! Sehr schade. By the way: Mit einem Vierersatz AA-Alkaline-Zellen arbeitet die Gitarre maximal 11 Stunden. Zwar lassen sich auch Akkus nutzen, aber irgendeine Form von Phantomspeisung hätte mir besser gefallen, zur Not auch ein Netzteilanschluss. Immerhin bietet das System neben einer Batterieerkennung (Alkali, NiMH) auch eine Energiesparfunktion, die die Gitarre ausschaltet, wenn sie 30 Minuten nicht gespielt wurde. Die Übertragung der Modeling-Sounds übernehmen die Piezo-Bridges des Vibratos. Das Bedienfeld ist bei Tageslicht gut zu handhaben, obgleich nicht alle Mode-Settings zu erkennen sind, da der Drehschalterknopf die Sicht verdeckt. Eine indirekte Beleuchtung der Parameter-Bezeichnungen wäre vorteilhaft. Immerhin signalisieren solche den Status von Power/ Batterie (blau/rot), Effekt (rot) und Write (grün).

Wie klingt die Starstream Type 1 nun? Beginnen wir mit den magnetischen Pickups, die in den Modi Single, B‘Tween, ‘Bucker, Modern und 12-String zum Einsatz kommen. Bei Single sind jeweils die Halsspulen beider Humbucker aktiv, wie gewohnt mit dem Dreiwegschalter anwählbar. Klanglich taucht das eher in Tele-Gefilde ein, auch wenn die Halsspule des Steg-Pickups den bekannten Twang vermissen lässt. B‘Tween soll offenbar die Zwischenpositionen einer Strat nachbilden. Es ertönt jedoch eine merkwürdige Mixtur aus Quäck und Out-of-phase, hat nichts mit Bekanntem zu tun und geht daher maximal als nicht uninteressant oder eigenständig durch. Recht authentisch, wenn auch nicht ganz so fett und markant wie traditionelle Full-Size- Humbucker, klingen derweil die drei ‘Bucker-Varianten.

Model-Bedienfeld mit Kopfhöreranschluss (Bild: Dieter Stork)

Modern ist eine Kombi aus Steg-HB und Singlecoils (HSS) bei der der Steg-HB, die Halsspule des Steg- (Schalter Mitte) und die des Hals- Humbuckers Verwendung finden. In diesem Fall klingt der Steg-HB exakt wie der des ‘Bucker Mode, die Singlecoils indes etwas fetter als die des Single Mode. 12- String modelliert elektrische 12-Saiter, bei welchen stets der Steg-Humbucker mit den Piezos kombiniert wird. Kippt man den Dreiwegschalter in die Halsposition, ertönt ein Down-Oktaver, jede Saite wird also von einer tieferen Oktave gedoppelt. Anders herum macht es die Mittelposition, die jede Saite nach oben oktaviert. In beiden Fällen ist das typische Oktaver-Tracking zu hören, das im Falle einer 12-String ja durchaus beabsichtigt ist. Wirklich authentische 12-String- Rickenbacker-Jingle-Jangle-Sounds liefert die Stegposition des PU-Schalters, bei der die E6-G3-Saiten oktaviert, die H2 und E1 aber gedoppelt werden.

(Bild: Dieter Stork)

Während bei allen Magnetic-Pickup-Klängen der (halbwegs akzeptabel klingende) Bordverzerrer hinzugezogen werden kann, hätte ich mir bei den 12-Strings eher den intensiv klingenden, von einem Delay unterlegten Hall gewünscht, der den „echten“ Modelings vorbehalten ist. Acoustic 1 vertritt die fetteren Steelstring- Gitarren wie Jumbo, Dreadnought und 12-String, von denen die 12-Saitige authentisch oktaviert wird und auch am besten klingt. Hier kontrolliert der Tone- Regler die Obertonanteile bzw. die der oktavierten Saiten. Acoustic 2 modelliert zwei Gitarren mit kleineren Bodies, die weniger fett als die Large-Abteilung klingen. Na ja. Ein völliger Ausfall ist jedoch das Nylon-Modell, das selbst mit viel Phantasie keine Klassik-Gitarre zu erkennen gibt.

Recht gut gelungen sind dagegen die Modelle des Unique Mode, und zwar Banjo (Schalter Halsposition), Sitar (Mitte) und Resonator. Bei Sitar regelt das Tone- Poti den Pegel der Resonanzsaiten. Im Special Mode bietet Vox zwei klassische Synth-Sounds à la Mini Moog, die am besten mit Singlenote- Spiel funktionieren. In der Halsposition dringt ein ansprechender Solo-Sound mit Filterhüllkurve ans Ohr, bei dem Tone die Form der Hüllkurve variiert. Die Mittelstellung des PU-Schalters liefert den entsprechenden fetten Bass-Synth-Sound, ebenfalls mit Filterhüllkurve, deren Intensität der Tone-Regler kontrolliert. Das Preset „Sustain“ erzeugt eine Art Fläche des gespielten Tons oder Akkords, die solange mit konstantem Pegel ertönt, bis die Batterien das Handtuch werfen, die Gitarre ausgeschaltet wird oder man mit der Greifhand leicht auf die Saiten schlägt. Das Tone-Poti regelt dabei die Intensität einer Modulation (Vibrato), die kurz nach dem Anschlagen der Saiten einsetzt.

Schief montierte Cutaway- Verstrebung/Halsplatte (Bild: Dieter Stork)

Der Kopfhöreranschluss (3,5 mm) dient zum emissionsfreien Üben, wobei sämtliche Funktionen zur Verfügung stehen. In diesem Fall wird der Klinkenausgang zum Verstärker nicht stumm geschaltet. Da Vox für den Betrieb mit den magnetischen Pickups keine Speaker-Simulation implementiert hat, klingen diese bei aktivem Onboard-Verzerrer gewöhnungsbedürftig.

Alternativen

Neben den Roland-Systemen VG-8, VG-88 und VG-99 (die natürlich nur reine Synthies sind) stellen die verschiedenen Standard und James Tyler Variax-Modelle von Line6 echte Alternativen dar, deren magnetische Pickups auch konventionell ohne Gitarren-Models nutzbar sind. Von James Tyler sind zudem auch Variax US Custom Modelle erhältlich. Allerdings muss man sagen, dass diese keine Onboard-Syth-Sounds bieten und man nicht direkt einen Kopfhörer einstöpseln kann.

Resümee

Vox bietet von der Starstream Type 1 zwei Modelle an, die sich lediglich in der Bodybzw. Rahmenlackierung, dafür aber deutlich im Preis unterscheiden, ansonsten aber identisch sind. Für wen könnte diese Gitarre interessant sein? Den Vintage- Sound-Gourmet möchte ich hier gleich ausschließen, da nur wenige der gebotenen Klänge auch nur halbwegs gehobenen Ansprüchen gerecht werden können. Klar, als Reisegitarre oder fürs stille Üben unterwegs, als leichtes Allround- Instrument für den Oldie-/Top40- Gitarristen bei Hochzeits- oder Geburtstagsfeiern, zur Demonstration diverser Instrumente beim Musikunterricht, für Aufnahmen im Heimstudio oder aber für den, der einfach nur eigenständige Klänge favorisiert. Fazit: Klasse Design und Konzept, Ausführung na ja.

Plus

  • Model-Sounds (12- String, Banjo, Sitar, Resonator, Synth, Sustain)
  • Konzept & Design
  • Spielbarkeit & Tragekomfort

Minus

  • Nylon-Sound
  • Ausrichtung Sattelkerben
  • Batteriebetrieb & – verbrauch, keine Phantom-Power o. ä.
  • keine Speaker- Simulation für Zerr- Sounds

Aus Gitarre & Bass 12/2016

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