Strongman

Vox MV 50 CL Mini-Topteil im Test

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Hamburg im Februar 2017, Lokaltermin zur Beweissicherung. Dem Beklagten wird Hochstapelei zur Last gelegt. Er mag hier und jetzt den Vorwurf widerlegen, indem er seine infame Behauptung er habe die Fähigkeit auf kleinsten Raum 50 Watt zu erzeugen hier und jetzt real unter Beweis stellt!

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Tatsache, dieser Winzling von einem Verstärker soll ähnlich laut und kraftvoll loslegen können wie ein ausgewachsenes 50-Watt-Topteil sagen die offiziellen Spezifikationen. Zu schön um wahr zu sein? Wir werden es herausfinden. Aber dieses Thema ist gar nicht das Interessanteste am MV50. Die Beschriftung oben unter dem „süßen“ kleinen Griff ist der Hinweis: Nutube steht da zu lesen. Wortspiel? New Tube, neue Röhre? Ja und nein. Es geht nicht tatsächlich um eine neue Art von Röhre im klassischen Sinne, sondern um ein elektronisches Bauteil, das in seinem Funktionsprinzip mit dem guten alten Glaskolben übereinstimmt, aber wesentliche Vorteile mit sich bringt. Einer breiteren Masse wurde die Nutube- Technik hierzulande erstmalig auf der Musikmesse 2016 in Frankfurt vorgestellt. Vox zeigte damals den Prototyp eines mehrkanaligen Topteils. Die G&B-Delegation war von dessen Performance sehr positiv angetan. Sowohl was den Sound anging als auch die Ansprache im Spielgefühl.

Vermutlich im Herbst diesen Jahres wird das Serienmodell erscheinen. Müssen wir uns noch ein bisschen in Geduld üben. Immerhin verschafft uns der MV 50 CL einen Vorgeschmack davon, was uns da erwarten könnte. Es werden im Übrigen noch zwei weitere Mini-Modelle in den Handel kommen, die Versionen „Rock“ und „AC“ (-30 ist natürlich gemeint, gelle?!).

Als Ergänzung zum MV 50 CL hat Vox zwei hinten offene Boxen neu ins Programm aufgenommen, die BC112 bestückt mit einem 12″-Lautsprecher (noch nicht lieferbar), und die besonders handliche, kompakte BC108, in der ein 8″-Speaker guten Ton verbreiten soll.Mal sehen was das kleine Cab wirklich kann, es stand parallel zum Amp für diesen Test zur Verfügung. Kostet im Bundle nur ca. € 70 Aufpreis. Einzeln liegt sein Preis bei ca. € 99.

Nutube Technology

Das Bauelement „Nutube 6P1“ ist im Prinzip ein vakuum-fluoriszierendes Display, das der japanische Hersteller „Noritake Co., Limited“ entwickelt hat. Es gleicht in seiner Funktionsweise insofern einer 12AX7-Vorstufenröhre, als „6P1“ zwei Trioden (direct heating twin triode), je mit einem Gitter (Eingang), einer Anode (Ausgang) und einer Heizung enthält. Als Spannungsversorgung reichen 5 Volt bei 24mW für ein 6P1- Modul, ein Bruchteil dessen, was eine konventionelle Röhre braucht, nämlich ganze zwei Prozent davon. Seine Abmessungen sind weitaus geringer und es sind etwa 30.000 Betriebsstunden zu erwarten (mal kurz rechnen: das wären fast 14 Jahre tägliche Nutzung bei ca. sechs Stunden täglich). Klar, dass unter diesen Voraussetzungen das 6P1-Modul für Vox (bzw. Korg, dieMutterfirma) attraktiv ist. Denn bei vielen Produkten spielt die 12AX7 eine wichtige Rolle. Dort und bei zukünftigen Produkten könnte man mit der Nutube-Technik bei weniger Aufwand das gleiche Ziel erreichen. So verspricht es sich Korg vermutlich. Dass 6P1 mit 14dB Verstärkung (umgerechnet ca. 5-fach) der 12AX7 weit unterlegen ist – mindestens um den Faktor 30, je nach Beschaltung der Röhre – wird hier offenbar als sekundär betrachtet. Denn den offiziellen Infos zufolge geht es in der Anwendung nur um die Klangqualität, sprich um das Kolorieren des Signals mit Röhrenmerkmalen, in einer ansonsten auf Halbleitern gestützten Umgebung. Derart ist denn auch die Vorstufe des MV 50 CL gestaltet. Die Ausgangsleistung stellt eine Class-D-Endstufe bereit.

Nutube-Modul: Hier wird die 12AX7 emuliert (Bild: Dieter Stork)

Bleibt die spannende Frage, welche Qualität bei dem kommenden großen Topteil die Sound-Formung von Distortion erreichen wird. Der MV 50 CL hat nur einige wenige Bedienungselemente, trotzdem ist der Schaltungsaufwand beträchtlich – auf so kleinem Raum natürlich nur mit SMD-Bauteile zu bewerkstelligen. Volume, Bass, Treble, Input und als Gimmick ein Output-Level-VU-Meter vorne, hinten ein einzelner Speaker-Ausgang, ein Anschluss für Kopfhörer und vier kleine Schiebeschalter: ECO-On/Off (Öko-Selbstabschaltung), Standby, EQ-Flat/Deep (Bass-/Tiefmittenanhebung) Attenuator (Full/Off, 1/10, 1/100). Ja richtig gelesen die Endstufe hat eine Leistungsumschaltung. Und die werden wir sogar gleich schätzen lernen.

Da das Gehäuse des MV 50 CL aus Stahlblech besteht, liegt der Amp mechanisch auf der sicheren Seite. Auch sonst alles gut, saubere Verarbeitung rundum, an der Substanz gibt es nicht das Geringste auszusetzen.

… aber oho

Damit das gleich einmal klar ist: Das niedliche Erscheinungsbild trügt. Der kleine Amp hat qualitativ viel auf dem Kasten. Das geht schon los mit der Leistung. Meine Messungen (mit Oszilloskop, Distortion Meter usw.) bestätigen den subjektiven Eindruck. Großes Volumen, hohe Lautstärke, und ein warmes gefälliges Klangbild mit gut entwickelter Transparenz. Die leicht drangsaligen Hochmitten, die man bei Hybrid- und Modeling-Amps oft erlebt, dürften auf das Konto der Class-D-Endstufe gehen. Wenn die Wiedergabe wirklich clean sein soll, erreicht der MV 50 CL satte 30 Watt, ein sehr gesunder Wert. Danach schleichen sich ansteigend Oberwellen/Verzerrungen in das Klangbild ein. In der Vollaussteuerung hat unser Testkandidat tatsächlich standhaft knapp über 50 Watt abgeliefert. Dabei wird das Signal aber schon fast zum Rechteck-Verzerrer. Die nutzbare Grenze liegt insofern bei ca. 40 Watt. Damit kann man doch sehr zufrieden sein, oder?!

Das Schöne dabei ist, dass der MV 50 CL wohlklingend verzerrt und dabei Dynamik und Volumen bewahrt. Natürlich ist vor diesem Hintergrund die Leistungsumschaltung eine sinnvolle Einrichtung, denn der leicht „haarige“ Overdrive steht so schon bei Zimmerlautstärke zu Verfügung. Andererseits hat der MV 50 CL so viel Kraft, dass er auch ein 4×12-Cabinet entschlossen antreiben kann. Wichtig in diesem Zusammenhang: Für maximale Leistungsausbeute sollte die angeschlossene Box als nominale Abschlussimpedanz 4 Ohm haben. Acht und sechzehn Ohm sind möglich, es verringert sich aber erheblich die Leistung (auf etwa die Hälfte bzw. ein Viertel). Wohlweislich ist die BC 108 auf 8 Ohm ausgelegt und legt damit die 50%-Bremse ein; die volle Power würde dem kleinen 8″-Lautsprecher wohl ruckzuck den Garaus machen. Gemessen an ihren geringen Abmessungen ist die (in ihrer Aufmachung schlichte) BC 108 klanglich gelungen. Sie hat sogar so etwas wie Volumen im Bass. Der Schalldruck bleibt aber relativ gering. Nichts für die Bühne, oder nur sehr bedingt. Nein da sollte man schon ein ordentliches Cabinet mitnehmen. Sobald verfügbar, werden wir nachreichen, wie gut die BC 112 den Job macht.

(Bild: Dieter Stork)

Power hat er also schon einmal, bleibt noch zu klären, was der MV 50 CL klanglich in der Breite auf der Pfanne hat. Logisch, das muss sich in engen Grenzen halten. Doch es lässt sich mit der recht effizient arbeitenden Klangregelung schon einiges anstellen. Zumindest bieten Treble und Bass die Möglichkeit, unterschiedliche Instrumente jeweils passend auszubalancieren. So drängt sich schlussendlich ein Einsatzbereich besonders auf, nämlich dass man den MV 50 CL als „Sound- Endstufe“ hinter dem Pedalboard benutzt. Ja, dank seiner geringen Abmessungen passt er sogar mit auf das Board. Man bedenke dabei aber dass man dafür ein eigenes Netzteil braucht, das auch noch irgendwie/irgendwo sinnvoll untergebracht werden muss.

Alternativen

Tja, gibt es welche? Ja, vorrangig ist es aber nur eine Option, der Micro Terror von Orange. Die Nachteile, er hat etwas weniger Leistung, ist größer in den Abmessungen als der MV 50 CL und hat nur einen Tone-Regler, plus Volume und Gain. Dafür ist der Micro Terror sehr preisgünstig (ca. € 149 im Handel). Man bedenke aber, dass die beiden Amps im Ton durchaus differieren. Der MV 50 CL hat meiner Ansicht nach in der Tonkultur doch etwas die Nase vorn.

Resümee

Lächerlich kleiner Amp, sieht aus wie Spielzeug aus der Kinderkrippe: Tja, von wegen, infames Understatement. Der MV 50 CL ist ein ernstzunehmendes Tool mit beeindruckend hoher Verstärkerleistung und Kultur in der Tonqualität. Im Team mit einer guten, effizienten Box ist der Amp in gemäßigten, defensiven Musikstilrichtungen definitiv bühnentauglich. Und somit für Spieler, die ihre Sounds primär mit dem FX-Pedalboard formen ein lukratives Angebot. Wer z. B. für zu Hause ein maximal kompaktes Stack möchte, ist mit dem Bundle MV 50 CL/BC108 gut bedient; weil die kleine Box doch schon erfreulich rund klingt. Wofür man sich auch entscheidet, Preise und Leistung stehen jedenfalls in einem gesunden Verhältnis.

Plus

  • Klangvolumen
  • recht harmonische Sättigungsverzerrungen
  • Dynamik/Ansprache
  • Leistungsausbeute
  • Abmessungen
  • geringe Nebengeräusche
  • Verarbeitung/Qualität d. Bauteile

Soundfiles

Hinweise zu den Soundfiles

Für die Aufnahmen kamen zwei Mikrofone mit Großflächenmembran zum Einsatz, ein AM11 von Groove-Tubes/Alesis und ein C414 von AKG, platziert vor einer Mesa-Half-´n-Half-Cab, vor dem MC90 oben im hinteren offenen Compartment.

Die Clips wurden pur, ohne Kompressor und EQ-Bearbeitung über das Audio-Interface Pro-24DSP von Focusrite in Logic Pro eingespielt und gemastert. Das Plug-In „Platinum-Reverb“ steuerte die Raumsimulationen bei.

Die Instrumente sind eine Fender-CS-Relic-Strat-1956 (m. JB-Humbucker v. Seymour Duncan am Steg) und eine 1957-Signature-Les-Paul „Lee Roy Parnell“ aus dem Gibson-Custom-Shop.

Wir hören immer alleine den Vox MC 50 CL. Nur nicht im Clip 5: Da ist ein Distortion-Pedal vorgeschaltet. Eine Vintage –Strat braucht das, ohne erreicht sie keine tragenden Verzerrungen.

Ich wünsche viel Vergnügen, und…,  wenn möglich, bitte laut anhören. Über Boxen, nicht Kopfhörer!

Fragen, Anregungen  und  ja, auch Kritik sind wie stets willkommen. Nachrichten bitte an frag.ebo@gitarrebass.de.  Es klappt nicht immer, aber ich werde mich bemühen möglichst kurzfristig zu antworten.


Aus Gitarre & Bass 04/2017

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Ihr habt da glaube ich einen Typo in der Überschrift.
    Dort nennt ihr den Amp MC 50 … heisst der nicht MV 50?

    Auf diesen Kommentar antworten
    1. Lieber Steven – da hast du ganz Recht. Danke für den Hinweis. Tolles Profilbild übrigens – wir in der Redaktion stehen auch auf Frucht-Gooshers 😉

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  2. Grosse Klasse! Ich habe MV 50 CL und BC 108 mit einem 12″/8Ohm Eminence Guitar Legend 1258 kombiniert, um die vollen 50W zu bekommen. Sprachlos und fast gehörlos!

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