Mehr geht kaum

Volles Haus: Engl E670FE Special Edition im Test

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(Bild: Dieter Stork)

100 Watt, fünf Kanäle, drei Effektwege, Hall, integriertes Noise Gate, MIDI und jede Menge Schaltmöglichkeiten. Mehr kann man sich von einem Röhrenverstärker kaum wünschen. Mit der Neuauflage des E670SE in zwei Varianten feiert Engl das 40-jährige Firmenjubiläum …

Der Engl E670SE Special Edition von 2005 war lange Zeit das Vorzeigemodell des Herstellers aus Tittmoning. Man könnte ihn als funktionale Weiterentwicklung des Savage 120 und insbesondere des Savage SE bezeichnen, allerdings mit einer anderen Soundabstimmung. Nachdem die Produktion vor ca. fünf bis sechs Jahren eingestellt wurde, erlebt das Modell nun als „Founders Edition“ eine Renaissance.

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40 JAHRE ENGL

Bereits 1984 sorgte die von Edmund Engl gegründete Firma Engl für Furore. Das Produktdebüt E101 war der erste programmierbare Röhrenverstärker der Welt. Gemeinsam mit Horst Langer – bis heute Chefentwickler des Unternehmens – setzte Engl diese Vision in die Tat um. Es folgten immer neue Modelle, von Straight über Savage 120 bis hin zu Powerball, Invader oder den Retro-Tube-Modellen. Dazu kamen Signature-Modelle für Ritchie Blackmore, Steve Morse, Victor Smolski oder Marty Friedman. Auch Musiker wie Paul Stanley, Vivian Campbell, Glen Tipton und Gary Moore wurden von Engl bedient. Zum Angebot gehören auch Combos, Boxen, Vor- und Endstufen sowie Pedale.

(Bild: Dieter Stork)

MEHR GEHT KAUM

An Funktionalität mangelt es den Verstärkern aus dem Hause Engl kaum. Dies gilt insbesondere für die großzügige Ausstattung des Testgerätes. Der E670FE, der wahlweise mit EL34- oder 6L6-Bestückung ausgeliefert wird, bietet vier Hauptkanäle (Clean, Crunch, Lead I, Lead II), die sich in zwei Stränge aufteilen. Jeder Kanal verfügt über eigene Gain-, Level- und Treble-Regler, während sich jeder Strang die Bass- und Mittenregler teilt. Hinzu kommt der puristische, rückseitig platzierte Tube-Driver-Kanal mit schaltbarer, dreibandiger Klangregelung. Weiterhin gibt es zwei unabhängig voneinander schaltbare Regler für die Master-Lautstärke und den Höhenanteil der Endstufe. Außerdem gibt es Regler für den internen digitalen Hall und gleich drei Effekt-Loops, von denen zwei zwischen seriellem und parallelem Betrieb umgeschaltet werden können.

(Bild: Dieter Stork)

Jede Sektion verfügt über eine Auswahl an Tastern, die verschiedene Funktionen übernehmen. So findet man hier die Kanalwahl, multiple Voicings, Gain Boosts, Schalter für die Effekte (Reverb und Noise Gate), Effektwege sowie die Möglichkeit, ebendiese Tastereinstellungen zu speichern. Deren Status lässt sich über MIDI-Programmwechselbefehle ändern, so dass letztlich deutlich mehr als fünf Sounds abrufbar sind. Einzelne Schaltfunktionen können zusätzlich über MIDI-Controllerbefehle angesprochen werden. Ein MIDI-Fußpedal ist daher sinnvoll, da nur so das volle Potential der speicherbaren Tasten ausgeschöpft werden kann. Das passende hauseigene Modell Z9 muss allerdings separat budgetiert werden.

(Bild: Dieter Stork)

ÜBERSICHTLICH UND SCHÖN

Trotz dieser Funktionsvielfalt ist die Aufteilung der Gerätefront übersichtlich: Es gibt zwei Reihen für die Stränge Clean/Crunch und Lead 1/2 sowie eine vertikale Unterteilung in die Bereiche Gain, Klangregelung, Kanalpegel mit Hall und die Mastersektion. Mit seinem mattschwarzen Bedienfeld, den silbernen Knöpfen und den schwarzen, quer verlaufenden Aluminiumrohren im oberen Bereich, die den Blick auf die rote Innenbeleuchtung freigeben, wirkt der Amp auch optisch sehr dekorativ. Nachvollziehbar finde ich die Entscheidung, einige Regler auf die Geräterückseite zu verbannen. Dazu gehören der Tube-Driver-Kanal, der Empfindlichkeitsregler für das Noise Gate und die Balance-Regler der Effektwege. Mein einziger Einwand: Die Potis auf der Frontplatte wackeln leicht.

UNTERSCHIEDE ZUM VORGÄNGER

Der E670FE entspricht im Wesentlichen seinem Vorgänger, dem E670SE. Die Änderungen basieren laut Hersteller auf Kunden-Feedback, sollen aber bewusst den Charakter des Originals erhalten. So wurden die Kanäle leicht modifiziert und die Regelbereiche optimiert. Dazu gehören auch veränderte Voicing-Optionen. So wurde beispielsweise ein Bright-Schalter der ersten Version durch eine Mid-Shift-Funktion ersetzt. Auf den 50-Watt-Schalter, die Boxenumschaltung und den integrierten Kabeltester des Vorgängers wurde gänzlich verzichtet. Auch die Frequenzgangkorrektur des rückseitigen Line-Ausgangs wurde entfernt. Hier wird das unbearbeitete Signal der Endstufe abgegriffen, um es z.B. auf eine weitere Endstufe zu verzweigen oder mit einer externen Boxensimulation zu versehen. Geblieben ist jedoch der praktische Power Tube Monitor, der anzeigt, sobald eine Endstufenröhre aus dem Takt gerät.

Soundcheck und Resümee auf Seite 2

(Bild: Dieter Stork)

KLANG

Bemerkenswert ist zunächst, dass der Verstärker in der 12-UhrStellung der Regler sofort gut klingt. Das ist nicht selbstverständlich. Auch die Lautstärkeregelung funktioniert gut, sodass man auch bei Zimmerlautstärke arbeiten kann, wenn man den Presence-Regler etwas höher stellt. Generell deckt Engl hier ein sehr breites Klangspektrum ab. Zwei Clean-Kanäle, Crunch und zwei High-Gain-Kanäle mit hohen Reserven – allesamt klanglich überzeugend und eigenständig, dazu mit angenehmen Spielgefühl.

Der allgemeine Grundcharakter ist modern und schnell, mit einem kräftigen Fundament in den Bässen, einem gesunden Mittenspektrum und offenen, aber nicht bissigen Höhen. Gleichzeitig klingt der Amp weniger roh, direkt und dynamisch als ein alter Marshall. Er liefert auch nicht die böse Kombination aus Bassdruck und aggressiven Höhen eines Rectifiers. Die verzerrten Sounds sind durchaus straff, fühlen sich aber anders an als bei einem Fryette bzw. VHT oder einem Boogie aus der Mark-Serie – hier ist mehr Kompression im Spiel.

Der Clean-Kanal ist schlank und perkussiv eingestellt. Wunderbar für perlende Sounds, besonders mit Single Coils, wobei der Bright-Schalter für meine Begriffe etwas über das Ziel hinausschießt. Mit kräftigen Humbuckern hingegen gerät der Kanal selbst bei niedrigen Gain-Einstellungen zu schnell in die Zerre. Umgekehrt erreicht man mit diesem Kanal bei eingeschaltetem Gain Boost bereits einen kräftigen, satten Crunchsound, den ich als moderne Hardrockvariante bezeichnen würde – eine erste Überraschung. Der Crunch-Kanal übernimmt quasi nahtlos und erweitert die Gain-Reserven deutlich. Als gewinnbringend empfinde ich dabei den Mid-Shift-Schalter, der in diesem Frequenzband für zusätzliche Fokussierung sorgt. Mit Gain Boost kann man mit diesem Kanal durchaus klassischen Heavy Metal spielen. Dabei klingt es gleichermaßen aufgeräumt und füllig im Bass, ohne dass man die Schaltfunktionen Mega Low Punch (für die Vorstufe) und Depth Boost (für die Endstufe) bemühen müsste.

Hauptkaufargument für die harte Fraktion dürfte der Kanal Lead 1 sein, dem sich High-Gain-Sounds aller Art entlocken lassen, die sich vor allem für Rhythmusarbeit eignen. Hier gibt es das volle Metal-Brett, wie man es von Engl kennt: Modern mit guter Artikulation, schneller Ansprache und schnittig. Gain-Reserven sind reichlich vorhanden, vor allem wenn man mit dem High-Gain-Schalter eine weitere Gain-Stufe zündet. Der Bassbereich ist wieder voluminös. Wem das noch nicht reicht, der kann mit Mega Low Punch und vor allem Depth Boost den Tiefbassdruck noch einmal nachhaltig steigern. Zwei weitere Regler beeinflussen den Mittenbereich: Contour sorgt für eine Absenkung der tiefen Mitten. Nicht unbedingt mein Geschmack, aber für Scooped Sounds genau richtig. Ich bevorzuge die Option Mid Edge, die die oberen Mitten anhebt und für mehr Durchsetzungsvermögen sorgt.

Lead 2 ist wärmer und dunkler abgestimmt. Hier findet man eher Solosounds als straffe Rhythmussounds. An dieser Stelle spielt der Verstärker die Stärke eines zweiten Presence-Reglers aus. So kann man diesem Kanal mit mehr Höhenanteil zusätzlichen Biss verleihen.

Schließlich gibt es übergreifend für alle Kanäle die Option Modern/ Classic, die den Klang nochmals ziemlich umkrempelt. Bisher habe ich immer die Modern-Variante beschrieben. Das Classic-Voicing entschärft den Höhenbereich und auch gefühlt den Druck, mit dem der E670FE nach vorne drängt. Im direkten Vergleich ist mir diese Abstimmung zu dunkel, was sich wiederum mit dem zweiten Presence-Regler beheben lässt. Persönlich kann ich dieser Klangvariante jedoch wenig abgewinnen, da weder der Bass aufgehellt noch die Direktheit verbessert wird. Lediglich die Dynamik wird verbessert, ist aber nach wie vor keine besondere Stärke des E670FE.

Generell muss man den voluminösen Charakter des E670FE loben, der sich in allen Gain-Kanälen wiederfindet. Abseits des Bassreglers lässt sich diese Eigenschaft nie entfernen. Sie gehört zum Charakter dieses Verstärkers und lässt sich mit den genannten Reglern sogar noch verstärken, sodass man ein wirklich kräftiges Klangfundament erhält. Dennoch hätte ich mir für die Vorstufe eine Absenkung und für die Endstufe den Depth-Regler vieler Mitbewerber gewünscht. Die Mittel der Wahl sind im Bedarfsfall schlankere Boxen und der Einsatz eines Vorschaltpedals mit Bassausdünnung. So sorgte der Friedman Buxom Boost im Test für deutlich mehr Ordnung im Bassbereich.

Der Tube Driver schließlich liefert einen zweiten Clean-Kanal. Dieser ist etwas fülliger und weniger perkussiv abgestimmt. Je nach Präferenz hat man also die freie Wahl. So könnte man diesen Kanal dank seiner unabhängigen Klangregelung sinnvoll für den Einsatz von Pedalen optimieren. Und ebenso lässt er sich für die Integration einer externen Vorstufe nutzen.

Abschließend seien noch weitere Optionen erwähnt: Der integrierte Hall ist für jeden Kanalstrang regelbar. Es klingt in seiner digitalen Umsetzung anders, dezenter und realistischer als ein Federhall, der sich noch im Vorgänger fand. Gratulationen gibt es für das Noise Gate, das in seiner Empfindlichkeit regel- und für die Kanäle 2-4 zuschaltbar ist. Es greift zackig und ohne Klangverluste zu. Schließlich verfügt der E670FE über drei Effektwege. Die serielle Variante ist einzeln schaltbar, während man zwischen den beiden anderen Effektwegen per Schalter wechselt. In der Praxis bedeutet das keine Einschränkung, solange man nicht wirklich drei unabhängige Loops benötigt.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Einen vielseitigeren Röhrenverstärker als den E670FE wird man derzeit kaum finden. Vier Kanäle mit allen Schikanen, ein ergänzender Tube-Driver-Kanal, MIDI und eine 100-Watt-Endstufe zeigen Röhrenverstärkerbau in voller Pracht. Darüber hinaus ist Engls Jubiläumsmodell auch klanglich ein Fest der Sounds. Von blitzsauber bis mächtig verzerrt kann man in einer üppigen Bandbreite von Sounds schwelgen. Der E670FE ist dabei keinesfalls auf harte Genres festgelegt, spielt allerdings genau in diesem Bereich seine vollen Stärken aus. Er klingt dabei eigenständig und so, wie man es von Engl erwartet.

Ob dieser gleichermaßen wuchtige und schnelle Klang den eigenen Geschmacks trifft, sollte man beim Händler vor Ort erspüren, ebenso wie die Entscheidung für EL34- oder 6L6-Röhren in der Endstufe. Mit 3499 Euro wurde der Preis des E670FE gegenüber dem Vorgänger sogar leicht gesenkt. Ein Schnäppchen ist der Engl-Amp aber trotzdem nicht, sondern ein traumhaft großzügig ausgestatteter Vollverstärker aus heimischer Produktion. Den passenden Fußschalter sollte man, falls man nicht eh eine MIDI-Leiste hat, ins Budget einkalkulieren.

PLUS

  • Sounds & Ausstattung
  • effizientes Noise Gate
  • umschaltbarer zweiter Presence-Regler
  • Made in Germany

MINUS

  • kein Depth-Regler


(erschienen in Gitarre & Bass 02/2024)

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Les Paul + TubeScreamer + Hiwatt Custom 100 …that´s it. Ich bleibe dabei.

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  2. Hey Manfred, ich musste schmunzeln. Bei mir ähnlich… Fender Cabronita + Fulltone OCD + Hiwatt Custom 100. Mehr brauch ich nicht. Aber Geschmäcker sind verschieden und somit hat sicher auch dieser Engl seine Liebhaber.

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  3. Sehr interessanter Bericht – Danke! Nachdem ich ja ein ziemlicher Pedal-Nerd bin und am SE FE auch so nicht vorbeigekommen wäre, trifft sich das sehr gut. Da ich von Engl unter einigen anderen auch Artist Edition, Retro Tube oder auch Marty Friedman Inferno in meiner Sammlung habe, weiß ich, wie unglaublich gut diese Verstärker auch im “Nicht-Metal-Bereich” sein können. Mal sehen, was sich aus dem SE FE mit ein paar sehr edlen Overdrives herauskitzeln lässt.

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