Vintage REVO VRS65 Surfmaster Thinline Squad im Test
von Heinz Rebellius, Artikel aus dem Archiv
Anzeige
(Bild: JHS)
Warum denn nicht? Wo Platz für drei Pickups ist, da passt auch ein vierter hin! Genau das hat sich die englische Firma Vintage auch gedacht und in der brandneuen Surfmaster Thinline Squad aus der ebenso neuen REVO-Serie diese irre Idee umgesetzt.
Es ist schon erstaunlich, was Gitarrendesigner und Pickup-Entwickler Alan Entwistle und das Vintage-Designer-Team um Trevor Wilkinson immer wieder auf die Beine stellen. Mit der neuen REVO-Serie scheinen sie sich nun selbst übertroffen zu haben, nicht nur in der schieren Anzahl verschiedener Modelle, sondern – soviel schon vorab – auch in der Performance-Preis-Ratio!
Anzeige
REVO
REVO steht für Retro Vintage Originals – und somit ist die Richtung schon einmal angedeutet. Die nächste Fahrt geht also rückwärts, zurück in das Goldene Zeitalter der E-Gitarre, mitten hinein in eine Ära, in der Aufbruchstimmung, Optimismus und Zuversicht vor allem die junge Generation prägten. E-Gitarren spielten damals eine zentrale Rolle in diesem kulturellen Wandel und die REVO-Serie knüpft genau dort an, auch – und das unterstelle ich den Designern jetzt einmal – um an diesen Geist von damals zu erinnern. Gottseidank haben sie sich verkniffen, die alte Klassiker einfach nur zu kopieren, sondern ließen sich von ihnen zu neuen, frischen und manchmal auch abenteuerlichen Designs inspirieren. Gut so!
Das aktuelle REVO-Programm umfasst derzeit 15 Gitarren- und zwei Bass-Modelle, und als Inspirationen dienten von Strat, über Tele bis hin zu Mustang, Jazzmaster und Höfner Thinline diverse klassische Designs, die von den Engländern in aller Frische gekonnt durch die Mangel gedreht wurden.
Vier Pickups plus 5-facher Klangschalter = 75 Sounds (Bild: JHS)
Nehmen wir uns doch mal die vorliegende Thinline Surfmaster Squad gleich als Beispiel für solch eine spezielle Reise in die Vergangenheit vor. Das Mindset der Brainstorming-Session bei Vintage war bestimmt: Lasst uns eine Offset-Gitarre mit den Fender-Ikonen Jaguar und Jazzmaster als Ausgangspunkt schaffen, die sich in folgenden Punkten vom Original unterscheiden soll:
vier Pickups statt zwei (à la Teisco, Hertiecaster & Co.)
vier Schiebeschalter (à la Fender Jaguar) zum individuellen Aktivieren der Pickups
ein Fünffach-Kondensator-Drehschalter (à la Gibson Varitone)
Free Floating Vibratosystem (à la Fender Jazzmaster/Jaguar), in Verbindung mit einer festen roller-bridge und staggered Mechaniken
eine Mensur mit 628 mm (à la Gibson)
ein mit 48 mm recht starker Korpus nach dem Thinline-Prinzip, also mit Hohlkammern und einem F-Loch, sowie einem schicken Double-Binding
So, oder so ähnlich, wird das Brainstorming bei Vintage wohl ausgesehen haben. Als Ergebnis dieser Sitzung läuft nun die Thinline Surfmaster Squad in China vom Band und will die Retro-Fans auf der ganzen Welt mit ihrem ganz besonderen Offset-Appeal in die Leichtigkeit des Seins entführen. Wird es ihr gelingen?
Das Offset-Floating-Vibratosystem sitzt etwas näher an der Brücke als gewohnt und erhöht damit den Saitendruck auf die Reiter. (Bild: JHS)
TWANGTONE
Die Surfmaster macht nicht nur ihrem Namen alle Ehre, sondern sie kommt trotz aller Anleihen an die kalifornische Gitarrendesign-Stilistik mit einem typisch-britischen, eigenen Charakter daher. Und dies fängt schon bei der Anzahl der Pickups an. Denn mal im Ernst: Wer braucht eigentlich vier Pickups? OK, mehr ist mehr, das stimmt. Ich verbuche die Entscheidung für dieses Quartett Singlecoils unter „erhöhter Spaßfaktor“. Denn dass diese Gitarre nicht weniger als 75 (!) verschiedene Sounds zu bieten hat, liegt natürlich auch an der Anzahl der Pickups. Wären da nur drei, würde sich die Gesamtzahl möglicher Sounds auf lächerliche 35 reduzieren, und eine ärmliche Bestückung mit zwei Pickups wie bei den Schwestermodellen Surfmaster 90 und Slimline Twin brächte lediglich indiskutable 15 Sounds in den Ring. Dann doch lieber vier Pickups und 75 Sounds, oder?
Der ATN5 Variator genannte Fünffach-Drehschalter sorgt als Multiplikator für die enorme klangliche Vielfalt dieser Gitarre, die neben der Null-Stellung, in der das Signal unbearbeitet bleibt, folgende vier Sounds bereitstellt:
Vintage / Surf
Country / Rock
Blues / Rock
Jazz
Da sollte also etwas für jeden dabei sein – vor allem, wenn man die Vorgaben des Variator mit den diversen Pickup-Kombinationen verknüpft. Denn dank der individuellen An-/Ausschalter pro Pickup sind alle denkbaren Kombinationen möglich.
Entwistle hat den ATN5 entwickelt, weil er, wie er sagt, der normalen Klangregelung einer E-Gitarre überdrüssig geworden war. Die würde ja nichts anderes bewirken als die Höhen zu bedämpfen. Recht hat er, und sein ATN5 Variator wirkt sich daher vor allem auf das Mittenspektrum aus und schiebt je nach Stellung einen anderen Mittenbereich nach vorne. Diese Klangveränderungen sind sehr breitbandig ausgelegt und erscheinen damit deutlich subtiler als z. B. ein Gibson-Varitone-Schalter, dessen Sounds sich engbandiger darstellen. Von daher sind die Bezeichnungen für die einzelnen Schaltpositionen der Surfmaster Squad wie Surf, Rock, Jazz etc. mit Vorsicht zu genießen, denn – das beweist der Praxistest – so groß sind die Unterschiede bei weitem nicht.
Diese Schaltung ist übrigens passiv und benötigt keine Spannungsversorgung. Außerdem ist der Variator so klein, dass er ohne weitere Fräsung in nahezu jede Gitarre eingebaut werden kann und ist auch separat erhältlich.
Praxistest, Alternativen und Resümee auf Seite 2 …
(Bild: JHS)
SURF ROCK JAZZ
Nimmt man sich die Surfmaster Squad zur Brust, wird man gleich feststellen, dass sie sich trotz ihres Surf-Appeals überhaupt nicht fenderesk anfühlt. Dieses Gefühl fängt schon bei der Body-Stärke an, die mit 48 mm ca. drei bis vier Millimeter mehr auf den Rippen hat als jede Telecaster oder Jazzmaster. Dank der Rollerbridge, die auf acht Millimeter starken, in Gewindehülsen stehenden, Bolzen thront, verlaufen die Saiten zudem höher über dem Korpus als z. B. bei einer Jazzmaster; natürlich ist der Hals in einem dazu passenden, steileren Winkel in den Korpus eingepasst, was dazu führt, dass sich die Gitarre näher an den Spieler heran wirft als dies bei Fender-Gitarren der Fall ist.
Die für Gibson typische hohe Position der Brücke sorgt zudem für einen steileren Anstiegswinkel der Saiten hin zur Brücke. Gleichzeitig hat Vintage die Länge des „string travel“ zwischen Brücke und Vibratosystem um knapp einen Zentimeter kürzer als bei einer Jazzmaster gestaltet, was ebenfalls den Winkel der Saiten steiler werden lässt; diese beiden Faktoren führen dazu, dass die Achillesferse so mancher Jazzmaster, das Herunterspringen der Saiten aus Saitenreitern, hier kein Thema ist. Es scheint, als ob an alles Sinnvolle gedacht wurde.
Und ja – die verwendete Gibson-Mensur erweist sich meiner Meinung nach als der wirkliche Bringer, denn sie gestaltet den Ton und die Ansprache eine Spur wärmer und satter und verleitet den Spieler gleichzeitig dazu, sich musikalisch vielseitiger auszudrücken.
(Bild: JHS)
Neben der kürzeren Mensur ist besonders der Hals hervorzuheben, der nicht nur ein handliches, mittelstarkes Profil und sehr bequem zu spielende Bünde im Medium-Jumbo-Format aufweist, sondern dank der beidseitigen Einfassung des Griffbretts und der leicht gerundeten Griffbrettkanten sehr smooth zu spielen ist. Und – nicht zu vergessen – etwas breiter als gewohnt ausgefallen ist, was ein aufgeräumteres Spielgefühl unterstützt.
Apropos „Medium-Jumbo“: Diese Angabe sagt eigentlich gar nichts aus. Ist die Breite Medium oder die Höhe? Und was ist Jumbo? Deshalb haben wir in der Übersicht der technischen Daten die genauen Maße angegeben, die in diesem Fall 2,7 mm für die Breite (= Jumbo) x 1,0 mm für die Höhe (= Medium) betragen – eben ein sehr bequem zu spielendes Bundformat mit genug Masse zur Unterstützung eines fetten Tons.
Klanglich fördert die Thinline Surfmaster Squad eine erstaunliche große Bandbreite an grundsätzlich hellen und vollen Sounds zutage. Von einem vollmundigen Hals- bis zu einem konkreter und leicht mittiger erscheinenden Steg-Pickup werden erstklassige Singlecoil-Sounds regelrecht zelebriert, die dank der interessanten Kombination von Fender- und Gibson-typischen Designmerkmalen plus der halbmassiven Thinline-Konstruktion einen absolut eigenen Charakter aufweisen. Sehr klar, mit einem deutlichen, fetten Attack-Verhalten, einem strahlenden Obertonbereich, aber gleichzeitig auch mit einer Wärme, die regelrecht auffällt und zum genauen Hinhören und Verweilen verführt. Die Crunch-Sounds der Surfmaster Squad klingen ähnlich betörend, und selbst High-Gain lässt sich mit einer guten Transparenz und einem definiertem Attack dynamisch sehr gut steuern.
Die einzelnen Aggregate der Pickup-Quadriga können klanglich ohne Probleme für sich allein stehen. Ihre Kombi-Stellungen bringen dann Varianten ins brillante Klangfarbenspiel, die – ähnlich wie beim Fünffach-Kondensator-Schalter – recht subtil, aber in bestimmten Situationen sehr sinnvoll sind.
Braucht der Steg-Pickup ein wenig mehr Unterfütterung, schaltet man den ersten oder den zweiten Hals-Pickup hinzu – oder sogar beide. Möchte der Hals-PU etwas mehr Knack in den Höhen haben, gibt man ihm den dritten oder vierten Pickup – oder beide. Und so weiter, und so fort. Die Anpassung an das eigene Setup und an die eigenen Klangvorlieben sollte mit dieser Schaltung wirklich kein Problem sein. Ich habe alle 75 Sounds ausprobiert, und alle 75 funktionieren gut – es war kein einziger dabei, der nicht zu gebrauchen gewesen wäre.
Alle Pickups sind parallel zueinander geschaltet. Mir kam noch der Gedanke, ob man nicht eine serielle Humbucker-Verschaltung für die beiden Steg-Pickups in das Portfolio hätte aufnehmen können … ?
ALTERNATIVEN
Die Features der Thinline Surfmaster Squad lassen nicht wirklich viele Alternativen anderer Hersteller zu. Da gibt es z. B. die Rapier 44, Designer ist ein gewisser Alan Entwistle. Ist man minimalistischer in Sachen Pickup-Bestückung unterwegs, bieten sich die oben schon erwähnten Vintage Slimline Twin mit zwei FilterTron-ähnlichen Pickups und die Surfmaster 90 mit zwei P90-Pickups als propere Alternativen an.
RESÜMEE
Die kreativen Köpfe um Alan Entwistle und Trevor Wilkinson haben mit der REVO-Serie im Allgemeinen und der Surfmaster Squad im Besonderen einen richtig guten Job gemacht. Ihr Ansatz, Elemente verschiedener E-Gitarren-Klassiker zu einem stimmigen, hervorragend funktionierenden System zu vereinen, funktioniert! Inspiriert von der kalifornischen Offset-Königin namens Jazzmaster ist so ein im wahrsten Sinne des Wortes eigenartiges Instrument entstanden, das von seiner Performance her all das liefert, was man von der Erscheinung her erwarten darf. Die Surfmaster Thinline Squad ist weit entfernt von bierernster Allerweltsmusik oder der nächsten Alt-Blues-Session im Hobbykeller. Sie steht vielmehr für Spielfreude, Experimentierlust und die pure Freude am Musikmachen. Mit ihrem spektakulären Design, den erfrischenden Klangfarben, einer sehr guten Spielbarkeit und einer beeindruckenden Soundvielfalt kann sie jede Probe in eine kreative, klangliche und musikalische Entdeckungsreise verwandeln. In dem Sinne: Daumen noch – und schnellstmögliches Antesten angeraten!
Respekt,da tut sich endlich etwas Positives in Sachen genialer Ideen!
Als Alternative gibt es diese schöne REVO Surfmaster Squad sogar in der Farbgebung Metallic White oder Boulevard Black mit Elixir-Saiten ab Werk zu einem wirklich fairen Preis! Alles richtig gemacht! Da muß faktisch also überhaupt gar kein Fender-oder Squier Markenlogo auf dem Headstock prangern! Das ist sehr gut. Ein passendes Gigbag oder einen Koffer kann man ja zusätzlich noch zukaufen,denn für den Preis von schlaffen 650,- € kann man nicht auch noch ein Case verlangen,dies wäre doch wohl vermessen.
Ja, wenn Geld keine Rolle spielt, dann kann man das case noch zusätzlich bezahlen. Nur gut, dass Saiten werkseitig schon aufgezogen sind. Aber das scheint bei Peperoni auch kein Problem zu sein!
650€, was soll’s.
Respekt,da tut sich endlich etwas Positives in Sachen genialer Ideen!
Als Alternative gibt es diese schöne REVO Surfmaster Squad sogar in der Farbgebung Metallic White oder Boulevard Black mit Elixir-Saiten ab Werk zu einem wirklich fairen Preis! Alles richtig gemacht! Da muß faktisch also überhaupt gar kein Fender-oder Squier Markenlogo auf dem Headstock prangern! Das ist sehr gut. Ein passendes Gigbag oder einen Koffer kann man ja zusätzlich noch zukaufen,denn für den Preis von schlaffen 650,- € kann man nicht auch noch ein Case verlangen,dies wäre doch wohl vermessen.
Ja, wenn Geld keine Rolle spielt, dann kann man das case noch zusätzlich bezahlen. Nur gut, dass Saiten werkseitig schon aufgezogen sind. Aber das scheint bei Peperoni auch kein Problem zu sein!
650€, was soll’s.