Frischer Wind in der Shortscale-Bass-Welt

Vintage REVO Callan Bass im Test: Viva Revo!

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(Bild: Dieter Stork)

„REVO“ nennt Vintage eine neue Reihe von Gitarren und Bässen. Das steht für Retro Vintage Originals, frische Designs im Retro-Look, entwickelt in Zusammenarbeit mit Gitarrenbauer, Designer und Pickup-Guru Alan Entwistle. Der Callan Bass fällt am ehesten in die Kategorie „custom re-styled classics“ – und „über-cool“ noch dazu …

Sieht aus, als hätte man einen Gibson EB-3 gekreuzt mit … ja, womit denn eigentlich? Der Hinweis steckt schon in der Modellbezeichnung. Hier auf dem Kontinent löst der Name Callan wahrscheinlich eher Rätselraten aus, in Großbritannien ist das anders.

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EIGENWILLIG

Peter Cook war in den 60er-Jahren Musiker und Backliner bei The Who. Als solcher kümmerte er sich um die Bässe von John Entwistle, mit dem und für den er unter anderem die legendären Fenderbirds und Explorerbirds baute. Abseits der Custom-Fertigung bot er als preisgünstige Alternative zu den teuren US-Instrumenten eigene Entwürfe an, die unter dem Namen Ned Callan auf den Markt kamen. Shergold machte für ihn (wie für viele andere britische Marken) die Holzarbeiten, aber Mitte der 70er wurde Simms-Watts, der ursprüngliche Vertrieb, von Rose Morris übernommen, die Ned Callan noch kurz unter dem Dach ihrer eigenen Marke Shaftesbury weiterführten, bevor sie komplett eingestellt wurde. Peter Cook konzentrierte sich wieder auf Einzelanfertigungen und Reparaturen. Vintage als traditionsbewusstes britisches Unternehmen nimmt nun den Faden wieder auf, mit einer bunten Mischung aus Einflüssen als Hommage an die ursprünglichen und originellen Callans.

Der kleine, kompakte Korpus mit den beiden zierlichen Hörnern ist aus Mahagoni. Wer aufgrund der Größe ein geringes Gewicht vermutet, liegt falsch… Mein Testbass bringt solide 4,3 Kilo auf die Waage ‒ was sich als durchaus vorteilhaft erweisen wird. Der kurzmensurige Hals ist ebenfalls aus Mahagoni, wie es sich für ein Gibson-Derivat gehört. Jatoba, das Holz des Griffbretts, wird von Süd- bis Mittelamerika geschlagen und hat eine angenehme rotbraune Farbe. Lediglich leichte Schleifstaubspuren trüben den guten Eindruck. Dafür sind die 20 Bünde sauber eingesetzt und abgerundet, Punkteinlagen an Front und Flanke geben Orientierung in den Lagen. Die im Verhältnis zum Bass groß dimensionierte Kopfplatte ist mit offenen Wilkinson-Mechaniken bestückt, klassisch zwei links, zwei rechts angeordnet. Vor dem Graph-Tech-Sattel befindet sich der Zugang zum modernen Zwei-Wege-Stahlsteg.

(Bild: Dieter Stork)

Am anderen Ende werden die Saiten durch den Korpus geführt, ein Einfädeln durch den Steg ist nicht vorgesehen. Besagter Steg verströmt für mich deutliche Eighties-Vibes. Die Böckchen sind massiv, groß und kantig. Die Grundplatte ist im Korpus eingelassen, so dass die Madenschrauben mit Ausnahme der G-Saite nicht aus der Brücke rausgucken, und auch da tun sie das nur so eben – gut so.

Die Saitenführung in den Böckchen ist gut abgerundet, trotzdem machen die Saiten einen ziemlichen Knick. Außerdem wird die E-Saite durch die Öffnung in der Bodenplatte erst einmal nach hinten gezogen, was man durch versetzte Löcher entschärfen könnte. Während der Testphase ist mir allerdings keine Saite gerissen … Im originell geschnittenen, fünflagigen Schlagbrett sitzen die beiden Tonabnehmer, die unverkennbar an den EB-3 angelehnt sind. Auch Peter Cook stattete seine Callans gerne mit großen, handgefertigten Pickups in Halsposition aus, hier sind es Alan Entwistle Pickups (nicht verwandt oder verschwägert mit John).

MUD4 heißt der am Hals, eine Verneigung vor Gibsons Mudbuckern, gepaart mit einem MH4 Mini-Humbucker am Steg. Per Wahlschalter im Tele-Stil lassen sie sich in drei Positionen einzeln oder zusammen nutzen, dazu gibt es pro Pickup einen Volume- und einen gemeinsamen Tone-Regler. Die Klinkenbuchse sitzt in einem Buchsenblech in der Zarge, zwei konventionelle Gurtpins komplettieren die Ausstattung, von denen der vordere mittig am Hals/Korpus-Übergang eingesetzt wurde.

Feeling und Sound auf Seite 2

(Bild: Dieter Stork)

ZWEI SEELEN

Direkt aus dem Karton überzeugt mich der REVO Callan nicht nur mit seiner perfekten Lackierung in wunderschönem transparenten Rot, sondern auch mit einer wirklich guten Werkseinstellung. So zierlich der Bass wirkt, so solide ist der Hals. 43,5 mm am Sattel sind schon ordentlich, dazu ein fettes C-Profil – da hat man was in der Hand. Solide ist aber auch der trocken gespielte, mit reichlich Sustain gesegnete Ton mit den ab Werk aufgezogenen Elixir-Saiten. Die gibt es nicht für Shortscale-Bässe, dank des zusätzlichen Weges durch den Korpus und der größeren Wickelachsen der Tuner funktioniert die Longscale-Variante.

Die Balance ist im Sitzen angenehm, und auch am Gurt stellt sich kaum Kopflastigkeit ein. Hier macht sich das propere Gewicht bezahlt! Ich habe kein Problem damit, dass der rechte Unterarm auf einer nur leicht abgerundeten Kante aufliegt, aber neben dem nicht gerade schlanken Hals ist auch der ungeshapte Korpus etwas, worauf man beim Anspielen achten sollte.

So, nun aber den Amp angeschmissen! Der Stegpickup drückt direkt los, vor allem in den Mitten, aber mit ausreichend Bässen und Höhen, um alleine bestehen zu können. Das lädt direkt ein, ‚All Right Now‘ von Free anzustimmen, und dabei gleich den ungehinderten Zugang zu den hohen Lagen zu genießen (und die überall schnarrfreie Bespielbarkeit), auch der ‚Radar Love‘-Ton von Golden Earrings Rinus Gerritsen ist perfekt reproduzierbar. In Mittelstellung des Wahlschalters ändert sich der Ton nicht dramatisch, die Mitten reduzieren sich etwas und es stellt sich eine leicht hohle Note ein. Aber dann …

Das Umlegen des Schalters in die vordere Position will wohlüberlegt sein, kann doch der resultierende Ton Seismographen zum Ausschlagen bringen und kleinere Nagetiere in der Nachbarschaft zum Auswandern bewegen. Mit anderen Worten: Es wird extrem bassig – und sehr, sehr viel lauter! Zum Glück hat der von Alan Entwistle getunte Pickup ausreichend Definition, um den Sound nicht komplett formlos werden zu lassen, bei allem tiefbassigen Content bleibt die Kontur erhalten. Wieviel Höhen der Pickup noch hat, zeigt die Höhenblende, die den Ton noch dubbiger macht, bis am Ende nur noch breiiges Futter für den Subwoofer überbleibt.

Das macht absolut Laune! Nur eine gute Balance will sich nicht einstellen … Drehe ich den Volume-Regler der Modderschleuder soweit zurück, dass sie dem Stegpickup in der Lautstärke angeglichen ist, ist der Ton solo matt und wenig überzeugend. Auch die Mittelstellung gewinnt dadurch nicht wirklich. Mechanisch ist auch nichts zu machen, am Hals ist der Abnehmer so weit runtergedreht wie möglich, am Steg so hoch wie es geht, ohne die Saiten zu touchieren. Es bleibt also dabei, dass ich zwei sehr unterschiedliche, sehr gute Sounds aus dem Callan bekomme, die mit einer jeweils eigenen Einstellung, mindestens beim Gain, am Amp kombiniert werden möchten für maximalen Effekt. Für noch mehr Vintage-Vibes könnte ich mir auch Flats auf dem Callan gut vorstellen …

RESÜMEE

Inspiriert von Peter Cooks originellen Designs aus den ausgehenden Swinging Sixties bringt der Vintage REVO Callan Bass frischen Wind in die Shortscale-Bass-Welt. Optisch eine willkommene Abwechslung zu gängigen Standards, ist der Callan überraschend gut zu bespielen, was ich bei dem sehr kompakten Korpus so nicht erwartet hätte. Da macht sich das höhere Gewicht des Testbasses tatsächlich positiv bemerkbar. Am Amp wollen die beiden Pickups nicht wirklich miteinander spielen, am wohlsten fühlen sie sich alleine, mit einer individuell eingestellten Lautstärke am Verstärker. Dann machen sie aber richtig Spaß – sowohl der supertiefe, aber konkrete Bass vom MUD4, als auch die mittige, aber nicht nervende Präsenz des Stegabnehmers, der legendäre Sounds locker aus den Wicklungen schüttelt. Und nicht nur die, beide sind flexibler als man denken sollte, und klingen deutlich besser, als ich das anhand von YouTube-Videos gedacht hätte. Was wieder zeigt: Es geht nichts über das persönliche Anspielen!

PLUS

  • Optik
  • Originalität
  • Sounds (mit Einschränkungen)
  • Balance am Gurt
  • Bespielbarkeit
  • Spielgefühl
  • Werkseinstellung

MINUS

  • Abstimmung der Pickups zueinander


(erschienen in Gitarre & Bass 11/2024)

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