(Bild: Franz Holtmann)
Vom Plagiator zum Initiator: durch die seinerzeit aufsehenerregende Aufnahme der Zusammenarbeit mit George Benson gelang Ibanez der entscheidende Schritt in die erste Liga des eigenständigen Gitarrenbaus.
Ibanez ist eine Marke aus dem Hause des japanischen Instrumentenherstellers Hoshino Gakki. Saiteninstrumente fertigte Gakki zwar bereits ab 1935 unter dem Namen Ibanez Salvador, interessant für die Welt außerhalb Asiens wurde die Firma aber erst ab 1970, als unter dem Namen Ibanez vornehmlich billige Kopien amerikanischer Erfolgsmodelle auf den westlichen Markt geworfen wurden.
Wie anderen asiatischen Herstellern gelang es auch Ibanez, von der nachlassenden Qualität der US-Produkte zu profitieren und mit ganz ähnlich aussehenden Modellen zu deutlich günstigeren Preisen große Marktanteile zu erobern. Gibsons Mutterkonzern Norlin drohte bereits Mitte der 70er-Jahre mit Klage, ein markenschutzrechtliches Verfahren mit Schwerpunkt auf dem „Open Book Headstock“ als Erkennungszeichen für Gibson-Gitarren wurde 1977 eröffnet. Ibanez war also gewarnt und hatte auch schon begonnen, an eigenen Designs zu arbeiten.
1978 dann einigten sich die Parteien außergerichtlich, Ibanez verzichtete auf Gibson-Anlehnungen, verkündete auch öffentlich die grundsätzliche Einstellung der Produktion von Design-Kopien und kam mit ersten eigenständigen Modellen heraus – darunter die Artist-Serie, gefolgt u.a. von den Linien Performer und Musician. Der langjährige Verkaufsleiter Mike Shimada kommentierte seinerzeit: „Letzlich war das alles gut für uns. Mit dem Rechtsstreit gaben sie uns den Anstoß, vorwärts zu gehen und zu begreifen, dass wir unsere eigenen Produkte entwickeln müssen.“
Über die Jahre hatte Ibanez wertvolle Erfahrungen gesammelt und seine Ansprüche an die Fertigungsqualität unter Einsatz guter Materialien immer weiter verbessert, was auch Musikern nicht verborgen blieb.
STAR-ENDORSER GEORGE BENSON
Jazz-Größe George Benson etwa war damals mit seinen Gitarren nicht mehr wirklich zufrieden: „Seinerzeit spielte ich eine Guild, mehrere Gibsons und einige Epiphones. Das Problem war, dass meine Gitarren nicht für das Reisen geschaffen waren. Immer wenn ich in eine neue Stadt kam, musste ich mich nach einem Gitarrenbauer umsehen und das war ich richtig leid. Ich machte mir schon Gedanken, ob ich Kontakt zu Ibanez aufnehmen sollte, aber bevor ich selbst dazu kam, kontaktierten sie mich. Jeff Hasselberger (Anm. d. Verf.: Hasselberger war von 1973 bis 1982 maßgeblich an der Modell-Entwicklung bei Ibanez beteiligt) und ich stimmten uns in eine gute Beziehung ein. Hasselberger war gitarrenverrückt und ich mag Leute, die gitarrenverrückt sind.
Ich sagte ihm, dass das einzige Problem mit Ibanez sei, dass die Firma mehr eigene Modelle brauche. Er kam zu mir nach Hause, zog ein Blatt Papier heraus und begann aufzuzeichnen, was die George Benson GB10 werden sollte. Ich wollte eine kleinere Gitarre, die ich in der Gepäckablage im Flieger unterbringen konnte, ohne sie als Check-in-Gepäck aufgeben zu müssen. Ich hatte Ärger mit gebrochenen Kopfplatten, deshalb wollte ich eine Volute am Hals, um ihn kräftiger zu machen. Zudem wollte ich Funktionen, die mir auf der Bühne die Einstellung mit den Händen ohne Werkzeug erlaubten. Ibanez entwickelte daraufhin die justierbare Saitenaufhängung, welche eine Art Markenzeichen für die George-Benson-Gitarren geworden ist.
Zuletzt bat ich um Floating Pickups, um die akustischen Eigenschaften der Gitarre nicht negativ zu beeinflussen. Etwa ein Jahr später ging ich in Japan auf Tour. Die Leute von Hoshino trafen mich am Flughafen. Sie waren sehr aufgeregt und brachten mich sofort zum Hotel, um mir den Prototyen der GB10 zu zeigen. Die Größe war genau richtig, um sie im Flugzeug zu transportieren und – wie versprochen – schon in diesem Stadium bühnentauglich. Über die Jahre ist mir die Gitarre oft auf der Bühne hingefallen. Ich hob sie dann einfach wieder auf und brauchte nicht einmal nachzustimmen. Ich bin sehr glücklich über meine Verbindung mit Ibanez.“
George Benson war 1977 der erste Gitarrist in einer langen Reihe prominenter Musiker, die mit Jazz-Größen wie Joe Pass, John Scofield, Pat Mentheny oder Lee Ritenour ihre Fortsetzung fand. Aber wie wir ja alle wissen, bekamen nicht nur Jazzmusiker ihr eigenes Signature-Model …
Die George Benson GB10 entwickelte sich zu einem Klassiker im Ibanez-Programm und ist nun schon seit fast 45 Jahren ununterbrochen in Produktion, ohne dass nennenswerte Veränderungen an ihrem Erscheinungsbild oder ihrer Konstruktion nötig geworden wären. Immer noch wird sie mit einem kleinen Korpus aus laminiertem Ahorn (Figured Maple) mit aufgesetzter Decke aus laminierter Fichte gefertigt. Der eingeleimte, aus drei Teilen gefügte Ahornhals ist mit einem gebundenen Griffbrett aus Ebenholz ausgestattet, das 22 Medium Jumbo Frets und Custom Inlays beherbergt. Die Ebony Bridge, ein Spit Trapeze Tailpiece und vor allem kleine Custom-Floating-Pickups sind weitere Merkmale der GB10.
Die vorliegende frühe Ausführung von 1978 aus dem Besitz von Dieter Roesberg bekam ein neues Pickguard, da das alte sich durch aggressive Celluloid-Ausdünstungen zersetzt hatte. Mit ihrem angenehm rundlich, aber nicht zu dick ausgeformten Halsprofil liegt die kleine Gitarre bestens in der Hand, und der Korpusübergang am 15. Bund garantiert auch die lässige Erreichbarkeit der höheren Lagen.
Vom Klang her steht dieses Instrument in der Archtop-Tradition, tritt aber wegen des kleinen Body-Formats mit deutlich weniger Volumen und Basstiefe an, dafür aber mit zentriert warmen Mitten und toller Präsenz. Der perkussiv umrissene elektrische Ton schmeckt nach Holz, ist leicht zu erzeugen und steht weit vorn. Die Ansprache ist sehr direkt und schnell, alle Anschlagsnuancen werden präzise abgebildet und auch in Sachen Dynamik spielt die Ibanez GB10 ganz vorne mit.
Obwohl längst ein Klassiker, bewegen sich die Preise selbst für frühe Versionen der GB10 am Gebrauchtmarkt auf recht erschwinglichem Niveau, etwa zwischen 2200 und 2600 Euro und damit sogar unter dem aktuellen Neupreis.
(erschienen in Gitarre & Bass 11/2021)
schade nur, dass alle Fotos unscharf sind (mit Bildunterschrift Holtmann)