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Vintage Guitar Stories: 1967 Gretsch Country Gentleman
von Franz Holtmann, Artikel aus dem Archiv
(Bild: Franz Holtmann)
Wenn eine Gitarre als synonym mit dem Erscheinungsbild der Beatles empfunden wird, dann ist das nicht zuletzt die Gretsch Country Gentleman. George Harrison prägte mit der Double-Cutaway-Gretsch den Sound der Liverpooler.
Zu Gretsch fand George durch einen Zufall. Eigentlich hatte er im Frühsommer 1961 in Hamburg eine gebrauchte Fender Stratocaster kaufen wollen, aber der Gitarrist von Rory Storm & The Hurricanes, mit denen sich die Beatles zu der Zeit im Hamburger Top Ten Club die Bühne teilten, war ihm zuvorgekommen. Zurück in Liverpool erfuhr er, dass ein früherer Seemann der Handelsmarine seine aus New York mitgebrachte Gretsch Duo Jet verkaufen wollte. „Gott weiß, wie ich es geschafft habe, 75 Pfund aufzutreiben“, erinnert sich Harrison im Buch ‚The Beatles Anthology‘. „Es schien ein Vermögen zu sein. Ich erinnere mich noch, dass ich das Geld in meiner Innentasche hatte und dachte: hoffentlich überfällt mich niemand.“ Wie sich herausstellte, hatte er zu der Zeit nur 70 Pfund und musste einen Schuldschein für den Restbetrag hinterlassen (den er aber nie bezahlte). „Meine erste richtige amerikanische Gitarre. Wirklich gebraucht, aber ich polierte sie auf und war sehr stolz.“ Für die frühen Singles, die ‚Please Please Me‘-Sessions und unzählige Shows in Hamburg, im Cavern und in ganz Großbritannien bis zum späten Frühjahr 1963 benutzte Harrison die schwarze Duo Jet (Baujahr 1957) mit ihren ‚Humped Block‘-Einlagen, einem Bigsby-Vibrato und zwei Single-Coil DeArmond-Tonabnehmern. Dann überließ George dieses Instrument seinem Hamburger Kumpel Klaus Voormann, der es 20 Jahre lang behielt, bevor er es an Harrison zurückgab.
(Bild: Franz Holtmann)
Mit wachsender Prominenz hatten die Beatles andere Möglichkeiten und George erwarb im Mai 1963 seine erste Gretsch Country Gentleman bei Ivor Arbiters Sound City in London (gelistet seinerzeit mit 264 Pfund), später dann noch eine zweite. Nicht zuletzt wohl auch, da diese Gitarren von Chet Atkins mitentwickelt worden waren, den er verehrte. Mitte 1965 verlor George dann eine seiner geliebten Gretsches auf der Fahrt von London nach Lancashire zu einem Auftritt in der ‚Blackpool Night Out‘-Fernseh-Show. Die Gitarre war offenbar nur schlecht gesichert hinten auf den Transporter geschnallt und fiel auf die Straße. Ein nachfolgender Fahrer gab Signal anzuhalten: „Ich glaube ihr habt weiter unten auf der Straße ein Banjo verloren“. Bei dem mutmaßlichen Banjo handelte es sich um Georges geliebte Country Gentleman und die wurde von nachfolgenden Lastwagen so gründlich überrollt, dass nur noch Fetzen davon zu finden waren.
(Bild: Franz Holtmann)
GEORGE HARRISON UND DAS VERLORENE BANJO
Für Gretsch war die Zusammenarbeit mit „Mr. Guitar“ Chet Atkins ab 1954 ein großer Wurf. Mit seinem von Merle Travis beeinflussten ‚signature picking style‘ war Chet der stilprägende Musiker seiner Zeit. Bis heute berufen sich prominente Gitarristen von Earl Klugh über Doyle Dykes, Albert Lee und Tommy Emmanuel bis hin zu Brian Setzer, Eric Johnson oder auch Mark Knopfler auf den einflussreichen Mitbegründer des ‚Nashville Sound‘. Die von Chet mitgestalteten und unter seinem Namen vorgestellten Modelle, allen voran die ‚6120 Hollow Body‘, gedacht und entworfen für Country- und Jazzspieler, wurden aber auch schnell von Rockabilly-Stars wie Eddie Cochran und und Duane Eddy adoptiert und erwiesen sich als bleibende Ikonen des amerikanischen Gitarrenbaus.
(Bild: Franz Holtmann)
1957 kam das Modell Country Gentleman zunächst mit einzelnem Cutaway heraus. Chets „top-of-the-line model“ erhielt einen 17″ weiten Thinline Body in dezent braunem „mahogany grained“ Stain Finish mit zur Feedback-Reduktion nur aufgemalten f-Löchern. Das neu entwickelte Trestle Bracing, eine zusätzliche Stützkonstruktion zu den parallel gesetzten Deckenbalken, sollte ebenfalls Rückkopplungen reduzieren. Im gebundenen Griffbrett aus Ebenholz finden sich die charakteristischen, seitlich gesetzten Neo-Classic ‚thumbnail‘ Inlays. Da Chet mit den zuvor verwendeten DeArmond Pickups nicht zufrieden war, gehörten die in Kooperation mit Gretsch und Chet 1954 von Ray Butts neu entwickelten Filter’Tron Humbucking Pickups zur gewünschten Ausstattung. Ende 1959 wurde das Bigsby Vibrato Standard und ab 1962 kam die Country Gentleman in der bekannten Double-Cutaway-Version an den Markt, wie sie von George Harrison gespielt wurde. Der berühmte Protagonist machte die umgehend auch George-Harrison-Modell genannte Gitarre zum erfolgreichsten Gretsch-Produkt schlechthin.
(Bild: Franz Holtmann)
Das hier dargestelle Modell aus dem Jahr 1967 entspricht im Wesentlichen dem Harrison-Modell. Für das Griffbrett fand anstelle von Ebenholz allerdings Palisander Verwendung, was nur bei einigen Ausführungen aus 1967 der Fall war. Die bei Gretsch nicht selten auftretenden Mängel in der Verarbeitung oder am Material, wie etwa bröselige Bindings finden sich bei dieser Version nicht. Wir haben es eher mit einem ungewohnt perfekten Instrument seiner Gattung zu tun. Diese Thinline spielt sich mit ihrem mittleren C-Profil dann auch ganz ausgezeichnet – Dynamik und Attack-Verhalten sind nur zu loben. Die Elektrik hält in der Schaltung zwar zwei muffige und eher unbrauchbare Knebel-Sounds bereit, davon abgesehen setzen die Filter’Tron Pickups mit dem üblichen Höhenreichtum aber kraftvoll um, sind eine Bank für Clean-Sounds, aber auch keineswegs zu unterschätzen in Crunch-Einstellungen, wo sie mit frechem Grätz Kante geben. Stephen Stills, Keith Scott, Brian Setzer, Malcolm Young oder auch Jan Akkerman wussten sich das bekanntlich zunutze zu machen.
(Bild: Franz Holtmann)
Gretsch-Gitarren werden, mit Ausnahme der seltenen 50er-Jahre-Modelle, am Vintage-Markt längst nicht so hoch gehandelt, wie die prominenten Gibson- und Fender-Modelle. Eine Tennessean oder oder 6129 Chet Atkins aus den mittleren bis späten 60er Jahren etwa lässt sich für € 3.500 bis € 4.500 finden. Die Country Gentleman genießt wegen des Beatles-Bezugs einen gewissen Promi-Bonus, und für Versionen aus den frühen 60ern – wie George sie gespielt hat – werden inzwischen Preise von € 6.000 bis € 10.000 aufgerufen.
Wir danken Simon Gauf und Guitar Point Frankfurt für die Leihgabe.
(erschienen in Gitarre & Bass 01/2025)
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