(Bild: Franz Holtmann)
Als Äquivalent zur ES-335 brachte Gibson mit seiner Nebenlinie Epiphone 1962 das Thinline-Modell Riviera auf den Markt. Ein Design, das abgesehen von variierender Kopfplatte, Mini-Humbuckern und Frequensator-Tailpiece strukturell dem Gibson-Modell ausgesprochen ähnlich blieb.
Mit der ES-335 und ihren Schwester-Serien ES-330, ES-345 und ES-355 hatte Gibson neue Türen im Gitarren-Design der späten 50er-Jahre geöffnet. Thinlines blieben der alten Bautradition mit zwar schmalem, aber immer noch teilweise (bei der ES-330 auch komplett) hohlem Korpus mitsamt f-Löchern verhaftet, gingen jedoch einen Schritt weg von den üppigen Korpusgrößen ihrer Vorgänger und überraschten mit doppelten Cutaways und gerundeten Schultern – den „Mickey Mouse Ears“.
Nach dem Erwerb von Epiphone im Jahre 1957 durch den Konzern Chicago Musical Instruments (C.M.I.), zu dem auch Gibson gehörte, hatte Gibson-Chef Ted McCarty schnell die Idee zu einer Nebenlinie unter dem eingeführten und hoch geachteten Namen Epiphone mit analogen Produkten. Nicht zuletzt hatte er jene US-Händler im Auge, die nicht zu Gibsons exklusivem Kundenstamm zählten, aber an der verschlossenen Tür rüttelten. Sie konnte er nun endlich mit angemessenen, optisch ganz ähnlichen Produkten zufriedenstellen. Epiphone-Modelle ließen es denn auch an vergleichbarer Qualität keineswegs missen, wurden sie doch Seite an Seite zu Gibson-Gitarren vom Gibson-Personal mit Zugriff auf alle Komponenten in Kalamazoo erstellt.
(Bild: Franz Holtmann)
Ungefähr zeitgleich mit den Gibson-Thinlines wurde 1958 als Epiphone-Equivalent zum Gibson-Flaggschiff ES-355 die prachtvoll gestaltete Epiphone Sheraton vorgestellt (s. G&B-Ausgabe 10/2019). Bei den seltenen frühen Ausführungen fanden noch originale Epiphone-Parts Verwendung, und die sind nicht zuletzt wegen ihres „cool factor“ mit schmalen New-York-Pickups und weißen Epi-Knöpfen die bei Sammlern begehrtesten.
Vier Jahre später (1962) erblickte dann das Modell Riviera das Licht der Welt. Im Jahr der Einführung und auch im Jahr darauf wurden allerdings lediglich um die 40 Exemplare mit „Short Headstock“ ausgeliefert, 1964 wechselte man zu dem schmalen „elongated headstock design“.
(Bild: Franz Holtmann)
Variierende Kopfplatten und Tailpieces (Frequensator anstelle von Stop Tail; 1967 wurde alternativ das Epiphone Tremotone Vibrola Tailpiece angeboten), vor allem aber Pat.No.-Mini-Humbucker machten schon einen Unterschied im Vergleich zum Schwestermodell Gibson ES-335.
Im Wesentlichen aber war die Riviera wie ihr Gibson-Pendant mit einem Body identischer 16“-Größe aus laminiertem Ahorn inklusive Sustain Block aus Ahorn ausgestattet. Auch mit ihrem einteiligen Hals aus Mahagoni plus Griffbrett aus Rio-Palisander blieb sie eng am Gibson-Modell. Royal Tan, ein blasses Sunburst war die Standardfarbe, selten ist als Custom Color auch ein Sparkling Burgundy Finish zu finden, in der zweiten Hälfte der 60er-Jahre auch vermehrt Cherry Red. Nachdem der Norlin-Konzern Ende 1969 Gibson übernommen hatte, wurde die Produktion von Epiphones in Kalamazoo wegen zu geringer Umsatzzahlen eingestellt.
ROBBEN FORD
Robben Ford, über Jahrzehnte in erster Linie mit seiner Fender Telecaster von 1960 zu sehen, gehört zu den aktuellen Protagonisten der Riviera: „Zurzeit mag ich eher Gibsons. Ich liebe meine 1968er ES-335 und meine 66er Epiphone Riviera.“ Die Riviera besitzt er bereits seit den 80er-Jahren, hatte sie aber eher als Jazzgitarre eingestuft, mit Flatwound-Saiten bezogen und dann 25 Jahre lang vernachlässigt. Für die Aufnahmen zu seinem Album ‚Bring It Back Home‘ (2013) suchte er nach einer Gitarre mit besonders purem, resonanzstarkem Sound und entdeckte die Riviera neu für sich.
Seitdem hat sie sich zu seiner absoluten Favoritin entwickelt. 90 Prozent des Albums spielte Robben die Epi über ihren Hals-PU in seinen Dumble Overdrive Special, zugefügt lediglich ein kurzes Delay. „Die Gitarre ist ausgesprochen ausdrucksstark, nur in dieser einen Position. Leute fragten mich: welche Effekte hast du benutzt? Nun, keine! Es erstaunt mich immer wieder, dass Leute Nuancen im Sound hören, die sie für Effekt-basiert halten. Ich denke da nicht viel drüber nach, aber es ist auch für mich immer wieder überraschend, was für unterschiedliche Klang-Texturen nur durch den wechselnden Anschlag zwischen Hals- und Steg-Pickup zu erzielen sind.“
Auch andere prominente Gitarristen spielen und spielten die Epi Riviera, darunter Namen wie John Lee Hooker, Robbie Robertson, GE Smith, Noel Gallagher oder auch Peter Wolbrandt.
(Bild: Franz Holtmann)
Das hier vorgestellte Modell mit Bigsby (Special Order – Standard ab 1967 war das Tremotone-Vibrato) wurde 1966 hergestellt, verfügt also bereits über ein Grifffbrett aus Indischem Palisander und ist abgesehen von einer Neubundierung in originalem Zustand. Das angenehm rundlich, nicht zu dick geformte Halsprofil mit 40,5 mm Sattelbreite liegt bestens in der Hand. Schon mit den ersten Akkorden zeigt das Instrument seine Klasse mit großer Schwingkompetenz.
(Bild: Franz Holtmann)
Die bildstark übertragenden Pat.No.-Mini-Humbucker übersetzen das dynamische Spiel 1:1 und bieten mit perfekter Saitentrennung einen bemerkenswert plastischen Ausdruck. Eine Besonderheit ist der out-of-phase Sound in der Mittelposition, wie man ihn bei vielen Rivieras, aber auch Gibson ES-345 und ES-355 Modellen der 60er-Jahre findet. Robben Fords Kommentaren ist ansonsten nichts weiter hinzuzufügen.
STATISTIK
Insgesamt wurden 3002 Rivieras in Kalamazoo gebaut, davon 446 in der ab 1965 erhältlichen 12-String-Version. Gibson kam zwar auf deutlich höhere Absatzzahlen seiner ES-335 (Gesamtproduktion 19.222), zu bedenken bleibt aber, dass die Epi Riviera 1966 mit 395 $ im Verhältnis zur Gibson ES-335 mit 365 $ sogar teurer angeboten wurde. Das stärkste Jahr der Riviera war 1967 mit 1424 Einheiten, also mehr als 40 % der Gesamtproduktion. Im Jahr zuvor waren es 507, im letzten Jahr 1969 nur noch 205 Stück – zu wenig für Norlin um die Produktion aufrecht zu erhalten.
Auf dem Vintage-Markt ist für ein gut erhaltenes Exemplar derzeit mit Preisen zwischen 6000 und 8000 € zu rechnen.
(erschienen in Gitarre & Bass 02/2022)
Nur zur Frage… die Rahmendaten mit Centerblock und Mini-Humbuckern gleichen denen der Sheraton aus der selben Zeit, wenn ich nicht irre.
Was unterscheidet dann Sheraton und Riviera strukturell, sodass zwei Typenbezeichnungen gerechtfertigt sind?