(Bild: Franz Holtmann)
Rock’n’Roll: Gibson SG/Les Paul Juniors der frühen 60er-Jahre mit dem richtigen Halsprofil sind per se schon ausgesprochene Knaller. In Custom Colors sind sie auch noch besonders selten und von coolem Schauwert dazu.
Das Jahr 1961 brachte große Veränderungen für Gibsons Les-Paul-Modell, das zusammen mit seinem Protagonisten zu jener Zeit stark an Popularität eingebüßt hatte. Ein Rundbrief an assoziierte Händler vom 28. Juni verkündete: „The new contour body design is now a standard feature on the SG Special, the Les Paul Jr. and SG TV models.“ Die radikale Neugestaltung führte also zu dem, was wir heute als SG kennen, behielt die Bezeichnung Les Paul für die ersten paar Jahre aber noch bei, obwohl der Namensgeber überhaupt nichts mehr mit der Konstruktion zu tun hatte und sich sogar wegen der spitzen Hörner, an denen man sich doch verletzen könne, lustig machte.
Der Name Les Paul – bei Juniors/Specials war er zunächst, aber durchaus nicht immer, noch auf der Kopfplatte, bei den Standard- und Custom-Versionen alternativ auch auf dem Halsstab-Cover bzw. auf der kleinen Plastikabdeckung vor dem Hals-Pickup zu finden – verschwand erst 1963 gänzlich als Bezeichnung der längst eingeführten flachen Double-Cutaway-Modelle, die fortan schlicht SGs (Solid Guitars) hießen, alles andere blieb im Grunde aber wie zuvor.
Die frühen Junior- und Special-Modelle wurden noch mit dem alten Wraparound Bar ausgestattet, der aber schon bald dem Wraparound Stairstep Tailpiece mit nivellierten Saitenauflagen weichen musste. Standard- und Custom-SGs hatten von Anfang an die ABR-1 Bridge. Ab 1962 war die SG Junior optional auch mit Maestro Vibrato zu haben.
Ab Mitte 1965 gehörte ein Vibrato dann zur Standardausstattung und die Hälse wurden schmaler. Zur selben Zeit wechselte die Hardware von Nickel zu Chrome und 1966 umfasste ein neu gestaltetes Pickguard den P-90 Pickup, der nun auch ein Soapbar und kein Dog Ear mehr war. Die letzten Exemplare der SG Junior verließen 1971 das Werk in Kalamazoo.
GIBSONS CUSTOM COLORS
Die hier vorgestellte SG Junior ist in der bei diesem Modell ungewohnten Farbe Polaris White lackiert. Aus gegebenem Anlass hier noch einige grundsätzliche Bemerkungen zu Gibsons Custom Colors: Gibson war zwar mit seinen Modernistic Guitars Flying V und Explorer Ende der 50er-Jahre krachend gescheitert, sollte in den 60er-Jahren dann aber noch einmal einen Versuch mit einem so radikalen wie eleganten Design wagen, nicht zuletzt um dem großen Rivalen Fender Paroli zu bieten.
Man engagierte den in Detroit ansässigen Automobil-Designer Ray Dietrich, welcher mit der Firebird und dem Bass-Gegenstück Thunderbird das wohl letzte wirklich bedeutende Gibson-Design hinlegte. Als die Gibson-Modelle Firebird und Thunderbird Ende 1963 auf den Markt kamen, wurden sie zwar standardmäßig mit Sunburst-Lackierung, aber auch, und das war für Gibson geradezu sensationell neu, in zehn weiteren Farben für einen Aufpreis von 15 Dollar angeboten.
Die von DuPont speziell für Autos entwickelten Duco-Farben Golden Mist, Cardinal Red, Heather, Inverness Green, Silver Mist, Ember Red, Kerry Green, Polaris White, Frost Blue und Pelham Blue waren dann während der gesamten Herstellungszeit bis 1969 erhältlich. Obwohl für die Firebird-Serie entwickelt, konnten grundsätzlich alle Gibson-Gitarren in diesen Farben geordert werden.
Am häufigsten verwendet wurden sie bei den SG-Modellen und bei den Thinlines 335, 345 und 355, wobei der Begriff „häufig“ nicht wirklich angebracht erscheint. Gelegentlich sieht man eine dieser Farben aber auch bei anderen Modellen. Im Gegensatz zu Gitarren von Fender, mit denen auch bunte Farben offensichtlich leicht in Verbindung zu bringen waren, tat sich Traditionshersteller Gibson mit offensiver Farbgestaltung schwer.
Nach dem kühnen Aufbruch mit der Goldlackierung von 1952 beschränkten sich Gibsons Wagnisse mit Farben auf das Limed Mahogany Finish (TV Color) in 1955 bei den Modellen Les Paul Junior und Special und auf das nachfolgende Cherry Red Finish ebenfalls bei diesen Modellen ab 1958, welches dann ab 1961 auch zur Standardfarbe der neuen SG-Solidbodies und Thinline-Modelle wurde.
Apropos SG: das Spitzenmodell SG Custom kam von Anfang an in der erst später ganz allgemein als Custom Color angebotenen Farbe Polaris White auf den Markt. Ab und an lässt sich damit auch einmal eine frühe SG Junior oder Special erspähen, aber ebenso selten wie etwa eine in TV Color.
Alle neuen Custom Colors von Gibson waren jedenfalls – genau wie die von Fender – Autolacke und die gewählten Farbtöne waren sich auch noch erstaunlich ähnlich. Allen 1963 von Gibson angebotenen Custom-Farben lässt sich sogar ein grundlegendes Fender-Farbäquivalent zuordnen. Eine höchst erstaunliche Referenz also, mit der Gibson in Sachen Farbgebung vor Fender damals praktisch den Hut zog.
1965 wurde mit Sparkling Burgundy dann noch eine weitere Gibson-Farbe eingeführt, die nicht in der Firebird-Farbkarte enthalten war. Diese Farbe war Gibsons Äquivalent zu Candy Apple Red von Fender. Sie wurde sogar auf die gleiche Weise aufgetragen wie Fenders CAR (silberne Metallic-Grundierung unter durchscheinender roter Farbschicht; 1965 wechselte Fender allerdings von Silver auf Gold als Undercoat bei CAR).
Im Gegensatz zu Fender-Gitarren in Candy Apple erfahren in Sparkling Burgundy lackierte Gibsons am Vintage-Gitarrenmarkt allerdings deutlich weniger Wertschätzung. Zumindest bei Modellen, bei denen Cherry Red die Norm ist (335er-Reihe), scheint dies der Fall zu sein. Bei einer Firebird in Sparkling Burgundy wäre das vermutlich schon anders.
Ab 1967 ist Sparkling Burgundy dann auch als reguläre Lackierung und nicht mehr als Sonderfarbe für die ES-Thinline-Modelle aufgeführt. Es gibt Vermutungen, dass mit der deckenden Lackierung nicht zuletzt auch Unregelmäßigkeiten in der Holzqualität oder Nachlässigkeiten in der gegen Ende der Dekade nicht mehr ganz so präzisen Verarbeitung verdeckt werden sollten.
Unser SG-Junior-Modell aus dem zweiten Produktionsjahr 1962 ist eine absolute Rarität. Polaris White findet man, wie zuvor bereits erwähnt, zwar als Standardfarbe seit 1961 bei allen SG-Custom-Modellen. Offiziell bot Gibson aber erst mit Einführung der Firebird Ende 1963 Custom Colors an. Da die Farben Polaris White und TV Yellow aber für einige Modelle bereits Verwendung fanden, war es offenbar möglich, außerhalb der offiziellen Spezifikationen einen entsprechenden Wunsch auch für die kleinen SG-Modelle zu äußern. Ein solcher Versuch wurde aber offenbar nur selten gewagt.
Anyway – dieses flache Brett mit den spitzen Hörnern hat es jedenfalls auch ganz abgesehen von seiner Farbe durchaus in sich. Ein kraftvoll ausgelegter Hals von guter Schulterbreite vermittelt in diesem Fall eine richtig gute Festigkeit, was bei SGs wegen des lang herausragenden Halses nicht immer der Fall ist. Der hier ist stabil und spielt sich einfach wunderbar. Man kann das Klangvermögen einer Junior natürlich als einseitig empfinden, andererseits ist es gradlinig und unmittelbar zupackend.
Diese eine Stimme spricht nachdrücklich Klartext. Untenrum knackig, obenrum frei heraus, eher wohl frech. Schnell in der Ansprache, dynamisch im eng gesetzten tonalen Spektrum. Mit ihrem vital umsetzenden Dog-Ear-Pickup macht die SG Junior jedenfalls ordentlich Dampf. Kess und kraftvoll in klaren Einstellungen, röhrend angriffslustig im Overdrive – auf gewisse Art ist sie die Rock’n’Roll-Gitarre schlechthin.
STATISTIK
Mit 2395 Einheiten (2151 im Einführungsjahr 1961) erreichte die SG Jr. auch in ihrem zweiten Baujahr 1962 noch nicht einmal ganz das Niveau der Single Cut Les Paul Jr. aus deren letztem Baujahr 1960 mit immer noch 2513 Exemplaren; allerdings waren es bei der Single Cut im Jahr zuvor noch 4364 gewesen. In der begehrten Phase bis einschließlich 1965 wurden von der Junior insgesamt etwa 6100 SG/Les Pauls (’61 – ’63) und 7500 SGs (’63 – ’65) gebaut.
Am Vintage-Markt sind SG Juniors in den letzten Jahren erheblich im Preis gestiegen. Exemplare bis 1965 im gut erhaltenen Originalzustand werden schon in der Standardfarbe kaum mehr unter 5000 Euro angeboten (nicht so verwunderlich, wo doch für Custom Shop Reissues inzwischen schon 3000 Euro oder auch mehr aufgerufen werden, wenn es denn z. B. ein Modell in weiß sein soll). In seltenen Sonderfarben kommt bei den alten Originalen da naturgemäß dann immer noch eine ordentliche Schippe drauf, gelegentlich verdoppelt sich der Preis sogar.
(erschienen in Gitarre & Bass 05/2022)
Gibson Les Paul oder Gibson SG gut und schön,-aber es gibt faktisch eine noch viel seltenere Gibson E.-Gitarre,die damals zwischen 1982/83 leider nur extrem kurz auf dem Markt war: die Gibson Victory MV II ist derzeit die gesuchteste alte elektrische Gitarre,die damalig noch in der uralten Gibson Guitar Manufaktur unter der einst berüchtigten Führung des Norlin-Konzerns in Kalamazoo/U.S.A. gefertigt wurde. Heute ist es weltweit absolut unmöglich an solch eine besagte,gut erhaltene Gibson Victory in originalem Gesamtzustand heranzukommen. Die Victory ist bis dato eigentlich nur echten Insidern dieses Gibson Labels bekannt,weil sie sehr kurzlebig war, einen recht hohen Neupreis hatte,und optisch,wie auch klanglich keine typische Gibson E.-Gitarre im Sinne einer Les Paul oder SG Modelltypen war.
Somit ist und bleibt die Gibson Victory II zukünftig eine der weniger bekannten Gitarrenmodelle im Style einer Strat mit eingeleimtem Hard Rock Maple Neck und einer wunderschönen Candy Apple Red Metallic Nitrocellulose Lackierung mit stilvoll geschwungener Kopfplatte in Anlehnung einer Gibson Firebird.
Ich besitze noch eine dieser außergewöhnlichen Victory Raritäten im unverbastelten Zustand,die ich einem versierten Gitarrenhändler im Main-Taunus Kreis vor etwa 15 Jahren sehr gerne abkaufte. Ich selbst suchte damals bereits intensiv runde 7 Jahre zuvor nach dieser edlen Gibson Victory MV II,die bei dem besagten netten Händler seit einigen Jahren in einer Glasvitrine ausgestellt,als reines Schauobjekt verbrachte.
Heute wird nicht mal eine einzige Victory im globalen Internet per Sofortkauf angeboten! Vermutlich gab es von dieser damaligen Gibson Victory eine dermaßen geringe Gesamtauflage in den 1982/83er-Jahren,daß ihre Seltenheit deshalb absolut nicht verwunderlich ist.