(Bild: Franz Holtmann)
Eher begegnet man einem weißen Elefanten, als einer originalen Gretsch White Penguin. Dieses exotische Modell gehört zu den seltensten Exemplaren serieller Fertigung amerikanischer Prägung überhaupt und ist damit der feuchte Traum eines jeden passionierten Sammlers.
Mitte 1953 hatte Gretsch mit der Duo Jet eine Antwort auf Gibsons Les Paul gefunden. Sie sah zwar aus wie eine Solidbody und entsprach von der optischen Anmutung her auch der Les Paul, war aber durchaus anders gebaut. Anstelle der massiven Korpusplatte bei der Gibson, fräste Gretsch für die Duo Jet einen Mahagoniboden großzügig aus, um in den Hohlkammern die elektrischen Parts und Kabel unterzubringen.
Den Abschluss bildete eine in Form gepresste Decke aus laminiertem Ahorn, auf die dann die Tonabnehmer montiert wurden. Die von Gretsch 1953 als „massiv“ vorgestellte Gitarre war also technisch gesehen eher von semiakustischer Bauart. Dementsprechend war sie nicht nur relativ leicht, auch ihr Klang war durchaus speziell.
Ihr Look und damit auch der Platz, den sie auf dem Markt einnehmen sollte, machte die Duo Jet zur gewünscht ersten Solidbody-Gitarre von Gretsch, was auch so in der Katalogbeschreibung zu lesen war. „Mr. Guitar Man“ Duke Kramer, die gute Seele bei Gretsch über Dekaden: „Viele Leute nannten sie eine Semi-Solid, weil wir sehr viel Platz im Holz für die Elektronik ausfrästen. Aber im Grunde betrachteten wir sie als Solidbody-Gitarre.“
Das Jahr 1955 war für Gretsch ein besonders erfolgreiches Jahr, denn man hatte Chet Atkins an Bord holen können und mit dessen Modell 6120 und der White Falcon „The Cadillac of Guitars“ große Hits gelandet. Zusammen mit der Hollowbody 6120 hatte die Firma auch eine kleinere Version mit Hohlkammern, die Round-Up 6121 mit Western-Motiven eingeführt.
Bei einem Planungstreffen für 1956 präsentierte Jimmie Webster, der „Idea Man“ bei Gretsch, dem unter anderem die Farbrevolution bei Gretsch-Gitarren jenseits der konservativen Natur- und Sunburst-Finishes bis hin zur Glitzerlackierung zu verdanken ist, seine Idee für eine Solidbody-Version der White Falcon, die er gleich mit dem Namen White Penguin versah. Eingeführt wurde der „small Cadillac of Guitars“ mit all den Zierattributen und auch der elektrischen Ausstattung der White Falcon. Anfangs also mit zwei DeArmond Singlecoil-Pickups, ab 1958 dann mit hauseigenen doppelspuligen FilterTron-Pickups.
THE SMALL CADILLAC OF GUITARS
Die Gretsch White Penguin-Modelle aus den 50er- und 60er-Jahren zählen zweifellos zu den begehrtesten Vintage-Gitarren überhaupt. Über ihre Produk – tionszahlen gibt es allerdings keine verlässlichen Angaben. Die geschätzte Gesamtproduktion nach ‚Gruhn’s Guide to Vintage Guitars‘ geht von weniger als 100‚ ‚Ball’s Manual Of Gretsch Guitars‘, sogar von weniger als 50 Instrumen – ten aus. Andere Quellen behaupten, es gäbe nur etwa 15 originale 50er-Jahre Single-Cutaway-Gretsch-White-Penguins. Extrem selten und entsprechend begehrt sind sie natürlich ohne jeden Zweifel.
Bei dem hier gezeigten Modell handelt es sich offenbar um den etwas geheimnisvollen Umbau einer Duo Jet aus den 1950er-Jahren zu einer White Penguin, was an den Block-Inlays (anstelle von Hump-Inlays) im Griffbrett aus Rio-Palisander, dem fehlenden Glitzer-Binding am Boden und den unter dem Lack durchscheinenden Bohrlöchern früherer Mechaniken einer offenbar schmaleren Kopfplatte erkennbar ist. Das Inlay Pattern dieses Griffbretts war allerdings nur bei 1955er Duo Jets zu sehen und bei einigen Round Ups aus 1956, da dann aber motivisch verziert.
Die Alterung des Nitrolacks suggeriert, dass es sich um eine Arbeit handelt, die Jahrzehnte zurückliegen muss. Vor allem aber hat die Gitarre ein authentisches Gretsch-Etikett aus den 50er-Jahren mit der White-PenguinModellnummer 6134 und der alten New Yorker Broadway-Adresse im E-Fach, was die Vermutung nahelegt, dass es sich hier um einen Fabrikumbau aus der Zeit handelt. Auch die Qualität der Gold Sparkle Bindings und die allgemeine Verarbeitung scheinen in diese Richtung zu weisen.
Bei den Tonabnehmern handelt es sich um authentisch originale DeArmond Dynasonics, die Potis wurden jedoch in einem späteren Stadium erneuert und der Master-Knopf mit der kleinen roten Farbmarkierung ist eben – falls neueren Ursprungs. Anstelle der originalen Melita Bridge wurde für die spieltechnische Verlässlichkeit eine moderne Embie-MaticBridge installiert, neuere Grover-Imperial-Mechaniken sind anstelle der originalen Parts für eine funktionelle Optimierung montiert. Die alte Melita Bridge und die verschlissenen originalen Imperial Mechaniken sind allerdings noch vorhanden und im Originalkoffer der Gitarre beigelegt.
Ganz erstaunlich ist nun, in welch guter Spielbereitschaft die alte Gitarre sich präsentiert. Sie wurde in Perfektion mit angemessen schlanken Bünden neu bundiert und spielt sich mit ihrem gut geformten Hals einfach großartig. Vom Klangangebot her kann sie ebenfalls voll überzeugen. Die Pickups klingen in dieser Gitarre ganz hervorragend, hervorzuheben besonders der Dynasonic am Steg als definitiver ‚King of Twang‘.
Es handelt sich fraglos um ein höchst interessantes Instrument, dessen Erstellung zwar einige Fragen aufwirft, das aber auf keinen Fall mit modernen Neuauflagen zu vergleichen ist. Ein Exemplar wie dieses, mit offenbar grundsätzlich originären Aspekten und zeitgerechter Herkunft kommt den Originalen so nah wie nur möglich.
Wie so eine Conversion vom Wert her einzuschätzen ist, bleibt aber wohl Spekulation. Reissues aus dem Gretsch Custom Shop liegen derzeit nun auch schon bei etwa € 6000. David Gilmours White Penguin wurde übrigens 2019 für sagenhafte $ 447.000 bei Christie’s in New York versteigert. Gut, da spielte natürlich der Promi-Aspekt die erste Geige. Am Markt wurde in den letzten Jahren aber auch nur ein einziges lupenreines Modell für schlappe $ 180.000 angeboten.
(erschienen in Gitarre & Bass 09/2023)
180.000 $ ist ja deutlich geringer als 447.000 $,ach was für ein „Schnäppchen“.
Habt ihr eigentlich evtl. auch einmal Berichte über Gitarren,die sich ein „normaler“ Gitarrist/Sammler heute noch leisten kann?
„The small Cadillac of Guitars“ sind für mich garantiert keine ultra seltenen Gitarren zu horrenden Sammlerpreisen,die sich in Wahrheit kaum jemand kaufen kann!
Nostalgie und Vintage Hype scheint ja durchaus gut und schönzu sein,aber bringt doch bitte zukünftig lieber Stories über heute noch bezahlbare ältere Gitarren,die genau so interessant sind.
Vielen Dank!
Ich fand’s interessant.Wenn Sie’s nicht interessiert, lesens doch nicht.
Anzumerken: Die 447000,- hat David Gilmour meines Wissens einer Klimaschutzorganisation gespendet, glaube Client Earth.
Nachtrag: DG’s schwarze Strat erzielte, glaube ich, so an die 2 Mio.
Hi,
Also ich fand den Artikel durchaus lesenswert. Der Vintage-Markt ist für viele Leute, die die Qualität der alten Gitarren verstanden haben, super interessant. Natürlich gibt es heute aus den diversen Custom Shops auch tolle neue Instrumente, keine Frage. Ich persönlich interessiere mich aber fast ausschließlich für Vintage Gitarren. Und so geht es vielen. Die Preise haben ziemlich angezogen, was auch dem Interesse an diesen Instrumenten geschuldet ist. Aber es wird immer noch sehr viel gekauft. Vintage-Gitarren verkaufen sich gefühlt viel schneller als der neue Kram.
Und Promi-Instrumente sind sicher eine Ausnahme. Solange es Leute gibt, die sowas wollen und ausreichend Geld besitzen sollte man nicht nur von sich selbst ausgehen.
LG
Hallo Realist und alle anderen, die sich schnell erregen und öffentlich meckern, für mich und sicher auch für andere ist der Artikel interessant, auch wenn ich mir so eine Gitarre nicht leisten kann. Das Gitarre & Bass Magazin deckt ein breites Interessenfeld ab und versucht Anfängern, wie Profis gerecht zu werden. Es finden sich dort auch viele Artikel über “bezahlbare” Gitarren.
In unserer Gesellschaft ist es mittlerweile üblich, sich öffentlich zu echauffieren. Da waren wir Musiker und Musikliebende schon mal weiter. Einer von uns hat mal gesagt: “Don’t hate what you don’t understand.”
Auf jeden Fall ein interessanter Artikel – hätte mich noch interessiert, wie die
“Semi-Hallow” – Ausfräsungen aussahen – da gibt’s ja etliche Abbildungen
im Netz von anderen Gitarren, die so gebaut sind – (z.B. Fender “Thinlines) die waren aber wohl alle von ihren Ausfräsungen her nicht klang- und schwingungs-technisch berechnet. Schade eigentlich, das konnten Gitarren-Instrumenten-Bauer bei Semi-Akustik-Gitarren schon lange vorher………
Ganz andere und neue Wege ging da Yamaha mit ihrer “Rev-Star” Gitarren – Serie – – – hier wurden die geschlossenen Sound-Kammern von Ingeneuren tonentfaltungs-mäßig genau berechnet – finde ich von allen innen hohlen Gitarren mit Abstand am interessantesten – rein logisch
müßte eine solche Gitarre schwingungsmässig physikalisch besser klingen,
als die selbe Gitarre in Massiv. Daher kommt mir auch eine solche Gitarre früher oder später ins Haus………..
Noch ein Wort zu den sogenannten “horrenden” Sammler-Preisen:
Es gibt heutezutage so viele gute neue Gitarren, die teilweise besser klingen, als so manche alte – gerade auch im günstigeren Preis-Sektor – ich habe schon viele alte überteuerte “Traum-Gitarren” in der Hand gehabt, die so was von grotten-schlecht geklungen haben……..
Da schließe ich mich dem Jimmy Vaughn – Zitat an : “There have allways
been good and bad ones.” –
Glück auf & long live Rock’n Roll – Philipp Schmitz