1951 stellte Fender den Precision Bass einer kopfschüttelnden Öffentlichkeit vor und revolutionierte damit die Geschichte des elektrischen Instrumentenbaus vielleicht nachdrücklicher als das durch die kurz zuvor eingeführte Telecaster möglich war. Nicht nur eröffnete der Precision Bass überhaupt erst den Markt für elektrische Bassgitarren, er dominierte ihn auch über Jahrzehnte hinweg. In seiner ersten Version bis 1957 hergestellt, erfuhr er dann nur noch einmal eine essenzielle Aktualisierung, die seine Erscheinungsform seit nun schon mehr als 60 Jahren definierte.
Mit dem Fender Precision betrat keineswegs der erste elektrifizierte Bass die Bühne der Musikgeschichte. Schon in den 20er-Jahren hatte Gibsons weitsichtiger Entwicklungsingenieur Lloyd Loar den Prototypen eines elektrischen Basses entworfen, auch Rickenbacker experimentierte in den 30er-Jahren bereits mit einem eigenen Modell mit magnetischem Horseshoe-Pickup und der erste kommerziell vermarktete und aus der Zusammenführung von Kontrabass und E-Gitarre heraus entworfene 4-saitige E-Bass überhaupt wurde auch schon im Jahr 1935 vom amerikanischen Erfinder Paul Tutmarc für seine Firma Audiovox Manufacturing Co. entwickelt. Das Solidbody- Instrument trug den Namen Audiovox Model 736 Electronic Bass Fiddle. Es war auch schon mit Bünden ausgestattet und für den horizontalen Gebrauch eingerichtet, Erfolg am Markt oder auch nur eine nennenswerte Beachtung blieb ihm aber verwehrt.
Alles anders, alles neu
Das änderte sich erst grundlegend mit der Einführung des ersten Fender Precision Bass im Jahr 1951, auch wenn der ebenfalls keinen leichten Start hatte. Obwohl mit den vier Saiten und der Stimmung eines gewohnten Bass-Instruments ausgestattet, markierte er doch die entscheidende Wende hin zu einer völlig neuen Ausrichtung der Tieftonproduktion. Die Erfindung des Precision Bass‘ wurde schon wegen der deutlich besseren Transportbedingungen sicherlich auch von einigen Kontrabassisten dankbar begrüßt, die meisten fanden ihn zunächst aber einfach nur lächerlich.
In vieler Hinsicht war er ja auch mehr mit der Gitarre verwandt und Anleihen beim anfangs ebenfalls als „Besenstiel“ verlachten Telecaster-Modell sind unverkennbar: blassblond lackiertes Korpusbrett mit aufgeschraubtem 20-Bund-Hals, Telestyle Kopfplatte, schwarzes Pickguard, Regler auf Metallplatte und das alles in typisch simpler Fender-Bauweise Part für Part zusammengesetzt. Mit seiner relativ kurzen 34 Zoll/86,4 cm-Mensur, (im Gegensatz zu 42 Zoll/106,7 cm des Standard- Kontrabass‘), mit bundiertem Hals und mit flachem Massivholzkorpus, nicht zuletzt auch mit dem neuen, am Gurt zu tragenden Double Cutaway Design, verlangte er nach einer völlig neuen Handhabung und Spielweise, die tatsächlich der einer Gitarre glich. Natürlich machte er es damit auch Gitarristen leichter, das Instrument zu wechseln. Für manch einen Musiker war das damals ein willkommenes Zubrot. Dementsprechend oft wurde der Preci dann auch mit dem Plektrum gespielt und Generationen von Bassisten waren in der Folge schlicht Umsteiger aus dem Gitarrenfach.
Tausendsassa
Klanglich tat sich ebenfalls eine neue Welt auf, denn dieses neue Instrument konnte nicht nur so laut sein wie man es brauchte, es vermittelte auch einen druckvollen runden Sound, der sich zusammen mit E-Gitarren zu einem neuen Standard in der Klangprägung der immer mehr aufkommenden klein besetzten Bands entwickelte.
Der Begriff Rhythm Section bekam damit eine neue Bedeutung. Niemand konnte damals jedoch auch nur ahnen, wie flexibel der Precision sich an so gut wie jede Entwicklung anpassen ließ. Vom Rock’n’Roll führte ihn sein Weg über den Blues und Soul zum Beat und letzlich bis hin zu allen Spielarten des Rock, vor allem in dessen kraftvoll klassischen Auslegungen, aus denen er auch heute einfach gar nicht wegzudenken ist. Quincy Jones: „Without the Fender Bass, there’d be no Rock’n’Roll or no Motown. The electric guitar had been waiting ’round since 1939 for a nice partner to come along. It became an electric rhythm section, and that changed everything.“ Wohl ging es rauf und runter in seiner Karriere und öffentlichen Präsenz, aber Moden hin oder her, er war immer da, ein Backup, auf das man sich verlassen konnte. Als repräsentativ kann dafür wohl eine Geschichte aus dem Aufnahmestudio gelten, wo ein Bassist mit dem neuesten Equipment antrat, 5- Saiter mit allen Tricks, facettenreiche Tonformung, höchst variable Schaltmöglichkeiten – dem aktuell ganz heißen Scheiß eben. Produzent: „Mann, du machst mit dem Teil ja wirklich einen Super-Sound, der schiebt ja ohne Ende. Aber sag mal: Hast du auch einen Fender-Bass dabei?“ Tja, wenn die Prägung erst einmal tief genug sitzt, gibt’s kein Entkommen mehr …
Up to Date
Anders als der Fender-Dauerbrenner Telecaster erfuhr der Precison Bass dann Mitte 1957 noch einmal eine grundlegende Überarbeitung mit einer größeren Kopfplatte, dem Split-Coil-Pickup und einem neu gestalteten „anodized aluminium Pickguard“, das dann Ende 1959 durch eines aus Plastik ersetzt wurde. Mitte 1958 wurde noch ein 3-Tone-Sunburst eingeführt und abgesehen vom Wechsel zum Palisandergriffbrett Mitte 1959 war damit die finale Erscheinungsform und Ausstattung des Precision Bass‘ prinzipiell gesetzt.
Bis zur Einführung des Jazz Bass 1961 war der P-Bass sowieso auch das einzige Bass-Modell im Fender Katalog. Er dominierte die Szene fast 30 Jahre lang, auf Platten-Covern der 50er und 60er-Jahre war der Fender Bass das gängige Synonym für E-Bass schlechthin, bis etwa gegen Ende der 70er-Jahre, nicht zuletzt eines gewissen Jaco Pastorius wegen, der Jazz Bass mit seinem schärferen Attack-Verhalten und der zwei individuell zu regelnden Pickups dem Precision ernsthaft Konkurrenz zu machen begann.
Davon abgesehen ist er aber in der Szene immer noch höchst präsent, von Ermüdungserscheinung trotz des hohen Alters absolut keine Spur. Protagonisten des Precision Bass zu nennen, ist natürlich wie Eulen nach Athen tragen, dennoch hier einige prominente Vertreter, nur um die Bandbreite seiner Einsatzbereiche darzustellen: Bill Black (Elvis’ Bass Player), James Jamerson (nannte seinen 62er Precision “Funk Machine”), Donald “Duck” Dunn (Hausbassist bei Stax Records/Otis Redding, Sam & Dave etc.), Chuck Rainy (Donald Byrd, Quincy Jones, Aretha Franklin, Frankie Valli u. v. m.), Tommy Shannon (SRV), Roger Waters (Pink Floyd), Sid Vicious (Sex Pistols), Geezer Butler (Black Sabbath), Steve Harris (Iron Maiden), Glenn Hughes (Deep Purple, Black Country Communion u. a.), Pino Palladino (Paul Young, D’Angelo, The Who, John Mayer) u.v.a.m.
Das Original
Das vorliegende Instrument gehört zu den ganz frühen Exemplaren nach der Revision von 1957, als der Bass seine bis heute gültige Form und Auslegung bekam. Der Oldenburger Bassist und Vintage-Händler Jörn Eisenhauer besitzt dieses charaktervolle Exemplar und erzählte uns seine besondere Geschichte: „Ich suchte, wie so viele Gitarristen und Bassisten, seit Jahren, wenn nicht seit Jahrzehnten einen Bass aus meinem Baujahr (1957), war aber auch nicht bereit, dafür Unsummen auszugeben.
Obwohl ich sehr selten mal bei eBay kaufe, fand ich diesen 1957er Precision Bass dort um Weihnachten rum, ich glaube es war 2012, im Angebot zu einem erstaunlich günstigen Preis, dachte zunächst an ein Fake-Angebot und nahm mit dem Verkäufer in Kopenhagen Kontakt auf. Er konnte mir dann aber eine Menge zu dem Bass erzählen und nannte mir einige in der Vintage-Szene bekannte Namen von Händlern und Sammlern, die ich gerne nach seiner Reputation fragen könne. Kurz und gut: Wir einigten uns auf einen sehr akzeptablen Preis und der Bass entsprach ganz und gar meinen Erwartungen und kam mit einem Brief des langjährigen Vorbesitzers aus den USA. Der spielte seit 1969 in der amerikanischen Rock’n’Roll-Band ‚Flash Cadillac & The Continental Kids‘, die zumindest noch bis 2015 aktiv war. Sie hatten u. a. Gastauftritte in den Filmen ‚American Graffity‘, wo der Bass auch in einigen Szenen zu sehen ist und in ‚Apokalypse Now‘.“ Dank an Jörn Eisenhauer von Vintage Guitar Oldenburg!
(erschienen in Gitarre & Bass 06/2018)