Drei Pickups, drei Schalter, drei Regler – und ein guter Plan!

Very British: Rapier 33 im Test

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(Bild: Dieter Stork)

Wie schön, wenn auch weit vertretene Klischees ab und zu von der Wahrheit verifiziert werden – so wie bei dieser Rapier 33. Denn die kommt eben genauso typisch britisch daher wie eine Norton Commando, ein alter Mini oder Mr. Bean.

Bei der Rapier 33, vom englischen Gitarrendesigner Alan Entwistle auf den Markt gebracht, handelt es sich um ein Remake der Watkins Rapier 33 von Anfang der Sechzigerjahre. Also die Zeit, in der England wegen eines Embargos keine amerikanischen Handelswaren importieren konnte und englische Gitarrenfirmen aus der Not eine Tugend machten, indem sie ihre Sicht der E-Gitarre in eigenen Modellen ausdrückten.

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Burns, Vox und Watkins waren die wichtigsten ihrer Zunft – und letztgenannte Firma, deren Kernschwerpunkt eigentlich Audio- und Gitarrenverstärkung unter dem Label WEM war, brachte Anfang der Sechziger die Rapier 33 auf den Markt, flankiert von ihren genauso britisch-hübschen Schwestern Rapier 22 (mit zwei Pickups) und Rapier 44 (mit nicht weniger als vier Tonabnehmern).

Die Geschichte sagt, dass Alan Entwistle eine alte Watkins Rapier 33 in die Hände fiel und er von ihr so angetan war, dass er beschloss, eine neue und zeitgemäße Version dieses britischen Klassikers herzustellen bzw. herstellen zu lassen – in China, um einen Low-Budget-Preis umsetzen zu können. Gesagt, getan – hier ist sie, die Rapier 33, nun ohne Watkins davor, aber mit viel Watkins und viel Entwistle drin!

DREI PICKUPS …

Auf den ersten Blick wirkt die Rapier 33 wie eine der typischen Kaufhausgitarren dieser alten Zeit – Hertie, Quelle, Otto und andere boten ähnlich aussehende Gitarren bei uns an, in England gab es andere Versandhäuser, die neben Waschmaschinen und Textilien eben auch Musikinstrumente führten. Ja, auch das ist Vintage! Ob speziell die Watkins Rapier 33 damals in solchen Versandhäusern angeboten wurde, könnte ich nicht verifizieren, aber vom Look und vom Charme her erscheint dies durchaus möglich zu sein. Eben immer knapp vorbei am großen, teuren und ach so weit entfernten amerikanischen Ideal, der Fender Stratocaster – aber auch immer mit deutlichen Merkmalen der eigenen, britischen Herkunft. Entwistle hat den Charakter, den Watkins der Rapier 33 damals verpasst hatte, praktisch 1:1 in seinen wichtigsten Elementen in die Jetztzeit transferiert.

Entwistle-EWR64-Silverfoil-Mini-Humbucker (Bild: Dieter Stork)

So z. B. die schräge Montage des Mittel-Pickups, aber auch die strichgerade Oberkante des Pickguards, die optisch gegen die geschwungene Body-Kante stößt. Der Clash von geraden und geschwungenen Linien bewirkt eben die Brüche, die das Auge anhalten lassen und die sich ins Bewusstsein prägen. Aus Designer-Sicht sind das durchaus mutige Entscheidungen gewesen, die natürlich – damals wie heute – polarisieren.

Das Griffbrett beginnt gleich nach dem Sattel mit einem Nullbund, ein europäisches Designmerkmal, das in den 1960erJahren sehr oft aufgetaucht war. Durch den Nullbund ist das Erreichen einer guten Saitenlage auch in den ersten Bünden nicht mehr von einer fachgerechten (und damit zeitaufwendigen) Kerbung des Sattels abhängig. Der dient nur noch als Saitenführung, und Entwistle vertraut hier einem GraphTech-Nubone Sattel, der von alleine eine schmierende Funktion gewährleistet. Nachteil eines Nullbundes kann sein, dass selbiger schneller verschleißt, als einem lieb ist, denn er bekommt alle Saitenbewegungen wie z. B. Bendings und Vibratos in vollen Zügen ab.

Rapier-HiLo-Vibratosystem (Bild: Dieter Stork)

Apropos Vibrato: Das auf der Rapier 33 verwendete HiLo-System entspricht im Prinzip dem alten System aus den Sechzigerjahren. Die Saitenhalterung ist per Messerkante gelagert und wird durch maximal fünf knapp 2,5 cm lange Federn in Balance gehalten. Im Auslieferungszustand sind drei Federn installiert, zwei liegen der Gitarre bei. Mit drei Federn wird ein super-sympathisches Tremolieren erreicht, sowohl nach oben wie nach unten, und erinnert in seiner Performance an ein gut eingestelltes, butterweich funktionierendes Fender Floating Tremolo à la Jazzmaster oder Mustang. Ähnlich wie diese produziert das HiLo-System eher ein charmantes Schimmern und Wobbeln als ein martialisch tief tauchendes Versenken des Tons, und das bei erfreulich guter Stimmstabilität, auch dank der verwendeten Rollen-Bridge, die auf fetten 8-mm-Bolzen steht.

Maximal fünf Federn sorgen für Spannung

Will man die Wirkungsweise des Systems verändern, muss in der Anzahl der Federn variiert werden – eine etwas umständliche Angelegenheit. Da müssen nicht nur die Saiten komplett gelöst werden, sondern auch das System abgeschraubt werden. Aber gut, sowas macht man ja nicht alle Tage, könnte aber dann sinnvoll sein, wenn auf eine dickere Saitenstärke gewechselt wird. Ähnlich wie bei einer Fender Jazzmaster oder Mustang legen die Saiten von ihrer Verankerung bis hin zur Brücke eine „long travel“ zurück. Diese gut 7,5 cm Zentimeter Luftreise beeinflussen durchaus das Schwingungsverhalten und damit auch den Klang der Gitarre: Ein geschmeidigerer Attack, ein Hauch mehr Transparenz und ein eher singender Klangcharakter sind Auswirkungen solch einer „long travel”.

Pickups & Schalter auf Seite 2

Rapier 33 Control Functions: Drei Pickups, drei Schalter, drei Regler – und ein guter Plan!

… DREI SCHALTER …

Schauen wir uns die Pickups und ihre Verwaltung etwas näher an – ein Blick, der sich lohnt! Entwistle hat für seine Rapier 33 eine Art Firebird-Pickup entwickelt. Unter den schicken Silverfoil-Kappen befindet sich eine Konstruktion mit Klingenmagneten, die zum einen Brummfreiheit, zum anderen aber auch einen Singlecoil-ähnlichen Sound garantiert. Und diese Pickups machen nicht nur einen wirklich hervorragenden Eindruck, sondern werden optimal von der Schaltung in Szene gesetzt. Und ja – diese Schaltung kommt auf den ersten Blick schon etwas verschroben daher – eben typisch britisch – und erschließt sich dem Betrachter nicht auf Anhieb. Gut, dass der Vertrieb der Gitarre einen Handzettel beigelegt hat, der sie im Detail erklärt.

Im Prinzip wird die Tonabnahme von zwei Systemen geleistet, die nur in bestimmten Situationen zusammenarbeiten. Das eine System ist das Duo aus Hals- und Steg-Pickup mit einem Lautstärke-Regler (vorderes Poti) und dem Toggle-Schalter, der die beiden Pickups wie üblich jeweils solo oder aber in seiner Mittelstellung zusammen erklingen lässt. Ein Schiebeschalter aktiviert zudem einen Bass-Cut – aber nur für diese beiden Pickups.

Das zweite System ist dem Mittel-Pickup gewidmet, samt Extrawurst: Durch einen weiteren Schiebeschalter wird er aktiviert, und in Form des mittleren Potis besitzt er sogar einen eigenen Lautstärkeregler. Bleibt noch das hintere Poti, das paritätisch für beide Systeme als Master-Tone-Regler fungiert. So unübersichtlich diese Schaltung vielleicht auf den ersten Blick erscheint, so logisch und so sinnvoll wird sie, wenn man sich etwas länger damit auseinandersetzt. Ich würde sogar so weit gehen und behaupten, dass diese Schaltung einen wirklichen Mehrwert für diese Gitarre darstellt.

… DREI REGLER …

Grundsätzlich klingen alle drei Pickups wie richtig fette Singlecoils, sie kommen nicht so schlank daher wie z. B. Vintage-Strat-Pickups, stehen dafür aber sehr strahlend und brillierend im Vordergrund. Würde man einen typischen Strat- mit einem klassischen Firebird-Sound kreuzen, könnte genau das dabei herauskommen, was Alan Entwistle mit diesen Pickups im Sinn hat. Dank ihrer guten Abstimmung sind alle Sounds sinnvoll und sehr gut zu nutzen – der Hals-Pickup eine Handvoll voller und runder, der Steg-Pickup dafür kantiger und knochiger. Beide Pickups zusammen ergeben dann tatsächlich best of both worlds.

Der Kollege Mittel-Pickup spielt natürlich in seiner eigenen Welt. Zunächst erscheint er wie der typische Ergänzungsspieler, aber dank der ungewöhnlichen Schaltung wird ihm nicht nur ein Solo-Auftritt ermöglicht, sondern auch das Ausspielen absoluter Gamechanger-Qualitäten. Aber wie das?

Dreht man beispielsweise das Volume-Poti des Hals- und Steg-Pickup-Duos auf Null und aktiviert den Mittel-Pickup, steht er ganz alleine im Wind – und auch er macht seine Sache richtig gut. Klanglich mit etwas mehr Fülle als der Steg- und etwas mehr Biss als der Hals-Pickup gesegnet, ist er der ideale Vermittler zwischen diesen Extremen und kann auch ohne weiteres für sich allein stehen. Natürlich lässt sich der Mittel-Pickup auch mit seinen beiden Brüdern kombinieren – damit sind nicht nur die beiden typischen, leicht hohlen Zwischenpositions-Sounds gemeint, sondern auch die, in der alle drei Pickups parallel nebeneinander ertönen. Kann man auch mal machen.

Und was war das jetzt mit dem Gamechanger-Effekt? Hier kommt der Bass-Cut-Schiebeschalter ins Spiel. Wir erinnern uns: Der arbeitet nur für Hals- und Steg-Pickup. Ist er aktiviert, steht er für einen schneidenden, merklich dünneren Sound, der sich überall hindurchschweißt und in unsere Gehörgänge frisst. Mit der entsprechenden Effekt- und Amp-Einstellung entsteht unweigerlich eine authentische Reminiszenz an uralte Surf- und Rock’n’Roll-Sounds à la The Ventures u. a. Ein großartiger Sound, der viel Spaß machen, einem aber auch mal auf den Senkel gehen kann, weil eben dank Bass-Cut das Pfund beschnitten und für eine klangliche Ausgewogenheit etwas der Druck fehlt. Das haben solche spindeldürren Surf-Sounds so an sich.

Und genau an dieser Stelle kommt der Mittel-Pickup nun ins Spiel. Denn er lässt er sich mittels seines eigenen Volume-Reglers soweit ins Klangbild hinein befördern, dass auf der einen Seite das Schneidende, Surfige erhalten bleibt, aber jetzt mit einem nach eigenem Gusto passenden Bass-Anteil versehen ist, der diesen Sound vollwertiger nutzbar werden lässt. Denn der Bass-Cut wirkt ja nicht auf den Mittel-Pickup. Cool, oder?

Resümee auf Seite 3

Nullbund und Wilkinson E-Z-Tuner (Bild: Dieter Stork)

… UND EIN GUTER PLAN.

Drei Pickups, drei Schalter, drei Regler und ein guter Plan ergeben eine Vielzahl an Sounds, insgesamt sieben an der Zahl. Plus die geniale Bass-Cut Funktion! Und wenn man die Schaltung soweit verinnerlicht hat, dass man intuitiv und spontan auf musikalische Situationen entsprechend reagieren kann, dann geht die Sonne so richtig auf.

Wer dennoch einem Mittel-Pickup nichts abgewinnen kann, der könnte sich an der gerade neu vorgestellten Rapier 22 erfreuen, die nur zwei Pickups trägt.

„Sowohl die Volume- als auch der Tone-Regler sind 500k-Typen,“ sagt Alan Entwistle. „Und mit Blick auf Jazz- und Blues-Spieler ist der Tone-Regler mit einem 0,015-uF-Kondensator gekoppelt, durch den der Ton beim Zurückregeln klar bleibt, aber im Zerrbetrieb jene satte Reaktion liefert, die an große Humbucker erinnert.“ Und ja, da verspricht der englische Gitarrendesigner nicht zu viel – sowohl die Volume- als auch der Ton-Regler lassen sich sehr musikalisch in das Geschehen einbinden. Diese Regler haben übrigens interessante, hutförmige Potiknöpfe, die dank zweier Gummiringe schön griffig sind – was gut und sinnvoll ist, denn die Potis drehen sich ziemlich satt.

RESÜMEE

Die Rapier 33 ist eine charakterstarke Replik der Watkins Rapier 33 aus den 1960er-Jahren, mit der ganze Heerscharen junger Britinnen und Briten ihre ersten Schritte auf einer E-Gitarre gelernt haben. Alan Entwistle hat dieses alte Konzept glaubwürdig neu interpretiert und da, wo es vor allem um Handling und Funktionalität geht, die Maßstäbe von heute angelegt.

Herausgekommen ist ein originelles, aber auch ein von Kopf bis Fuß durchdachtes und professionell einsetzbares Instrument mit guter Hardware inkl. eines eigenständigen, smooth operierenden Vibratosystems, sehr guten Entwistle-Pickups und einer Schaltung, die das Optimum aus dieser Drei-Pickup-Konfiguration herausholt.

Wem die reinen Performance-Werte nicht genug sind, wer ein Faible für individuelle Instrumente hat und sich von dem besonderen Charme non-mainstreamiger Gitarren besonders angezogen fühlt, der liegt bei der Rapier 33 aber sowas von richtig!

PLUS

  • Charakter
  • Sounds
  • Pickups
  • Schaltung
  • Spielbarkeit
  • Vibratosystem
  • Verarbeitung


(erschienen in Gitarre & Bass 11/2022)

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Hääääääää?

    “Nachteil eines Nullbundes kann sein, dass selbiger schneller verschleißt, als einem lieb ist, denn er bekommt alle Saitenbewegungen wie z. B. Bendings und Vibratos in vollen Zügen ab.”

    – Wie soll dass denn ein Nachteil sein, wenn doch der Nullbund aus Metall ist und ein üblicher Sattel aus Knochen oder Kunststoff (also eindeutig weniger harten Materialien als ein Metallbund)?

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    1. Weil beim Sattel, bedingt durch die Kerben, keine Seitenbewegungen auftauchen. So wahrscheinlich der Gedanke. Allerdings habe ich noch nie einen abgenudelten Nullbund gesehen.

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      1. Hi Richard,

        ich leider schon, v.a. bei 60ies Höfners waren teilweise krasse Kerben/Riefen zu sehen. Andererseits: Wenn der Nullbund “durch” ist, wäre ggf. ein kompletter Check der Fundierung angesagt (immerhin wird ja über den Nullbund nicht gebendet).

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    2. Im Sattel bewegen sich die Saiten aber nicht, sondern liegen in ihren Kerben.

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  2. Die Tonabnehmerschaltung mit Middle-Pickup separat gibt es auch bei den Brent Mason Telecaster-Modellen von Valley Arts und Fender und ähnlich bei den Nashville Telecastern mit zuschaltbarem mittleren Tonabnehmer.

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  3. bei einer gegriffenen Saite bewegt sich am Nullbund eh nix-.

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  4. Ich lese immer wieder mal von einem Embargo seitens der USA, das auch England betraf. Siehe in diesem Artikel:
    “Anfang der Sechzigerjahre. Also die Zeit, in der England wegen eines Embargos keine amerikanischen Handelswaren importieren konnte”.
    Ich habe gegoogelt was es damit auf sich hatte, fand aber nichts.
    Kann mir jemand erklären was das für ein Embargo war, warum konnte England keine amerikanischen Gitarren importieren konnte?
    Warum dieses Embargo?

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    1. Soweit ich weiß, hatte das tatsächlich noch mit dem 2. Weltkrieg zu tun:
      Die Briten bekamen von den USA Kriegsgerät “auf pump” (wikipedia: Lend-Lease) & die Rückzahlungen brachten die Außenhandelsbilanz durcheinander: Es floss zu viel Geld nach USA (und im Gegenzug exportierten die Briten nicht genug nach USA), so dass in UK viele U.S.-Produkte nicht mehr offiziell eingeführt werden durften (übrigens wohl auch auch mit ein Grund, warum UK-Marken wie bspw. Burns & deutsche (huch) Marken wie Höfner zu dieser Zeit bei UK-Musiker*innen großen Zuspruch fanden.

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  5. Nee. Neinnein. Nope. Non.

    Ich brauche diese Gitarre nicht… ich brauche diese Gitarre nicht… ich – glaube, ich muss demnächst mal los, die anspielen. Nur mal anspielen…

    Ach, ich sehe schon wieder schrumpfenden Kontostand ;o)

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