„Amp Emulators“ im Pedal-Format

Universal Audio UAFX Woodrow ’55, Ruby ’63 & Dream ’65 im Test

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(Bild: Dieter Stork)

Seit 1958 hat sich Universal Audio (UA) mit Studio-Equipment der Oberklasse weltweit eine exzellente Reputation erarbeitet. Wer schon einmal ein Profistudio von innen gesehen hat, dürfte sich an die Racks mit den Röhren-Preamps, -Kompressoren und -Equalizern sowie deren große VU-Meter erinnern. Die Erwartungen an ihre StompAmps sind also hoch.

Nach Mikrofonen, Audio Interfaces und unzähligen Plug-ins erweiterte der US-Hersteller sein Portfolio mit Pedaleffekten für Gitarren und Bässe und fuhr vor gut einem Jahr für seine Modulation-, Delay- und Reverb-Stompboxes reichlich Lorbeeren ein. Auch die drei neuen „Amp Emulators“ basieren auf der UAD-Modeling-Technologie mit leistungsstarker Dual-Engine-Verarbeitung und sollen die klanglichen Eigenschaften und Möglichkeiten dreier legendärer Röhren-Amps und deren Effekte nachbilden.

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Die UAFX-Amps kommen in schlichten, aber dennoch edel anmutenden Gehäusen aus Aludruckguss mit gewinkelten Stahlblechböden, an deren Stirnseiten alle Anschlüsse zu finden sind: Zwei Inputs (Mono/Stereo, verschraubte TS-Kunststoffklinken), zwei Outputs (Mono/Stereo), eine isolierte Buchse fürs DC9V/400mANetzteil, welches leider nicht zum Lieferumfang zählt, sowie ein USB-C-Anschluss für die nach Produktregistrierung kostenlos downloadbare UAFX-Control-Desktop-App, über die jedem Pedal nach einem Firmware-Update drei weitere Speaker Cabinets spendiert werden. Per Bluetooth-Pairing-Taster mit Status-LED verbindet man die Pedale mit der UAFX-Control-Mobile-App.

Identische Anschlüsse (Bild: Dieter Stork)

Beide Apps sind keine Editierhilfen, sondern lediglich für Firmware-Updates bzw. die Verwaltung von Presets sowie die Konfiguration der Fußtaster und Ein- und Ausgänge vorgesehen. Modellabhängig können Booster und Effekte, je nach Konfiguration der beiden Taster, auch per Fuß aktiviert werden, was eine sehr flexible Nutzung im Live-Betrieb erlaubt. Zudem sind diverse Belegungen der In- und Outputs für Mono-, Stereo- oder 4-Kabelbetrieb möglich. Innen wie außen und auch die Qualität der Komponenten betreffend, ist die Verarbeitung der UAFX-Pedale über jeden Zweifel erhaben. Die Bedienflächen hat man um zwei Millimeter abgesenkt, die hochwertigen Potis und Schalter verschraubt. Gummipads auf der Unterseite garantieren sicheren Stand.

Bei jedem Pedal hat Universal Audio die spezifischen Regelmöglichkeiten der Vorbilder, Amp Channels (Ruby), Onboard-Effekte (Dream und Ruby), jeweils drei Simulationen klassischer Kombinationen aus Boxengehäuse, Lautsprecher und Mikrofon, beliebte Modifikationen (Dream) und Preamps vorgeschalteter Effekte (Woodrow) akribisch modelliert. Die Preset-Speicherung erfolgt über eine integrierte Tastfunktion der zentralen Minikippschalter.


WOODROW ’55

Mit Inst. Volume, Mic. Volume und Tone übernimmt das Woodrow nicht nur die spartanischen Regelmöglichkeiten eines 1955er Fender Deluxe, sondern bietet auch Output (Level), Room (Raumeffekt) und Boost (Gain). Letzterem ermöglicht ein 3-Wege-Schalter das Boosten der Originalvorstufe, eines Korg SDD-3000 Digital Delay Preamps oder eines Maestro EP-3 Tape Delay Preamps.

Standardmäßig sind folgende Speaker/Cabinet/Mic-Simulations implementiert:

  • BLU15: 15 Watt Celestion Blue in einem 1×12“-Tweed-Combo, abgenommen mit einem Neumann U67 Kondensatormikrofon.
  • JP12: klassischer Jensen P12R in einem 1×12“-Tweed-Combo, mikrofoniert mit einem dynamischen Shure SM57.
  • GB25: 25 Watt Celestion Greenback in einem 1×12“-Tweed-Combo, mikrofoniert mit einem dynamischen Shure SM57.

Das Firmware-Update liefert zusätzlich:

  • Vee30: Marshall 4×12“-Box mit Celestion V30, aufgenommen per Sennheiser MD 421.
  • B-Man: Fender 4×10“-Bassman mit Jensen P10R Speakers, mikrofoniert mittels Shure SM57.
  • JB120: Fender 1×12“-Box mit Vintage JBL D-120F Speaker, abgenommen mit AKG C414 Kondensatormikro.
Woodrow ’55 innen (Bild: Dieter Stork)

Wie detailgetreu und akribisch Universal Audio die Funktionen eines 1955er Fender Deluxe auf das Woodrow übertragen hat, ist ebenso beachtlich wie die Qualität der praxisorientierten Zusatzfunktionen. Während der Instrument-Input mit zunehmendem Volume-Setting etwas brillanter und aggressiver klingt, tönt der Mikrofon-Input cleaner, wärmer und zeigt mehr Fundament. Sobald man beide Regler gleichzeitig aufdreht, werden die Inputs gebrückt und wie beim Original-Amp verändern sich Klangcharakter, Zerrintensität und Kompression. UA hat die Clean-Reserven der Vorstufe etwas erweitert, ohne jedoch das Gain des original Tweed Amps zu verändern. Tone bearbeitet höchst effizient die Höhen, interagiert mit Volume und greift gleichzeitig Overdrive und Distortion unter die Arme.

Noch mehr Verzerrung liefert der regelbare Boost-Schaltkreis, der komplett umgangen wird, wenn man das Poti zudreht. Der Original-Preamp eines 55er Deluxe, bei dem im Woodrow der High-Instrument-Input modelliert wird, liefert bei etwa 10-Uhr-Position des Volume-Reglers sowie Vintage-Humbuckern erste Break-ups, deren Verzerrungen kontinuierlich bis zu Mid-Gain-Crunch ansteigen. Dreht man dabei Boost auf, werden Mitten und Höhen leicht angehoben, die Bässe indes etwas abgesenkt, um Definition und Durchsetzungskraft nicht zu beeinträchtigen. Alternativ lassen sich die beiden besagten Vorstufen auswählen. Die des Korg SDD-3000 Digital Delays benutzt bekanntermaßen U2´s The Edge mit seinem Fender Deluxe, wobei automatisch der Low-Instrument-Input des Originals simuliert wird, der einen cleaneren Pre-Boost-Sound bewirkt. Der Maestro EP-3 Tape Delay Preamp klingt über den virtuellen High-Input fett und warm, schiebt auch ein wenig Gain nach und verdichtet bei aktivem Boost den Sound zunehmend.

RUBY ’63 auf Seite 2 …

RUBY ’63

Fans des legendären britischen Röhrencombos werden mit dem Modell eines 1963er Vox AC30 Top Boost bedacht. Dessen drei Kanäle Vibrato (de facto handelt es sich um einen Tremolo-Effekt, also Lautstärkenmodulation), Normal und Brillant lassen sich über den rechten Minischalter anwählen. Die Position „Amp“ des mittleren Minischalters gestattet Zugriff auf die Standardregler Volume, Cut (Höhenfilter), Bass und Treble sowie auf Output und Boost. In der Schalterstellung „Alt“ gewähren die Treble- und Boost-Regler Zugang zu den Vibrato-Parametern Speed und Intensity, während Bass einen Raumeffekt (Room) kontrolliert.

Folgende Lautsprecher/Gehäuse/Mikrofon-Simulationen zählen zur Standardausstattung:

  • Silver: Seltene 15 Watt Celestion Silver Bulldog Speaker in einem 2×12“-Combogehäuse, abgenommen per Sennheiser MD 421.
  • Blue: Original Celestion Blue Bulldog Lautsprecher im 2×12“-Cabinet, mikrofoniert mittels Shure SM57.
  • Green: Moderne Celestion G12H Speaker in einem 2×12“-Combogehäuse, abgenommen mit einem Beyer M160 Bändchenmikrofon.

Das Firmware Update hält zusätzlich bereit:

  • Silver: 1×12“-AC15-Gehäuse mit Blue Bulldog Lautsprecher, abgenommen mit Shure SM57.
  • Blue: 2×12”-Matchless-Cabinet mit Celestion G12H, aufgenommen mit Shure SM57.
  • Green: 2×12”-Two-Rock-Box mit Celestion Gold Speakers, mikrofoniert per Sennheiser MD 421.
Ruby ’63 innen (Bild: Dieter Stork)

Die drei Kanäle des Ruby ’63 besitzen unterschiedliche Klangcharaktere und Features, und auch den Boost-Schaltkreis hat Universal Audio auf jeden Kanal individuell abgestimmt. Während der Normal Channel von einem 61er „Non Top Boost“-AC30 gemodelt wurde, entstammen die Brilliant- und Vibrato-Kanäle einer 63er Top-Boost-Combo. Der Brilliant-Kanal liefert insgesamt mehr Gain und Höhen, besitzt keinen Vibrato-Effekt und der Boost-Regler steuert Gain von einem Maestro EP-3 Tape Delay Preamp bei. Die Klangregelung umfasst Cut-, Bass- und Treble-Potis, die alle die gleiche Regelrichtung aufweisen, im Uhrzeigersinn also eher als Cut arbeiten.

Der Normal-Kanal zeigt mehr Headroom für Clean-Sounds und insgesamt weniger Gain als Brilliant. Das Höhenfilter „Cut“ ist hier die einzige Klangregelmöglichkeit. Somit sind Bass und Treble ebenso inaktiv wie der Vibrato-Effekt. Boost fügt Input-Gain von einem Treble Booster mit Germanium-Transistor hinzu. Vorbild ist hier unüberhörbar der legendäre Dallas Rangemaster, der auf zahllosen Aufnahmen für den klassischen Midrange-Boost-Sound sorgte. Die Vibrato-Speed-Range hat man nach unten erweitert, um langsamere Modulationen zu ermöglichen als beim Original.

DREAM ’65 und Fazit auf Seite 3 …

DREAM ’65

Hier diente der Vibrato-Kanal eines 1965er Fender Deluxe Reverb als Vorlage. Regelbar sind Volume, Reverb, Bass, Treble, Output und Boost. Die Charakteristik des Letzteren bestimmt der Schalter darüber, der neben der originalen Preamp-Schaltung auch beliebte Modifikationen wie Lead (80s Overdrive Special) und D-Tex (Stevie Ray Vaughan) bietet. Bei der SRV-Mod ist der Vibrato-Effekt inaktiv, bei dem es sich – typisch Fender – ebenfalls um ein Tremolo handelt. Bewegt man den mittleren Schalter in die Alt-Position, lassen sich mit Treble und Boost die Vibrato-Parameter Speed und Intensity kontrollieren.

Standard Speaker/Cabinet/Mic-Simulationen sind:

  • GB25: 25 Watt Celestion Greenback in einem Blackface-Deluxe-Combo, abgenommen mit einem Beyer M160 Bändchenmikrofon.
  • Oxford: Original Oxford 12K5-6 Lautsprecher eines Blackface Deluxe, mikrofoniert mit Shure SM57.
  • EV12: Klassischer 12“/200 Watt Electro-Voice-EVM12L-Speaker im Blackface Deluxe, abgenommen per AKG C414 Kondensatormikro.

Nach Firmware-Update stehen zusätzlich zur Verfügung:

  • GB25: Two-Rock 2×12“-Box mit Celestion-G12-65-Lautsprechern, mikrofoniert per Shure SM57 und Royer R-121 Bändchenmikrofon.
  • Oxford: Vintage 1966 4×10“ Fender Super Reverb mit original CTS-Lautsprechern, abgenommen mit AKG C414 Kondensatormikro.
  • EV12: Vintage 1968 Fender Twin Reverb mit original JBL D-120F Speakers, mikrofoniert per Shure SM57 und Royer R-121 Bändchenmikrofon.
Dream ’65 innen (Bild: Dieter Stork)

Volume kontrolliert das Gain des modellierten 65er-Deluxe-Reverb-Amps. Erhöht man es, verändert sich der Charakter in Form zunehmender Übersteuerung und Kompression. Dreht man Volume komplett zu, ist der Amp immer noch zu hören, wenn auch leise – genau wie beim 65er Original. Mit Vintage-Humbuckern sind erste Break-ups etwa bei Volume auf 10 Uhr zu vernehmen. Praxistaugliche Clean-Sound-Pegel sind durch Erhöhen des Output-Potis möglich.

Auch beim Hall – regelbar mit Reverb – hat sich UA präzise ans Original gehalten: Röhrenfederhall à la Fender vom Feinsten, mit viel Raum, Wärme und dem typischen Flattern der Spiralen. Einfach wunderbar! Bei cleanen Sounds ist der Hall sehr präsent und wird mit zunehmender Verzerrung leiser, ebenfalls wie beim Original. Es gibt auch keine Reverb-Überhänge, wenn das Pedal ausgeschaltet wird. Je cleaner der Sound, desto effizienter greifen Bass und Treble ins Klanggeschehen ein.

Auch beim Dream ’65 stehen drei Boost-Varianten zur Verfügung. „Stock“ ist die Originalschaltung, bei der Boost den Amp-Eingang mit einem Clean-Boost beschickt. Die obere Schalterposition „Lead“ erzeugt eine in den 80er-Jahren beliebte OD-Special-Modifikation, bei der Boost die Gain-Intensität steuert. Gleiches bewirkt Boost in der Einstellung „D-Tex“, eine Modifikation, die Stevie Ray Vaughan an seinen Deluxe-Reverb-Amps vornehmen ließ. Bei dieser ist der Vibrato-Effekt deaktiviert, hier jedoch weiterhin nutzbar, wenn man den Boost-Regler zudreht. Je höher dessen Einstellung, desto geringer ist die Effizienz der Bass- und Treble-Regler.

GEMEINSAMKEITEN

Alle Speaker/Cabinet/Mic-Simulationen sind vorzüglich gelungen und bewirken deutliche Klangveränderungen, vor allem aber hohe Authentizität. Ihre Qualitäten kommen primär bei Recording oder Direktabnahme zur Geltung, sie können aber auch an x-beliebigen Gitarrenverstärkern zur Sound-Findung genutzt werden. Die Raumeffekte von Woodrow und Ruby kommen ausschließlich bei aktiver Cabinet-Simulation zum Zuge und fügen das klangliche Ambiente eines kleinen Aufnahmeraums hinzu. Selbst bei High-Gain-Settings verhalten sich alle drei UAFX-Pedale überaus nebengeräuscharm, erzeugen jedoch während des Betriebs eine gewisse, wenn auch unkritische Wärme.

RESÜMEE

Hoppla, mit den Amp Emulators ist Universal Audio ein ganz großer Wurf gelungen! Nicht nur die Sounds legendärer Röhrenverstärker, sondern auch die Bedienelemente und deren Arbeitsweise sowie sinnvolle Zusatzfunktionen und populäre Amp-Modifikationen wurden höchst authentisch digitalisiert und in schicke, überaus robuste Pedale gepackt. Einerseits ist zwar jeweils nur ein einziges Preset speicherbar, andererseits aber immerhin! Für mehrere Speicherplätze müssten Fußschaltung und Anzeigen neu konzipiert werden. Vielleicht ließe sich das Preset-Angebot erweitern, wenn man z.B. beide Fußtaster simultan betätigen würde/könnte. Überaus positiv zu werten sind die Konfigurierbarkeit der Fußtaster und die umfangreichen Anschlüsse, die eine flexiblere Nutzung im Live-Betrieb ermöglichen. Die flinke Preset-Verwaltung via Smartphone u.Ä. kompensieren den Speichermangel zumindest halbwegs. Angesichts der Preise gibt es jedoch für das lediglich optional erhältliche Netzteil einen Minuspunkt. Ansonsten: Unbedingt antesten!

PLUS

  • authentisch emulierte Schaltungen und Bedienelemente
  • Speaker/Cabinet/Mic-Simulationen
  • Ansprache & Dynamik
  • extrem nebengeräuscharm
  • Bauteile & Verarbeitung
  • Anschlussmöglichkeiten
  • Preset-Verwaltung via Apps
  • Bedienung

MINUS

  • Netzteil nur optional erhältlich


(erschienen in Gitarre & Bass 09/2022)

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