Anfang der 70er gab es zahlreiche Aufnahmen, auf denen hier und da Licks, Riffs und Soli auftauchten, die so ganz anders klangen als das, was aus meinem eigenen Verstärker herauskam – die Rede ist vom Treble Boostern.
Anzeige
Bei Wishbone Ash oder Rory Gallagher klangen die Gitarren straffer, aggressiver und schmutziger. Mein AC30 wurde, wenn ich ihn weit aufgedreht habe, einfach nur fett und mulmig. Die Bässe schienen die Überhand zu nehmen und wurden unangenehm „flabby“.
Ich hatte keine Ahnung, dass es für dieses Problem eine ganz einfache Lösung gab, die auch praktisch fast jeder englische Gitarrist für sich nutze. Es sind die Treble Booster, die in den 70er so in Mode waren, dass dieser Sound eine ganze Musik- Ära prägte. Marc Bolan von T.Rex nutzte einen Dallas Arbiter Rangemaster vor seinem Dual Showman oder Vampower-Amp, Brian May schaltete die kleine Wunder-Box vor seinen AC30, Rory Gallagher verwendete ebenfalls zunächst einen Rangemaster, später einen Hawk Booster (oder Tonal Expander), Ritchie Blackmore setzte auf einen Hornby Skewes Treble Booster in seiner frühen Phase bei Deep Purple, Wishbone Ash und David Gilmour stöpselten ihre Gitarren in OrangeTreble&Bass-Booster.
Die Ergebnisse glichen sich alle: ein aggressiver, schlanker Gitarrenton mit reichlich Overdrive und Höhen. Die Rezepturen glichen sich ebenfalls bei allen Units: Ursprung der Verzückung waren Germanium-Transistoren. Obwohl diese kleinen schwarzen Kraftpakete rauschten, sich bei Erwärmung klanglich veränderten und gerne mal ganz ausfielen, war ihr Ton einzigartig. Jeder Gitarrist hat wohl seinen Lieblings-Song mit einer Treble-Booster-Gitarre. Mein Kollege Bernd Meiser von der Firma BSM weiß ein Lied davon zu singen. Er ist für mich der Treble-Booster-Experte schlechthin und weiß daher über dieses Thema tausendmal mehr als ich.
Er kennt alle Ton-Phasen sämtlicher Treble-BoosterNutzer und natürlich die oft geringen technischen Unterschiede. Schon einige Male hat er mich zu diesem Thema beraten oder ein Fuzzface oder Treble Booster für mich „eingestellt“. Daher ist es für ihn auch ein großer Unterschied, ob man dem RitchieBlackmore-Sound von ,Live In Japan‘, ,In Rock‘ oder ,Machine Head‘ nacheifert. Hin und wieder habe ich auch schon einen alten Dallas Rangemaster restauriert. Das fordert vor allem das Gehör, denn wie so oft führen auch hier „viele Wege nach Rom“. Da diese Geräte über keine Klangregelung verfügen, muss man die Handvoll Bauteile, die man im Inneren vorfindet – allen voran die Germanium-Transistoren – gemäß den Ansprüchen des Gitarristen selektieren und abstimmen.
Der Overdrive-Sound ist mit reichlich Obertönen gefüllt, und genau hier entscheidet sich die Qualität der Ergebnisse. Da kann es sehr, sehr wichtig sein, dass man die richtigen Bauteile findet. Da sind alte Kondensatoren von Hunts oder Plessey verbaut, die man nur noch sehr selten neu oder gebraucht im Internet findet. Zudem sollte man genügend Germanium-Transistoren in der Schublade haben, denn auch diese müssen selektiert werden.