Weniger ist mehr

Test: Zoom G6

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(Bild: Dieter Stork)

Mit seinem Flaggschiff G11 hat der japanische Hersteller im vergangenen Jahr so richtig einen rausgehauen. „Klotzen statt kleckern“ schien die Devise. Hinsichtlich der Features muss sich das neue, kleinere G6 keineswegs hinter seinem großen Kollegen verstecken.

Obgleich man die Zahl der Bedienelemente rigoros verringert hat, lässt es sich dank 96 x 54 mm großem, mittig platziertem TFT-Touchscreen, vier Endlosrasterpotis, jeweils vierfach belegter Fußtaster und übersichtlichen Layouts ebenso intuitiv handhaben. Mit an Bord sind ein 45-Sekunden-Stereo-Looper (Mono 90 Sekunden), dessen Speicher per SD-Karte auf zwei Stunden erweitert werden kann, 64 Drum-Patterns und vier Metronome, Tuner und USB-Audio-Interface.

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Beeindrucken kann das G6 vor allem aber mit seinem üppigen Angebot von acht Effekttypen mit insgesamt 132 Effekten, 22 Amp- und 23 Cabinet-Models sowie 70 Impulse Responses. Letztere lassen sich durch Importe – auch von Fremdanbietern – beliebig erweitern. Das allein unterstreicht schon die immense Flexibilität des Multieffektprozessors. Bis zu neun Effekte (inkl. Amps, Cabinets und IRs) können in einem Patch eingesetzt werden. 240 Speicherplätze stehen für Patches zur Verfügung, aufgeteilt in vier Bänke zu je 60 Patches.

Farbenfrohes Bedienfeld
Farbenfrohes Bedienfeld (Bild: Dieter Stork)

ERSTER EINDRUCK

Das Kunststoffgehäuse im Carbonfaser-Look dürfte im Windkanal Bestwerte erzielen, und die fünf Gummi-Pads unter dem Bodenblech gewähren sicheren Stand. Der Hohlstecker des kompakten Netzteils versinkt tief im Gehäuse und ist so bestens geschützt. Sämtliche Anschlüsse finden wir auf der Stirnseite: Input, Aux In, External FX Send und Return, Outputs Left/Mono/Phones und Right, External Control für ein zweites Expression-Pedal, SD-Card-Fach mit Deckel, Remote-Sockel für optionalen Bluetooth-Adapter, USB- und Netzteilbuchse. Ein Master-Volume-Poti kontrolliert den Gesamtausgangspegel. Der External FX Loop lässt sich wie eine Stompbox handhaben und beliebig im Signalweg platzieren. Somit ist es auch möglich, Effekte des G6 vor einen externen Verstärker zu schalten, andere wiederum in dessen FX Loop einzuschleifen.

Üppige Anschlusssektion
Üppige Anschlusssektion (Bild: Dieter Stork)

AUF GEHT’S

Nach dem Einschalten benötigt das G6 ein paar Sekunden um hochzufahren. Danach strahlt mich das dimmbare farbenfrohe TFT-Display an, und aus zunächst grauen Beschriftungen werden hellrot leuchtende. Im Play Mode „Effect Board“, in welchem bis zu vier Effekte eines Patches wie Stompboxes einzeln betrieben werden können, leuchten die Schriften Effect-1 bis Effect-4 jeweils in den gleichen Farben wie die im Display abgebildeten Pedale. Verändert man die Effektreihenfolge, wechseln auch die Farben oberhalb der Fußtaster entsprechend, was die Übersicht enorm erleichtert.

(Bild: Dieter Stork)

Über den Fußtaster links oben stehen vier Play-Betriebsarten zur Verfügung:

  • Effect Board: 60 Bänke zu je vier Patches, Bank Up/Down manuell wählbar, jeweils vier Effekte per Fuß on/off schaltbar.
  • Bank/Patch: 60 Bänke zu je vier Patches. Bank Up/Down und Patch Up/Down per Fuß anwählbar.
  • Memory: 60 Bänke zu je vier Patches. Bank Up/Down manuell, Patches per Fuß anwählbar.
  • Looper: Steuerung über die Fußtaster Rec/Play, Stop, Undo/Redo und Clear.

Der Fußtaster rechts oben dient zur Tap-Tempo-Eingabe und aktiviert auch den umfangreich editierbaren Tuner, dessen große Nadelanzeige ebenso präzises wie entspanntes Stimmen gestattet. Der komfortabel zu bedienende Looper lässt sich über Parameter wie Time, Volume, Mono/Stereo, Stop Mode (Instant, Finish, Fade Out) eigenen Bedürfnissen anpassen. Zudem kann er vor oder hinter der Effektkette angeordnet werden. Overdubs lassen sich mit beliebigen Patch-Sounds einspielen, während sich der Looper mit den zuvor aufgezeichneten Sounds im Wiedergabemodus befindet.

Außer im Looper Mode bieten die vier Endlosrasterpotis unter dem Display stets direkten Zugriff auf einen globalen 4-Band-Output-EQ, dessen Settings sich auch blockieren lassen. Ansonsten bearbeiten die Regler die zahlreichen Effekt- und Utility-Parameter, die sich auch per Touchscreen variieren lassen. Patches werden ausschließlich im Effect Board Mode erstellt, indem man das Amp-Modell auswählt, Einzeleffekte hinzufügt oder entfernt und beliebig in der Signalkette anordnet.

Gerne kann auch experimentiert werden. Einzige Einschränkung: Wählt man einen Effekt, Amp, ein Cabinet oder eine IR aus, gibt die Auswahlliste die jeweilige Prozessorauslastung und ein Balken die aktuelle Gesamtauslastung in Prozent an. Werden 100% überschritten, erscheint der Hinweis „Process Overflow“.

Auch das bordeigene Expression-Pedal kann beliebig in der Signalkette angeordnet werden. Es steuert Lautstärke, vier Wah-Typen und weitere Effekte wie Drive, Modulation, Pitch, Delay usw., die mit Hilfe von jeweils vier Parametern editiert werden können. Die frei erstellbaren Patch-Namen werden in allen Play Modes angezeigt, und zwar im Bank/Patch-Modus, etwas kleiner im Memory Mode, noch kleiner im Effect-Board- und Looper-Betrieb.

Die Amps lassen sich modellabhängig über sechs bis acht Parameter kontrollieren, die Cabinets über jeweils vier.

UND WIE KLINGT‘S?

Im Grunde hat das Zoom G6 alles an Effekten, Amps, Cabinets und IRs an Bord, was selbst anspruchsvolle und/oder experimentierfreudige Gitarrist:innen benötigen. Auch der Looper dürfte in puncto Bedienfreundlichkeit schwer zu übertreffen sein.

Bassist:innen bleiben allerdings außen vor, da sie zumindest ampseitig nicht bedacht werden. Apropos, mit 22 Amp-Modellen ist das Angebot vielfältig und geht dabei teilweise über die üblichen Verdächtigen hinaus. Wie gewohnt schießen Marshall, Fender und Mesa Boogie den Vogel ab, gefolgt von Vox, Bogner, HiWatt, Orange, Diezel und Matchless. Zoom lässt es sich jedoch nicht nehmen, mit Krampus, Redloom, Velvet, Muddy, 7Heaven und Pollex spezielle Eigenkreationen für 7- und 8-saitige Gitarren, Metal und Djent beizusteuern, die modernere Sounds mit stabilen Bässen und/oder gescoopten Mitten liefern. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Zoom-Amps erheblich mehr Prozessorleistung als die Models der Standardverstärker erfordern. Somit bleibt entsprechend weniger für Effekte übrig.

Die sinnvolle, praxisorientierte Beschränkung auf maximal acht Parameter erleichtern die Sound-Erstellung ungemein, decken aber dennoch breite Spektren an Gain- und EQ-Settings ab. Die Verstärkermodelle wurden klanglich gut getroffen und geben die typischen Merkmale ihrer Vorbilder wieder. Schnell hat man seinen favorisierten Amp aus der Liste gepickt und ihn nach den eigenen Erfordernissen und dem individuellen Geschmack abgestimmt. Auch zusätzliche Parameter wie z. B. ein Fender Bright-Schalter und Speed-Regler, Vox Cut-Poti oder HiWatts Normal/ Brilliant-Inputs lassen sich direkt am Display oder den Reglern einstellen.

Auch die 23 Boxensimulationen können sich hören lassen. Es tauchen die gleichen Namen wie bei den Amps auf, auch die Verteilung ist nahezu gleich. So zählen diverse 1×12-, 2×12-, 4×12- Boxen und auch ein 4×10-Cabinet zum Angebot, die sich mit jeweils vier Parametern bearbeiten lassen: Microphone On/Off für Amp- oder Phones-Wiedergabe, Mischung aus Shure SM57 und/oder Sennheiser MD421 bei aktivem Mic sowie Hi- und Lo-Volume.

Quasi den letzten Schliff besorgen die Impulse Responses, die Mikrofonabnahmen der aufgeführten Cabinets im Raum und in Abständen von 12″ und 1″ emulieren. Mit Lo, Hi, Balance und Volume stehen hier jeweils weitere Parameter zur individuellen Abstimmung zur Verfügung.

Klanglich auf ähnlich hohem Niveau wie die Amp-, Cabinet- und IR-Models des G6 bewegen sich auch dessen Effekte. Acht Typen stehen zur Wahl, davon 10x Dynamics, 14x Filter, 26x Drive, 26x Modulation, 4x Special FX, 17x Delay, 17x Reverb und 18x Pedal. Darunter findet man etliche gelungene Emulationen namhafter Hersteller und auch einige interessante Sachen für Experimentierfreudige. Der überwiegende Teil beschränkt sich auf vier Parameter, andere bieten bis zu acht.

Interessant, wenn auch zum Teil eher als Gimmick einzusetzen, sind die Special Effects. Bomber simuliert z. B. die Detonation eines größeren Sprengsatzes, triggerbar per Saitenanschlag oder Fußtaster. Bei entsprechendem Pegel klingt das erschreckend echt. Während AutoPan einen ausklingenden Akkord im Stereopanorama hin und her wandern lässt, bietet Loop-Roll das Aufzeichnen und Halten kurzer Phrasen (bis vier Sekunden), die sich Sequencer-like auch mit verschiedenen Notenwerten wiedergeben lassen. Nicht ganz so überzeugen kann dagegen HotSpice, das den Klang einer Sitar simulieren soll. Na ja, dieser Effekt trifft das leider nicht so ganz, sondern erinnert eher an einen anschlagsgesteuerten Envelope Follower mit Up-Octaver, weit weg also von dem bekannten indischen Saiteninstrument.

Die Bedienung des Zoom G6 erweist sich insgesamt als selbsterklärend und intuitiv, auch wenn man zum Hinzufügen, Entfernen und Verschieben eines Amps, Cabinets, Effekts und einer IR stets die erste der vier Menüseiten ins Display ziehen muss. Schnellen Zugriff auf die Parameter eines in einem Patch angeordneten Effekts erhält man hingegen blitzschnell durch Tippen auf einen symbolisierten Reglerknopf und den betreffenden Effekt im Effect Board Display. Auch das Erstellen und Verwalten von Patches und Banks gestaltet sich überaus komfortabel. Neben der beiliegenden Kurzanleitung bietet der Hersteller eine ausführliche und leicht verständliche deutsche Bedienungsanleitung zum Download auf seiner Internetseite an.

RESÜMEE

Mit dem G6 bringt Zoom ein Modeling-Pedal an den Start, bei dem der Spagat zwischen möglichst wenigen Bedienelementen, umfangreichem Sound- und Effektangebot, intuitiver Bedienung und bezahlbarem Preis aufs Beste gelungen ist, vom ansprechenden Design ganz zu schweigen. Einziger Kritikpunkt: Das Expression-Pedal lässt sich im Stehen problemlos einschalten, erfordert jedoch im Sitzen gehörigen Kraftaufwand. Hinsichtlich des Signalwegs sind die einzelnen Komponenten eines Patches stets seriell verschaltet. Sinnvolle parallele Anordnungen von Amps und Effekten bietet das Pedal leider nicht, würden jedoch möglicherweise die intuitive Bedienung beinträchtigen.

Das Zoom G6 stellt sicherlich nicht das Nonplusultra unter den Modeling-Pedalen dar, überzeugt jedoch trotz des Verzichts auf tiefgreifende Menüseiten und übermäßig viele Parameter mit guten Sounds, komfortablem Looper, intuitiver Handhabung und sehr gutem Verhältnis von Preis und Leistung.

PLUS

  • Amp- & Effekt-Sounds
  • Cabinet- & IR-Simulationen
  • Konzept & Bedienung
  • Design
  • Verarbeitung
  • Preis/Leistung

MINUS

  • Expression-Pedal lässt sich im Sitzen schwer aktivieren


(erschienen in Gitarre & Bass 09/2021)

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