This one goes to (G)11

Test: Zoom G11

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(Bild: Dieter Stork)

Zoom ist ja eigentlich eher für günstige, kleine Pedale bekannt, die man „einfach mal ausprobiert“. Mit dem G5n und seinen Vorgängern gab es immer auch etwas größere Pedale für wenig Geld. Und nun steht hier auf einmal ein 750-Euro-Zoom-Multieffekt vor mir …

Das ist wirklich mal eine Ansage. Mit dem neuen G11 als Flaggschiff wollen die Japaner der Multieffekt-Welt zeigen, dass sie nach wie vor bei den Großen mitspielen.

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HARDWARE

Das G11 kommt gut verpackt mit eigenem Netzteil und Kurzanleitung. Wer mehr wissen möchte, lädt sich die gut gemachte, 106-seitige Bedienungsanleitung auf Deutsch herunter. Die braucht man zum Glück eigentlich nie, da das Zoom eines der am einfachsten zu bedienenden Pedale ist, die ich kenne. Doch dazu später mehr.

Das recht große Bord in Carbonfaser-Optik begrüßt einen mit einer ganzen Armee von Displays, Potis und Schaltern. Durch die Verwendung von Schwarz und Rot als dominierende Farben, wirkt es dennoch nicht überfüllt und wir werden schnell sehen, wie praktisch diese Gliederung für Direktzugriffe ist.

(Bild: Dieter Stork)

Oben links thront das große, farbige Touch-Display. Daneben gibt es ein kleines Display, welches den gerade gewählten Amp zeigt. Einstellen kann man ihn direkt über die dedizierten Potis für Gain, Bass, Middle, Treble, Presence und Volume. Unten aufgereiht, befinden sich fünf kleine Displays mit jeweils vier kleinen Potis, einem Fußschalter und einer farbigen LED. Man kann sich das fast wie fünf verbaute Effektgeräte vorstellen. Das Display zeigt, was gerade aktiv ist (beispielsweise ein Zen-Drive). Die Potis erlauben nun das direkte Editieren von Parametern (hier wären das Gain, Tone, Voice und Volume). Per Fußschalter kann man den Effekt jederzeit ein- und ausschalten und die farbige LED hilft, schnell zu erkennen, welche Art von Effekt gewählt wurde (Rot = Drive, Pink = Dynamics, … ).

Ganz unten finden wir sechs Fußschalter, die je nach Modus verschiedene Funktionen haben, aber meist Presets oder Bänke anwählen, das Stimmgerät aktivieren oder die Bedienung des Loopers ermöglichen. Neben all dem ist noch ein Expression-Pedal verbaut, mit dem man die Lautstärke oder diverse Effekte steuern kann.

Die Stirnseite des G11 ist gut mit Anschlüssen gefüllt. Spätestens jetzt fällt auf, dass das Gerät recht flach ist – die Konkurrenz hat oftmals mehrere Reihen an Buchsen, hier ist alles fein säuberlich nebeneinander. Natürlich gibt es den Input für die Gitarre und einen Aux-In zum Jammen. Darüber hinaus finden sich dort zwei externe Loops, jeweils mit Send und Return, zum Einbinden von Lieblingseffekten. Die PA wird per Left- und Right-Output beliefert, daneben findet sich ein Kopfhörer-Ausgang und ein Regler für die Master-Lautstärke. Wem ein Expression-Pedal nicht reicht, der kann über die Control-In-Buchse ein weiteres anschließen.

(Bild: Dieter Stork)

Natürlich ist auch MIDI an Bord und die Steuerung geschieht mittels IN- und OUT-Buchsen. Möchte man das G11 per iOS-App fernsteuern, muss man einen Bluetooth-Adapter für knapp € 40 dazukaufen und an die Remote-Buchse anschließen. Neben dem obligatorischen Ein-/Aus-Schalter gibt es einen Anschluss für das externe Netzteil. Über einen von zwei USB-Ports stellt man die Verbindung zu einem PC her und kann das Zoom als Audio-Interface nutzen, über den anderen kann man Impulsantworten von einem USB-Stick laden.

BEDIENUNG

Ein solches Aufgebot von Potis, Schaltern und Displays kann vorab zwei Gedankengänge anregen. Entweder: „Puh, das überfordert einen bestimmt mit all den Optionen“. Oder natürlich: „Cool, so kann ich alles direkt einstellen, das macht es viel einfacher“. Ich bin mir fast sicher, dass es hier immer die zweite Option sein wird. Zoom hat ganz offensichtlich maximalen Wert auf einfache Bedienung gelegt. So wählt man über das Display, das mit guter Grafik und schneller Ansprache überzeugt, den Modus aus, in dem man das G11 nutzen will. „Play by Patch“ zeigt einem den Patch-Namen sehr groß an, und mit Hilfe einer Reihe von roten Funktionstastern am unteren Rand des G11, schaltet man durch Patches und Bänke. Die Effekte kann man – egal in welchem Modus – immer direkt mit ihren zugehörigen Fußschaltern ein- und ausschalten.

Sollten diese fünf Switches dafür nicht mehr ausreichen, weil mehr Effekte aktiv sind, kann man die beiden Taster links unten zum Scrollen nutzen. Die dargestellte Effektkette verschiebt sich dann jeweils um einen Platz nach links oder rechts, sodass man auf alle Effekte per Fuß zugreifen kann, ohne sich bücken zu müssen. Der „Play by Effect-Board“-Modus zeigt einem eine grafische Repräsentation der Effektkette, funktioniert aber sonst wie der Patch-Modus.

Im „Play by Bank“-Modus sieht man alle vier Patches einer Bank und greift mit den ersten vier Fußschaltern unmittelbar darauf zu. Rechts daneben schaltet man dann die Bänke hoch oder runter. Das ist praktisch, da man mehr direkt anwählen kann, die Scroll-Funktion geht allerdings verloren.

Möchte man in einen anderen Modus wechseln, Effekte hinzufügen, einen anderen Amp wählen oder Ähnliches, läuft dies immer über den Touchscreen. Das funktioniert zwar völlig problemlos, ist aber manchmal etwas frustrierend, weil viele Möglichkeiten verschenkt werden. Im Effektboard-Modus schnell einen Effekt tauschen? Nein, dazu muss man erst über den Touchscreen „Change Effect“ auswählen. Nun sitzt der Effekt an der falschen Stelle? Dann bitte ins „Change Effect Order“-Menü. Einen neuen hinzufügen? Auch dazu gibt es ein Menü. Das lässt sich zwar alles wirklich schnell und intuitiv bewerkstelligen, aber ein einfaches Gedrückthalten für Alternativfunktionen, oder aber die Nutzung von mehr Fläche des Displays in manchen Modi, wäre schon angebracht. Naja, ist ja alles Software, könnte man also per Update nachreichen.

Die generelle Bedienoberfläche gestaltet sich simpel: Endlos-Potis regeln die üblichen Amp-Funktionen, darunter befindet sich ein Effektboard mit fünf Plätzen. Fertig. Da muss niemand mehr Angst vor tiefen Menüstrukturen oder endlosem Tweaking haben. Zoom fasst hier das klassische Gitarristenbesteck digital zusammen und ergänzt es um viele Optionen, darunter die Möglichkeit, Presets zu speichern. Das ist so einfach, dass es schon wieder genial ist.

AMPS, EFFEKTE & SOUND

Das G11 kommt mit allen Amps, Boxen und Effekten, die man so braucht. Für Bassisten gibt es immerhin einen Ampeg SVT, die Gitarristenfraktion wird reichhaltiger bedacht. Hier findet man die meisten Klassiker, wie einen Marshall JCM 800 oder 1959. Diverse Fender-Modelle, wie ein Twin oder Bassman, sind ebenso am Start wie Vox, Boogie, ein Bogner Ecstasy, Hiwatt, Recti, Orange, Diezel oder Matchless. Man wird hier nicht mit Optionen erschlagen wie bei anderen Herstellern, aber es ergibt sich eine sinnvolle Vielfalt über die verschiedenen Gain-Stufen und Geschmäcker hinweg.

All diese Modelle bilden ihre Vorbilder gut ab. Sie unterscheiden sich jeweils deutlich voneinander und ein Fender klingt eben auch nach Fender. Irgendwie ist es tatsächlich einmal ganz erfrischend, nicht auch noch den 30sten Parameter tweaken zu können, sondern einfach schnell die Liste durchzugehen und dann beim passenden Amp zu verweilen. Es gibt einige wenige Zusatzparameter, die man dann doch nur über das Display regeln kann, so beispielsweise den Bright-Switch und Speed-Regler (für ein Tremolo) bei Fender-Modellen.

Einen sehr großen Anteil am Sound haben ja immer auch die Boxensimulationen. Und hier setzt man gleich von Haus aus auf Impulsantworten, von denen pro Box jeweils eine Aufnahme mit 1″ Abstand, 12″ Abstand und mit Raummikro geliefert werden. Das ergibt viel Variation und macht Spaß. Schade nur, dass man hier das Raummikro nicht leise zu einer anderen IR hinzumischen kann. Auch eigene Impulsantworten lassen sich ins Gerät laden. So kann man den Sound dann doch noch etwas individualisieren. Kann sich Zoom mit dem G11 an die Soundspitze der Modeling-Welt setzen? Nun, das nicht, aber sie können sich klanglich schon deutlich von ihrem „Einsteiger“-Image distanzieren.

Zu den Amps der bekannten Marken kommen noch Eigenkreationen wie Krampus, 7 Heaven oder Velvet. Krampus soll den Sound eines 80er-Jahre-Amps aus Großbritannien mit der stabilen Low-Range eines modernen High-Gain-Amps kombinieren. Das klappt tatsächlich ziemlich gut und klingt wirklich mal etwas „anders“ – irgendwie gescooped, irgendwie cool, ziemlich direkt im Sound. 7 Heaven möchte ein sehr tightes Low-End mit größerem Dynamikumfang kombinieren. Sehr tight und aggressiv ist er, eine herausragende Dynamik konnte ich nicht wirklich wahrnehmen.

Zoom liefert bei den Eigenkreationen gut ab und es macht Spaß mal etwas „Neues“ zu testen. Man sollte jedoch bedenken, dass normale Amps etwa 13% Prozessorleistung brauchen, während sich die Eigenkreationen gerne mal 29% einverleiben. Da bleibt entsprechend weniger für die Effekte.

Die sind übrigens auch gut. Man findet alles was man braucht und bekommt innerhalb der einzelnen Kategorien eine Vielfalt verschiedenster Drives, Reverbs oder Delays. Das stellt klanglich zwar nicht die Speerspitze des Modelings dar, funktioniert aber als wirklich gutes Package. Auch hier gibt es Zoom-eigene Effekte wie das Razor-Drive, welches einen Kammfilter nutzt, um Sounds zu erzeugen, die an ein festgestelltes Wah erinnern. Der Wave-Shaper hingegen weiß mit einem leichten Bit-Crusher-Feeling zu überzeugen. Auch hier macht es Spaß, mal mit den „etwas anderen“ Effekten herumzuprobieren.

Zur Einfachheit der Bedienung trägt unter anderem auch bei, dass es bei der Effektauswahl direkte Zuweisungen für das Expression-Pedal gibt. So wählt man beispielsweise Drive oder Delay und das Pedal ändert deren Intensität. Bei Pitch wird entsprechend die Tonhöhe des Signals mit dem Fuß geändert. Auch hier ist kein Abtauchen in Menüs nötig, um Parameter zuzuweisen.

In den meisten Fällen kann man neun Blöcke nutzen, außer wenn man rechenintensive Effekte oder einen Amp wie den Krampus wählt. Dann bekommt man einen ausgegrauten Effekt samt Ausrufezeichen zu sehen und muss den Patch umbauen. Hier ein Beispiel, was möglich ist:

Noisegate, Compressor, Wah, Drive, Amp, IR, Reverb, Delay, Special-Effect. Das ist schon eine Menge und dürfte für die allermeisten Situationen ausreichen. Verzweigende Effektketten, Dual-Amps und Ähnliches sucht man vergebens, aber das würde ja auch nicht zum Konzept passen.

Dass eine Rhythmus-Sektion mit 68 Patterns und ein Fünf-Minuten-Looper im Gerät stecken, rundet das Bild gekonnt ab und hilft sowohl beim Proben als auch live.

ALTERNATIVEN

Während Zoom sich mit kleinen Pedalen wie dem G1 schon fast ein eigenes Marktsegment geschaffen hat, geht es im Preisbereich um die € 750 natürlich deutlich härter zu. Konzeptionell ebenso simpel und klanglich super ist das Line6 Pod Go für knapp € 470. Wem der Touchscreen wichtig ist, der bekommt das Headrush Gigboard für € 535 oder den großen Bruder für € 875. Auch ein Line6 Helix LT ist mit € 915 nicht weit weg, ebenso wie das Boss GT-1000 für knapp € 930.

RESÜMEE

Das Zoom G11 tritt in einem hart umkämpften Preissegment an. Hier ist einfach viel los und es gibt starke Konkurrenz. Das heißt nicht, dass das G11 nicht bestehen kann. Wer eigentlich nie Lust auf Modeling hatte, weil das alles bisher zu komplex aussah, dürfte hier den perfekten Spielkumpanen finden. Man hat fast alles im direkten Zugriff. Und die tiefen Menüstrukturen, von denen immer alle reden? Gibt’s hier einfach nicht. Der Sound geht für den Preis in Ordnung. Das Zoom hebt sich von der Konkurrenz durch die einfache und direkte Bedienung ab, macht Spaß und ist vielfältig nutzbar.

PLUS

  • solide Sounds
  • Bedienung & Konzept
  • alles direkt im Zugriff
  • geringe Komplexität

MINUS

  • Möglichkeiten des Touchscreens könnten stärker genutzt werden

(erschienen in Gitarre & Bass 09/2020)

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