(Bild: Dieter Stork)
Ausgestattet mit Carbon-Optik, Touchscreen und allem, was man zum Üben braucht, geht das Zoom B6 ins Rennen gegen POD Go & Co. Interessant ist dabei, ob Zoom seiner Preis/Leistungs-Tradition folgt oder neue Wege einschlägt.
Großartig vorstellen muss man Zoom wohl nicht. Wenn es um mobiles Aufnehmen ohne Computer oder praktische Multieffekte geht, stolpert man unweigerlich über das breit aufgestellte Sortiment des japanischen Unternehmens. Die meist jeweils auf Gitarre oder Bass abgestimmten Geräte finden sich in so gut wie jedem Gitarrenladen und Forenbeitrag zu kompakten Setups für die heimische Übe-Ecke oder Backup-Lösungen.
Bisherige auf Bass zugeschnittene Geräte des Herstellers bedienten eher das untere Preissegment, insofern stellt das B6 mit etwa € 450 ein Novum dar und macht auch sofort deutlich, in welchem Markt man gern mitspielen möchte.
ERSTER BLICK
Kollege Dommers hat in der Septemberausgabe des letzten Jahres bereits das für Gitarre konzipierte Modell G6 getestet und war recht angetan. Optisch nehmen sich die beiden Geräte grundsätzlich nicht viel, das am B6 offensichtlich fehlende Expression-Pedal mal außen vor gelassen. Stattdessen zieren drei zusätzliche Fußschalter das Plastikgehäuse in Carbon-Optik.
Anschlussseitig unterscheiden sich beide Geräte jedoch etwas stärker. So bietet das B6 gleich zwei Instrumenteneingänge, die sich in ihrer Impedanz jeweils zwischen 1M und 10M Ohm schalten lassen, gute Bedingungen also für Setups mit hochohmigen (Piezo-)Pickups. Per Fußschalter lässt sich unkompliziert zwischen beiden Eingängen hin- und herschalten, was von einer Status-LED quittiert wird und in der Praxis wunderbar funktioniert.
Als Upgrade gegenüber dem G6 hat man dem B6 zusätzlich noch einen XLR-Ausgang spendiert, über den das Signal an ein Mischpult oder ein Aufnahmegerät geschickt werden kann, ohne dabei Masseschleifen oder Signalverlust über lange Kabelwege befürchten zu müssen. Für diesen Ausgang hat Zoom sich ein interessantes Feature einfallen lassen: Zusätzlich zum neutralen Ausgang stehen vier Emulationen bekannter DI-Boxen und Preamps zur Verfügung, mittels derer das Ausgangssignal, unabhängig vom Patch, etwas gefärbt werden kann.
Je nach Modell werden dem Signal etwas Kompression bzw. dezente Sättigung hinzugefügt. Allerdings sind die Unterschiede eher homöopathischer Natur und es stellt sich die Frage, ob es zu diesem Zweck wirklich einen eigenen, nicht anders belegbaren Fußschalter gebraucht hätte. Wie oft wechselt man mitten im Set die DI-Box? Grundsätzlich begrüße ich dieses Feature jedoch sehr.
Auch, dass sich die Effektkette, wahlweise mit oder ohne DI-Emulation mittels Fußschalter bypassen lässt, ist durchaus eine sinnvolle Verwendung von Fußschaltern. Die günstigen Multieffekte von Zoom haben den Ruf weg, im Bypass das Signal zu verfälschen, hier darf jedoch aufgeatmet werden. Der Frequenzgang im Bypass bzw. auch mit leerem Patch ist schnurgerade.
Ebenso gut wie der Frequenzgang der Wandler ist deren Latenz, also die Verzögerung zwischen Ein- und Ausgang. Bei digitalen Geräten ist diese immer vorhanden, bewegt sich jedoch auch mit vollgepackten Patches im Bereich zwischen 1-2ms und ist damit absolut vernachlässigbar.
(Bild: Dieter Stork)
HANDS-ON
Grundsätzlich sieht das also bisher ziemlich gut aus. Auch haptisch kommt das B6 gut weg. Von der stramm sitzenden 9V-Buchse über die Stabilität des Gehäuses selbst bis zu den Fußtastern mit gerade dem richtigen Widerstand wirkt alles sehr wertig. Dass die USB-Verbindung mittels Micro-USB umgesetzt wird, ist etwas schade und nicht mehr zeitgemäß. USB-C wäre auch der Preisklasse angemessener gewesen, zumal die mechanische Verbindung stabiler ist.
Etwas haariger wird es dann, wenn es um die Bedienung des Gerätes geht. Zwar lässt sich das Display gut ablesen, jedoch ist es nicht so flüssig wie die der Konkurrenz, z.B. von Headrush. Nach jeder Eingabe muss also einen kurzen Moment gewartet werden und auch an die nicht so flüssigen Animationen muss man sich etwas gewöhnen. Insbesondere beim Verstellen der Regler macht sich dies deutlich bemerkbar, aber glücklicherweise stehen zu diesem Zweck auch klassische Drehregler zur Verfügung.
So lassen sich die einzelnen Effektblöcke, maximal sechs an der Zahl, auch gut einstellen. Vorausgesetzt, man erreicht das Menü zum Editieren. Ich weiß nicht, welche Beweggründe dahinterstehen, für jede Aktion einen eigenen Menüpunkt zu erstellen, aber durch die einzelnen Menüs zum Editieren, Austauschen, Entfernen und Hinzufügen von Blöcken wirkt das Hauptmenü etwas unübersichtlich. Dabei ist es zusätzlich umständlich, jeden Menüpunkt durch Herunterziehen des Bildschirms aufzurufen, auszuwählen und nach abgeschlossener Aktion die Menüs durch eine Zurück-Taste verlassen zu müssen.
Allerdings gibt es auch einen „Edit all“-Modus, in dem all diese Aktionen gleichzeitig möglich sind und der die anderen Menüpunkte ziemlich überflüssig macht. Das Erstellen von Patches geht um ein vielfaches frustloser von der Hand und macht sogar fast Spaß. Aus einer ausreichend großen Auswahl können nun Effekte und (Pre-)Amps zum Patch hinzugefügt werden.
Im Auswahlmenü wird dabei die für diesen Block benötigte Rechenleistung angezeigt und während einfache EQs oder Kompressoren mit einstelligen Zahlen zu Buche schlagen, veranschlagt z.B. der IR-Loader mit 41% bereits einen Großteil der Ressourcen für sich. Amps benötigen auch ihre 15-25%, woraus sich in der Konsequenz nur noch Platz für ein bis maximal zwei weitere Blöcke ergibt.
Größtenteils sind auch die ab Werk geladenen Patches bereits komplett ausgelastet. Um mehrere Sounds abzudecken, müssen also mehrere Patches verwendet werden, zwischen denen sich immerhin fast nahtlos wechseln lässt.
(Bild: Dieter Stork)
SOFTWARE
Um die ganze Editierarbeit nicht am Gerät machen zu müssen, lässt sich auch ein Computer verbinden und eine entsprechende Software verwenden. Mit dieser kann man Firmware-Updates und Backups durchführen, Patches erstellen und das ausgesprochen gut. Per Drag & Drop werden Blöcke hin- und hergeschoben und Parameter editiert. Das funktioniert alles sehr flüssig und schnell.
Ebenso gut funktioniert die Verwendung als Audio-Interface, zumindest nach Installation der ASIO-Treiber wird das B6 als Ein- und Ausgabegerät erkannt. Software-seitig ist also alles im grünen Bereich. Ähnlich sieht es bei den integrierten Zusatzfunktionen, wie dem Looper und Drumcomputer aus. Zwar wird ob des recht begrenzten Umfangs der Optionen schnell klar, dass diese eher zum Üben als für eine Live-Performance konzipiert worden sind, dafür erfordern die Funktionen quasi keine Einarbeitung.
Per Fußschalter fix in den Looper-Modus gewechselt, auf Record gedrückt und fertig. Sehr praktisch ist dabei die Funktion, Loops auf eine SD-Karte schreiben oder von dieser abspielen zu können. Über diesen „Umweg“ kann der Looper beispielsweise auch als Ersatz für den recht rudimentären Drumcomputer genutzt werden, wenn eigene Backing-Tracks auf die Karte geladen werden. Performanceorientierte Funktionen, wie einen Slicer, Reverse oder Half-/Double-Time gibt es derzeit nicht.
SOUND
Nach all dem Geschwafel über das Bedienkonzept und die Funktionen darf natürlich der Klang nicht vergessen werden. Hier bleibt sich Zoom weitestgehend treu. Das bedeutet in erster Linie, dass „Brot und Butter“-Sounds wirklich gut klingen und ohne viel Herumdrehen bereits Spaß machen. Leider habe ich keine Hardware für einen Direktvergleich vor Ort, aus der Erinnerung heraus wirken die Sounds aber nochmal deutlich dynamischer und echter als beim Klassiker B3.
Bei vielen Multieffekten sind die Werks-Patches völlig überladen, das B6 stellt hier eine positive Ausnahme dar. Natürlich gibt es auch hier abgedreht gefilterte Fuzz-Phaser oder Synths, aber tatsächlich könnte man das Gerät auspacken und bereits mit dem ersten Preset problemlos die meisten Gigs abliefern. Vom rockig eingestellten Ampeg über komprimierte 80ies-Slap-Sounds mit Chorus bis zu glasklaren HiFi-Klängen decken die Werkseinstellungen bereits das meiste mehr als zufriedenstellend ab.
Etwas schwächeln tut das Gerät allerdings, wenn es um moderne, verzerrte Sounds oder Klangteppiche geht. Während es bei Ersteren vor allem an einer Möglichkeit zum Erstellen paralleler Signalketten hapert, bieten Letztgenannte kaum Spielraum für echte, sphärische Klänge, was schade ist. Denn gerade für Spielereien und Interludes auf der Bühne konnten sich z.B. die kleinen MS-Pedale des Herstellers einen Namen machen.
Im B6 unterbrechen Delays die Wiedergabe sobald am Regler für Time gedreht wird und die Reverbs sind allesamt ziemlich kurz und beschränken sich auf Raumhall. Hier hätte ich gern den einen oder anderen Algorithmus aus dem G6 gesehen, zumal der interne Speicher für Effekte laut Software gerade erst zu etwa 70% ausgelastet ist. An dieser Stelle könnten neue Effekte in Zukunft mit einem Update nachgereicht werden. Experimentierfreudige sollten eher einen Blick auf die Produktpalette von Boss oder Line 6 werfen.
RESÜMEE
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die „normalen“ Sounds weitestgehend wirklich gut abgedeckt werden. Nach etwas Eingewöhnung gehen auch das Editieren und Erstellen von neuen Sounds gut von der Hand. Zwar ist die Palette an zusätzlichen Effekten noch recht stark auf Modulation und Filter beschränkt, diese können aber mit ordentlicher Qualität punkten.
Abzüge gibt es für etwas „platt“ klingende Synths und das begrenzte Angebot an Reverbs. Wer sich aber sowieso mehr für eine Lösung interessiert, die alles zum Üben und Aufnehmen Notwendige an Bord hat, ohne einen mit Soundmöglichkeiten zu erschlagen, könnte im B6 ein gut klingendes Werkzeug für viele Lebenslagen finden.
PLUS
● Verarbeitung
● Funktionsumfang
● solide Sounds
● Dynamik- und Modulationseffekte
MINUS
● wenig Rechenleistung
● Touch-Bedienung etwas hakelig
● Delays und Reverbs
(erschienen in Gitarre & Bass 05/2022)