Von Ratten und Lawinen

Test: Zander Circuitry Avalanche & Cranium

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Zander Circuitry Avalanche - Cranium(Bild: Petia Chtarkova)

Die Pedalboards, sie werden immer größer und enger bepackt. Der eine löst das mit kleinen und kleinsten Geräten, der andere setzt auf Pedale, die gleich mehrere Funktionen in einem vereinen – so auch Zander Circuitry mit dem Cranium und dem Avalanche.

Zander-Mastermind Alex Millar hat sich der Aufgabe verschrieben, Gitarristen (und Bassisten) mit allerlei Geräten zu versorgen, die vor allem den Gig- und Tour-Alltag einfacher machen sollen. Wir sehen uns dieses Mal die beiden Geräte Cranium und Avalanche an. Die Produktpalette der im englischen Essex ansässigen Firma, sehr übersichtlich auf der Firmen-Website einsehbar, umfasst noch einiges mehr – und alle Geräte vereinen mindestens zwei Funktionen in sich.

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Cranium und Avalanche haben jeweils die gleichen Abmessungen von 117 x 40 x 93 mm und wiegen ca. 370 Gramm, allerdings muss das Avalanche quer gedreht werden, da es ein anderes Schalter-Layout hat. Für Pedale mit mehreren schaltbaren Funktionen sind die Geräte erfreulich kompakt. Verarbeitung und Bauteile sind tadellos.

Avalanche

Zander beschreibt das Avalanche – auf Deutsch „Lawine“ – als die Lösung für Gitarristen, die mehrere Gain-Stages miteinander kombinieren wollen, aber aus Platz- oder Stromgründen gerne eine Allin-One-Lösung hätten. In dem Gerät befinden sich gleich drei verschiedene Arten von Distortion, die sich separat oder zusammen schalten lassen. Insgesamt mehr als 50 Kombinationen von Fuzz, Drive und Boost sind möglich.

Ganz rechts befindet sich Crunch, in der Mitte Drive und links Fuzz. Jeder dieser Kanäle hat einen eigenen Schalter – sie lassen sich natürlich auch alle gleichzeitig einschalten, das ist ja der Sinn der Sache! Crunch hat mit einem Mini-Toggle-Switch drei Tone-Varianten zugeteilt bekommen, wobei die Mittelstellung am meisten Höhen durchlässt, während die anderen diese unterschiedlich stark beschneiden. Der links neben dem Lautstärke-Poti sitzende Clip-1-Mini-Toggle steuert drei Clipping-Modi: Germanium, keine, oder Silikon-Dioden.

In der Mitte wiederholt sich dies bei Drive, der jedoch keinen eigenen Bright-Switch hat und lediglich mittels Clip 2 die gleichen Variationen im Zerrverhalten erlaubt. Links lässt sich der Fuzz-Kanal mit einem Fat-Schalter anpassen, um Bass-Mulm in den Griff zu bekommen – oder genau diesen zu erzeugen. Ansonsten kann man diesen Kanal nicht weiter einstellen.

Lassen wir also die Lawine mal los. In der Mittelstellung von Clip 1 und Clip 2 verhalten sich sowohl Crunch als auch Drive wie sehr „schmutzige“ Booster. Die Potis steuern die Lautstärke, dabei steigt auch der Verzerrungsgrad. Der Crunch-Kanal soll insgesamt mittenlastiger sein, für mich klingt er eher nach Germanium Fuzz Face als nach Tube Screamer. Der Sound ist haarig-bratzelig, nichts für die John-Mayer-Fraktion.

Bei Betätigung des „clip 1“-Schalters nimmt der Verzerrungsgrad sprunghaft zu – die Lautstärke reduziert sich dagegen dramatisch. Und zwar so dramatisch, dass der Modus jegliche Boost-Funktion verliert, und selbst bei Rechtsanschlag des Potis gerade an die gleiche Lautstärke wie das Bypass-Signal heranreicht. Dies lässt sich nur ausgleichen, indem man einen der beiden Kanäle – Crunch oder Drive – beim Clipping auf Mittelstellung belässt und als Booster benutzt.

Drive hat mehr Zerrreserven als Crunch, klingt ansonsten aber nicht viel anders. Der Clip-2-Schalter zeigt hier das gleiche Verhalten wie im Crunch-Kanal Clip 1. Fuzz ganz links ertönt als brachialer Big Muff, mit dem Fat-Schalter lässt sich herrlich doomen. Was passiert nun, wenn man die Kanäle kombiniert? Zunächst mal steigen die Nebengeräusche an – irgendwie logisch bei mehreren Gain-Stages – und man muss mit etwas Geduld die Regler und Schalter so aufeinander abstimmen, dass man in all dem schmutzigen Gebratzel kontrollierbare Sounds erhält. Wenn man das denn will …

Eine Anleitung wäre hilfreich – die liegt weder in deutscher noch in englischer Sprache bei. Ich fände stufenlos regelbare und nicht ganz so interaktive Tone, Gain und Volume-Potis besser als die Switcherei – andere Firmen zeigen ja, dass selbst auf kleinsten Raum mehrere Potis und Switches möglich sind.

Fazit: Für Spieler, die gerne verschiedene dreckige Fuzz-, Drive und Distortion-Optionen ineinander fließen lassen und sich am brutzelnden Sound erfreuen, ist das Avalanche genau das Richtige, man muss aber Geduld und Experimentierfreude mitbringen. Wer eine „saubere“ Arbeitsplattform für seine Crunch-, Distortion- und Fuzzsounds sucht, zum Beispiel für die Top 40- Coverband, ist hier falsch. Preis (Street): € 139

Cranium

Laut Zander ist das Cranium DAS Pedal für alle Freunde von „Nagetieren“ – wer denkt da nicht sofort an die legendäre ProCo Rat. Und genau dieses Teil – beziehungsweise seine zahlreichen Variationen im Laufe der Jahrzehnte – will Zander mit dem Cranium unter einem Dach zusammengefasst anbieten.

Der Bypass-Schalter befindet sich rechts, links lässt sich mit dem Gain-2-Switch eine zweite Sound-Ebene abrufen. Die beiden Kanäle haben jeweils ein individuelles Gain-Poti sowie ein Freq-Poti, mit dem sich laut Zander die sonst bei der originalen Rat voreingestellten Tone-Widerstände flexibel anpassen lassen. Beide Kanäle teilen sich Ton- und Lautstärke-Poti. Zudem gibt es einen 6-fach-Rotary-Schalter, mit dem sich – ähnlich wie beim Avalanche – verschiedene Clipping-Optionen anwählen lassen. Laut Zander hat man die Wahl zwischen Germanium, Silikon, Red LEDs, Mosfet, Transistor & keins.

Wenig überraschend klingt das Cranium dann genau nach der legendären Ratte, es ertönt also ein eher schmutzig-haariger, kräftiger Distortionsound, der immer so ganz knapp am Rand zum Fuzz entlangschrammt. Für Schöngeister ist das bekanntlich nichts, an die richtet sich das Cranium auch nicht – doch halt! Da ist ja noch der Rotary-Switch: Dieser verändert, genau wie die Clip-Switches beim Avalanche, das Distortion-Geschehen doch recht drastisch. Verzerrung wie auch Lautstärke sind in den einzelnen Stellungen unterschiedlich – manche eher bräsig-brutzelig, andere cremig und fast schon zivilisiert. In manchen Modi flabbert der Bass zum Beispiel nicht so wollig wie bei der alten Rat.

Je nach Schalterposition lässt sich der Ton mit den Freq-Potis mehr oder weniger stark formen. In mancher Stellung kann man mittels Gain-Regler sogar einen herrlichen, moderaten Crunch einstellen, in anderen setzt die Zerre gleich voll ein, dafür fällt die Lautstärke ab. Was macht Kanal 2? Nichts anderes: Er ist quasi identisch mit Kanal 1 – der Sinn liegt also darin, zum Beispiel einen der beiden auf Low Gain zu belassen und den anderen auf High Gain einzustellen.

Den Santana macht das Pedal aber auch bei voll aufgedrehtem Gain-Poti nicht wirklich, denn bekanntlich war (und ist) die Rat kein Sustain-Monster. Man muss schon auch recht sauber spielen, da das Cranium nichts beschönigt und verzeiht, oder man pfeift bewusst drauf. Klanglich ist das alles allererste Sahne (wenn man es geschmacklich mag). Hat man erst mal einen tollen Sound eingestellt, macht das Pedal süchtig und man verliert sich herrlich beim Old-School-Abrocken.

Mich stört nur, dass sich die beiden Kanäle Lautstärke und Tone-Poti teilen (Letzteres kann man mit den Freq-Potis ausgleichen), und ich würde mir wünschen, die Clipping-Optionen für beide Kanäle separat zu haben.

Fazit: Das Cranium ist eine klangliche Wundertüte an feister 80er-Distortion mit herrlichen Sounds, erfordert wie sein Bruder aber etwas Geduld beim Abstimmen der Kanäle – und könnte noch ein oder zwei separate Potis mehr gebrauchen, um es wirklich total flexibel zu machen.

Preis (Street): € 139

PLUS
• tadellose Verarbeitung
• inspirierende, erstklassige Sounds
• hohe Vielseitigkeit
• vergleichsweise günstiger Preis
MINUS
• keine Gain-Potis beim Avalanche
• Kanäle teilen sich Volume- und Tone-Potis beim Cranium
• keinerlei Anleitung

(erschienen in Gitarre & Bass 01/2019)

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