In die Röhre geguckt
Test: Walrus Audio Silt
von Christian Braunschmidt, Artikel aus dem Archiv
(Bild: Dieter Stork)
Das neue Silt Harmonic Fuzz von Walrus Audio ist auf keinen Fall eine Enttäuschung. Trotzdem guckt man bei diesem Pedal in die Röhre – im wahrsten Sinne des Wortes.
Das Silt ist insofern eine Besonderheit, als dass es sich hier um das erste Pedal des Herstellers handelt, in dem ein echte 12AU7-Röhre arbeitet. In Zusammenarbeit mit Jim Hagerman von Hagerman Amplification hat Walrus Audio hier Neuland beschritten. Um das Ganze optisch auch entsprechend zur Schau zu stellen, wurde dem Pedal ein Fenster aus Kunststoff verpasst, sodass das Herzstück des Schaltkreises sichtbar wird.
ZWEI DESIGNS
Neben dem Bypass-Fußschalter ist das Silt mit Reglern für Volume, Tone und Gain ausgestattet. Ein kleiner Schalter mit der Bezeichnung „Contour“ bietet die Möglichkeit, das Signal im Bassbereich zu formen. Neben der neutralen Mittelstellung ist in der oberen Position ein deutlicher Cut durch einen High-Pass-Filter zu hören, während der Sound in der unteren Stellung dank eines Low-Pass-Filters mächtig aufgepustet wird.
Über einen zweiten Fußschalter wird der Harmonic-Modus aktiviert. Um die 12AU7-Röhre, die aus der Produktion von JJ Tubes stammt, optisch in Szene zu setzen, sind seitlich kleine LEDs positioniert. Rund um das Sichtfenster ziert die Grafik eines fossilen Skeletts das Pedal – hier durfte sich Künstler Adam Forster austoben. Für etwas mehr Abwechslung ist das Silt in einer zweiten schwarzen Variante mit einem etwas schlichteren Artwork erhältlich. Die Verarbeitung des Pedals ist – wie immer bei Walrus Audio – über jeden Zweifel erhaben.
VARIABLES FUZZ
Für den Test habe ich das Gerät vor meinen clean eingestellten Test-Amp geschaltet und beginne in der neutralen Position des Contour-Schalters und mit inaktivem Harmonic-Modus. Der Ton ist ganz klassischer Fuzz-Sound, ein ziemlich ausgewogener Klang, der weder übermäßig verzerrt noch zu schwach auf der Brust wirkt. Toll finde ich, dass das Silt auf alle meine Gitarren völlig mühelos reagiert und kräftige Humbucker genauso verträgt wie eher outputschwache Single Coils.
Deutlich spezieller wird der Sound im Harmonic-Modus: Hier generiert eine Frequenz-Doppler-Schaltung deutlich mehr Obertöne, was einem klassischen Octa-Fuzz sehr nahekommt. Am deutlichsten ist die hohe Oktave zwischen dem zehnten und 15. Bund hörbar und wird abermals deutlicher, wenn man den Tone-Regler der Gitarre ein wenig zurückdreht. Je nach Stellung des Gain-Reglers wird der Sound recht komprimiert, was vor allem den Diskantsaiten zugutekommt. Im letzten Drittel des Regelwegs verdichtet sich der Sound so, dass komplexe Akkorde nicht mehr so gut aufgelöst werden, Single-Note-Linien und Powerchords aber eine beachtliche Wucht bekommen.
Um den Klang ein wenig anzupassen, ist der Contour-Schalter eine sehr große Hilfe. Schaltet man in den Cut-Modus, wird der Ton in den Bässen deutlich aufgeräumter und so verschlankt, dass vor allem Humbucker knackiger daherkommen und das Attack des Plektrums einen Schritt nach vorne rückt. Der Halstonabnehmer meiner Hagström Swede, der mir tendenziell immer ein wenig zu schwachbrüstig klingt, kann im Boost-Modus so aufgeblasen werden, dass sich fett-singende Lead-Sounds ergeben, die erstaunlich tragfähig sind.
Grundsätzlich ist der Bassbereich des Pedals immer von einer gewissen Nachgiebigkeit geprägt, die vor allem mit normal gestimmten Gitarren schön harmoniert. Lediglich sehr tief gestimmte Instrumente klangen in meinem Test ab dem tiefen H ein wenig zu diffus. Auf dem Halstonabnehmer einer um zwei Halbtöne heruntergestimmten HSS-Strat allerdings, kamen im Harmonic-Mode und mit (subjektiv) geboosteten Bässen durchaus Erinnerungen an die Super-Fuzz verliebten Fu Manchu und das überragend gute „King of the Road“-Album auf.
Obwohl das Silt mit einer eher übersichtlichen Anzahl an Regel- und Schaltmöglichkeiten ausgestattet ist, ergibt sich doch eine breite Palette unterschiedlicher, aber immer ausgesprochen geschmackvoll klingender Overdrive- und Fuzz-Sounds, die vor allem Retro- und Blues-Rock-Fans entzücken dürfte. Einen Aspekt, den man beim Kauf beachten sollte, ist der mit 300mA recht hohe Strombedarf.
(Bild: Dieter Stork)
RESÜMEE
Um es kurz zu machen: Bravo! Das Silt-Harmonic-Fuzz ist ein toller Einstieg in die Welt der röhrenbetriebenen Overdrive- und Fuzz-Pedale. Hier bekommt man ein erstaunlich vielseitiges Gerät, dass Retro-Overdrive-Fans gleichermaßen begeistern dürfte wie Freunde klassischer Octa-Fuzz-Sounds.
PLUS
● Klangqualität
● Contour-Switch
● Verarbeitung
● Octa-Fuzz-Sounds
● Vielseitigkeit
(erschienen in Gitarre & Bass 05/2024)
Schlagwörter:
Fuzz Pedal,
TESTS
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