Feines Gehölz

Test: Vidar Guitars Nauta Reverse

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Trotz meines Faibles für Vintage Gear, können mich auch neue Designs, Konzepte und Konstruktionen junger aufstrebender Gitarrenbauer:innen erfreuen. Schon auf dem Guitar Summit 2023 fielen uns die Kreationen von Thore Frerichs auf, der unter seinem Label Vidar Guitars 100% handgefertigte Custom-Gitarren präsentierte.

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Neben geschmackvollen erfrischenden Designs beeindruckten vor allem die naturbelassenen, mit Öl und Wachs behandelten Eyecatcher-Hölzer und der hohe Verarbeitungsstandard. Grund genug also, eine der Vidar-Gitarren, stellvertretend die Nauta Reverse, genauer unter die Lupe zu nehmen bzw. ans Ohr zu bringen.

GANZ OHNE PLASTIK

Die erste Inaugenscheinnahme unserer Protagonistin lässt extrem penible Verarbeitung und die handwerklichen Fähigkeiten Thore Frerichs erkennen. Dass Selbiger ein Gespür für optisch ansprechende und auch noch gut klingende Hölzer hat, beweisen der dunkel „geröstete“, gleichmäßig gemaserte Sumpfesche-Body, die 4 mm dicke, intensiv geflammte, bookmatched gefügte Eschedecke, das gematchte Kopfplattenfurnier mit Unterlage aus „dark roasted“ Esche.

(Bild: Dieter Stork)

Auch der in Höhe der Bünde 2 und 3 großflächig angeschäftete, thermobehandelte Ahornhals zeigt kontrastreiche Flammung. Um den Halsfuß, der die komplette Fräsung unter dem Hals-Pickup ausfüllt, zu verlängern und damit der Verbindung zusätzliche Stabilität zu verleihen, wurde ein Keil aus Riegelahorn angesetzt.

(Bild: Dieter Stork)

In Summe ergibt dies einen ergonomisch fließenden Übergang, der ungehinderten Zugang zu den höchsten Lagen bietet. Die Ahorn-Bindings wurden nicht einfach an die Flanken des Tiger-Ebony-Griffbretts geklebt, sondern in Aussparungen, die ein 1 mm dickes Ebenholzfurnier unter dem Griffbrett vortäuschen, welches in den Zwischenlayer der Kopfplatte überzugehen scheint, de facto jedoch vom GraphTech-Sattel unterbrochen wird.

Obwohl der Hals eigentlich alles andere als dünn ist, verstärkte Thore Frerichs ihn mit zwei 6×4 mm dicken Graphitstäben und den Übergang zur abgewinkelten Kopfplatte mit einem rückseitigen Kragen in Höhe des Sattels. Wenn ich überhaupt etwas bemängeln kann, dann die Abrichtung der Sattelkerben, die sich hinsichtlich der Saitenlage noch um den einen oder anderen Zehntelmillimeter optimieren ließen.

Über den dezenten Trussrod-Zugang hinweg erreichen die Saiten geschmeidig und präzise arbeitende Schaller M6 135 Locking Tuner. Meine Frage, warum er Mechaniken mit unterschiedlich langen staggered Beinwellen montiert hat, nämlich die drei kurzen für die umwickelten Basssaiten, die langen für die Plain Strings, antwortet Thore Frerichs: „War einfach mal ‘n Versuch.“

22 perfekt abgerichtete und inklusive der Kanten verrundete und polierte Medium-Jumbobünde verteilen sich auf dem Griffbrett. Selbstleuchtende Luminlay-Sidedots markieren die Lagen im oberen Ahorn-Binding. Um die Optik des Tigerebenholzes nicht zu stören, wurde hier gänzlich auf Markierungen verzichtet. Gut so. Als Steg kommt der Schaller Hannes 6 zum Einsatz, der sicherlich der komfortabelste und durch sein Teflon-haltiges Material haptisch angenehmste und saitenschonenste Strings-thru-body-Steg für flache Decken ist.

(Bild: Dieter Stork)

Die handgefertigten Humbucker, höhenjustierbar direkt im Korpusholz verankert, kommen vom deutschen Custom-Hersteller Holighaus und werden per CTS Mastervolume-Poti, integrierter Pull/ Push-Coilsplit-Schaltung und 3-Weg-ToggleSwitch kontrolliert. Zieht man das Poti hoch, verstummen die jeweils äußeren Spulen der Humbucker, die mit gebürsteten Black-Chrome-Nickelkappen ausgestattet wurden.

Ein 5 mm dicker Deckel aus Sumpfesche, von Neodym-Magneten gehalten, verschließt das E-Fach präzise Oberkante bündig. Eine kleine Ausbuchtung gestattet es, ihn einfach per Daumennagel herauszuhebeln. Ein ovales Zargenblech trägt die stramm packende Klinkenbuchse. Schaller Security Locks, deren Gegenstücke zum Lieferumfang zählen, sichern den Gurt.

(Bild: Dieter Stork)

 

STANDARD D-TUNING

Die 648 mm Mensur und in Standard D gestimmte D‘Addario 10-52 Saiten (Light Top/Heavy Bottom), versetzten die Konstruktion ordentlich in Schwingung und geben reichlich Sustain frei, das vom Schaller-Hannes-6-Steg wirkungsvoll unterstützt wird.

Ich greife also E-Dur in den Bünden 1 und 2 und höre D, was mit straffen Bässen, prägnanten Mitten und klaren Höhen ans Ohr dringt und ganz nebenher gesunde Balance, hohe Transparenz und Differenziertheit zeigt. Aber auch hinsichtlich Ansprache und Tonentfaltung beeindruckt die Nauta Reverse und unterstützt damit nuanciertes variables Spiel. Zudem hält sie schon unverstärkt ein breites reichhaltiges Obertonspektrum bereit und performt vorzüglich auch in Standard E-Tuning.

Während sie ausgewogen auf dem Bein ruht, gibt sie sich am Gurt etwas kopflastig. Ein wenig der Gewöhnung bedarf der mit nur 41,16 mm Sattelbreite schlanke Hals, dessen von modern-C nach D wechselndes Profil wunderbar entspannend in der Hand liegt, zumal die gewachsten, handpolierten, glatten Oberflächen ein sehr komfortables holziges Greifgefühl bieten.

Die Holighaus HDS Custom Humbucker – das Kürzel steht für „Hot Double Screw“ – wurden speziell für Down Tunings konzipiert und liefern hohe Ausgangsleistung. Während der Hals-Pickup mit einem AlNiCO-5-Magneten daherkommt, beschäftigt der Nachbar drei parallel angeordnete Keramikmagnete. Mittig zwischen den Gewindeblöcken der Polschrauben lagert der 12,5 mm breite Standardmagnet.

Zwei 5 mm breite Magnete ersetzen die normalerweise aus Holz oder Kunststoff bestehenden Distanzstücke unter den Spulen und erhöhen damit die Stärke des Magnetfeldes, was der Test mit einem Schraubendreher an den Polschrauben bestätigt.

Am cleanen Amp liefert der Hals-HB wunderbar warme Akkorde, die mit straffen voluminösen Bässen, weichen aber dennoch durchsetzungsstarken Mitten, samtigen, obertonreichen Höhen sehr lebendig, luftig transparent und dynamisch aus den Lautsprechern perlen.

Mit deutlich mehr Output, aber keinen Deut weniger straff, klar und ausgewogen, weiß sich der Steg-Pickup im Bandgefüge durchzusetzen. Insgesamt knackiger, prägnanter und noch akzentuierter kann er je nach Anschlagsintensität sanft säuseln oder auch die Zähne zeigen.

Glockig und luftig präsentiert sich auch der Simultanbetrieb beider Humbucker, der sich für Rhythmus-Strumming wie Melodiespiel gleichermaßen empfiehlt. Die Coil-Taps lassen den Ausgangspegel weitaus weniger einbrechen als ich es von Doppelspulern anderer Hersteller gewohnt bin.

Während der Klangcharakter des Hals-HBs im Grunde beibehalten bleibt, lässt die Halsspule des Steg-Pickups fender-esquen Twang erkennen. Mit hohen Outputs und tighten Bässen zeigen die HDS Custom Humbucker auch in den tiefen Registern Straffheit, Differenziertheit und präzise Saitentrennung und empfehlen sich damit nicht nur für High-Gain-Riffing sondern auch für ausdrucksstarkes sustain-reiches Soloing, bei dem man einzelne Töne nahezu beliebig in ihre Obertöne driften lassen kann.

Dank ihrer resonanzfreudigen Konstruktion und der erstklassigen Pickups zeigt die Nauta Reverse exzellente Dynamik. Die Wirkungsweise des butterweich rotierenden CTS-Volume-Potis gestattet präzise und kontinuierliche Kontrolle von Ausgangspegel und Zerrintensität.

E-Fachdeckel mit Öffnungsaussparung

 

RESÜMEE

Dass es auch in unserem Land richtig gute, innovative und experimentierfreudige Gitarrenbauer:innen gibt, dürfte sich inzwischen herumgesprochen haben. Thore Frerichs zählt unbestritten dazu. Die Vidar Nauta Reverse zeigt ansprechendes Design, wurde bis ins Detail perfekt und vorbildlich verarbeitet und präsentiert sich durch die Farbgebung der thermobehandelten Hölzer in Kombination mit der beeindruckenden Decke aus geflammter Esche und den Ahorn-Griffbrett-Bindings als echter Eyecatcher.

Sie liefert bis in die tiefen Register erstklassige dynamische Clean- bis High-Gain-Sounds. Unterm Strich steht ein Preis, den man schon als günstig einstufen kann, denn für eine vollständig handgebaute Custom-Gitarre aus Übersee muss man gut und gerne das Doppelte, mitunter auch das Dreifache auf den Tisch legen. Ein wenig gewöhnungsbedürftig ist der schmale Hals, und die leichte Kopflastigkeit dürfte keine größeren Probleme bereiten. Respekt, tolles Instrument!

PLUS

● Cleane und High-Gain-Sounds
● Ansprache, Tonentfaltung & Sustain
● Design & Konzept
● Gewachste, glatte Oberflächen
● Qualität Hölzer & Hardware
● Spielbarkeit
● Verarbeitung
● Verhältnis Preis/Leistung

MINUS

● Sattelkerben nicht optimal abgerichtet
● leichte Kopflastigkeit

(erschienen in Gitarre & Bass 10/2024)

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Immerhin satte 2.650,-€ für eine Gitarre mit Kopflastigkeit und nicht optimal abgerichteten Sattelkerben ist schon wahrhaftig deutliche eine Ansage. Aber,sorry,von Vidar Guitars habe ich bisher noch nie etwas gehört.

    Obendrein ein angeschäfteter Hals in der Nähe des Korpus,sowie ein E.-Fachdeckel mit schlichter Aussparung würden mich nicht überzeugen,solch eine Custom Made Gitarre aus Germany zu diesem Preis zu kaufen.

    Abgesehen davon,wird der evtl. Wiederverkaufswert offensichtlich nicht gewinnbringend sein,auch dann,wenn es sich hierbei um qualitativ sehr hochwertige Hölzer und gute Hardware-Komponenten handelt.
    Ich bin da doch sehr skeptisch,weil sich erfahrungsgemäß Gitarren der weltweit renommierten Hersteller in der Regel stets besser verkaufen lassen,-da zieht (nicht nur) das bekannte Markenlabel bei einem Widerverkauf. Das rege Interesse z.B. an Gibson,Fender,PRS etc. ist doch weitaus höher,als bei bislang weniger bekannten kleinen deutschen Gitarrenbauern.

    Vidar Guitars in allen Ehren,nur bleibt die Konkurrenz auch zukünftig enorm groß,und die gefordert hohen Preise für Custom Gitarren aus der einheimischen Region generell nicht unbedingt besonders attraktiv.
    Ja,sicher,es ist hinlänglich bekannt,daß die Arbeitslöhne in Deutschland besonders hoch sind,und (derzeit noch) andere relevante Sicherheitstechnische Bestimmungen in Germany existieren,-all dies gerechtfertigt m.E. aber keineswegs den global etablierten Marken-Giganten in gewisser Art und Weise Paroli bieten zu wollen.Jeder weiß doch,daß sich bis dato die Exklusivität eines berühmten Marken-Logos immer behaupten wird.

    Und bevor sich nun vermutlich die notorischen Beführworter jener deutschen Gitarrenbauer wieder einmal unnötig „künstlich“ aufregen möchten,teile ich hier vorab mit,daß ich die zweifellos sauber verarbeiteten Custom Gitarren mit besten Komponenten aus der Region durchaus respektiere,-jedoch nicht unbedingt zu den Kleinoden zählen werde. Ich besitze selbst mehre hochpreisige Custom made Gitarren etablierter Hersteller aus den U.S.A. und aus Japan,die ich,-wenn ich es wollte,stets ohne finanziellen Verlust veräußern könnte. Dessen bin ich mir ganz sicher. Teilweise sind auch echte alte Raritäten darunter. Für seltene Originale im Bestzustand werden natürlich auch immer gute Preise bezahlt. Wer würde dies ernsthaft anzweifeln wollen?!

    Und das ewig „streitbare“ Thema um gerechtfertigte Preise,sozialverträgliche ,Herstellungskosten,und Nachhaltigkeit bestimmter Hölzer,haben die „Gitarren-Giganten“ aus den U.S.A. und Asien schon längst erkannt,-denn schließlich stehen diese besagten Gitarrenhersteller faktisch immer im Focus.

    Zuletzt noch die Aussage,daß mein regionaler Gitarrenbauer im Landkreis Oberhavel/bei Berlin für seine selbst gefertigten bizarren Custom made Gitarren im Rohzustand vergleichsweise recht hohe Preise verlangt,und in Relation zu den originalen Gitarren eines Markenlabels zusehends teurer ist.

    Nun kann man ja sagen,daß heimische Custom Gitarren größtenteils Unikate sind,und individuell gefertigt werden,-jedoch steht dem Marken Logo nicht weniger die Exklusivität und der Bekanntheitsgrad entgegen.

    Wünsche allen G & B Lesern/-innen ein frohes und friedliches Weihnachtsfest!

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  2. Endlich mal wieder einen perfekt angeleimten Hals
    auf sehr gutem Klangholz!!!

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  3. ” luftig transparent und dynamisch aus den Lautsprechern perlen.”
    Was muss man zu sich nehmen um eine solche Wortwahl zu finden.
    Als ich das gelesen habe, hab ich mich vor lachen eingenässt.
    Ich glaube ich verbrenne meine Gitarren und wechsele zur Triangel.

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  4. mehr als zweieinhalbtausend Taler für eine Kindergitarre (41er Sattel) mit fragwürdigen Details, wie z.B. dem gleich an beiden Enden zusammengestückelten Hals, ist zunächst mal eine steile Ansage.

    Aber die Holzauswahl ist wirklich nice – vor allem, wenn man sich mal die Bilder auf seiner Homepage anschaut.

    Ansonsten zitiere ich gerne meinen Lieblingsgitarrenbauer:
    “Ja mei – a E-Gitarre is ja koa Gitarrenbau sondern a Schreinerarbeit.”

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  5. Ganz ehrlich gesagt,würde diese Gitarre einem einfachen „Do it Yourself-Bausatz“ eines bekannten großen schwedischen Möbelhaus sehr ähnlich sehen,-würde dieses Möbelhaus aus Schweden irgendwann eventuell auch mal billige „Discount-Gitarrenbausätze“ anbieten! Schlichtheit könnte man daher wenigstens etwas interessanter gestalten,und zu einem merklich günstigeren Preis anbieten.

    Wie das etwas besser geht,sollte einfach mal die Website von Wild Custom Guitars aus Frankreich anklicken. Zwar sind diese besagten,relativ jungen Gitarrenbauer aus dem Land des Weichkäse (laut Kritiken einiger Testberichte!) leider auch nicht immer in punkto sauberer Verarbeitung die absoluten Meister,-jedoch stimmen hier zumindest die verwendeten Edel-Hölzer und das schönere Korpusdesign. Die Preise beginnen hier aber auch ab 2.500,-€ und aufwärts,-jedoch völlig ohne zweifach angeschäfteten Hälse am Halsfuß und Headstock!

    Da bietet sich es dann doch wohl eher an,eine Custom Shop E.-Gitarre von Fender & Co. zu ordern. Schließlich bleibt hier die Wertigkeit selbst nach etlichen Jahrzehnten bekanntlich wertstabil.

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