(Bild: Dieter Stork)
Dieser Diamant 50 genannte Verstärker war der absolute Hingucker auf dem letztjährigen Guitar Summit in Mannheim. Jeder, der am Stand von URI Amplification vorbeiging, blieb wohl zumindest für kurze Zeit stehen und fragte sich, was das wohl für ein Raumschiff sei.
Die Firma URI Amplification ist noch jung und Uri hat sich – wie so viele – während der Pandenmie Gedanken über seine Zukunft gemacht. Als Gitarrist mit einem Faible für Design entschied er sich für einen kreativen Anker in seinem Leben: nämlich nebenberuflich eigene Custom-Verstärker zu entwickeln und auf den Markt zu bringen. Zusammen mit Benjamin John entstand der Diamant 50.
Als Fan von harter Rockmusik war für Uri klar, was sein Verstärker leisten sollte. Es sollte ein optisch aussergewöhnlicher, handgefertigter Vollröhrenverstärker sein, der sich tonal für die harte Gangart empfiehlt und auf Wunsch bei Bestellung optisch und klanglich individualisiert werden kann. So verfügt der Diamant 50 über eine abnehmbare Frontplatte. Damit lassen sich individuelle Designs einfach realisieren, z.B. können Materialien wie Holz oder Carbon verwendet werden.
Besonders erwähnenswert ist eine individuelle Lasergravur, mit der zum Beispiel der Bandname oder ein anderes Lieblingsmotiv in Szene gesetzt werden kann. Das technische Design entstand zunächst am Computer und dann in mühevoller Feinarbeit mit der bereits erwähnten Unterstützung von Rennsau Amps in Landshut. So viel Enthusiasmus verdient Anerkennung, denn die Triebfeder ist hier weniger der schnelle Gewinn als vielmehr Mut und Leidenschaft für eine Herzensangelegenheit. Übrigens: Ein passendes Design für einen Fußschalter sowie Boxen im „Diamant“-Stil sind bereits in Arbeit.
FEATURES UND AUFBAU
Das Testaggregat ist ein handverdrahteter Zweikanal-Röhrenverstärker in einem robusten Gehäuse aus 3 mm starkem Aluminiumblech. Die Front- und Rückseiten bestehen aus 10mm CNC-gefrästen Aluminiumplatten. Diese Platten sind durch Gewindestangen miteinander verbunden und ziehen das Gehäuse in sich zusammen, was die Konstruktion extrem stabil macht. Die 50 Watt Endstufe mit zwei KT77 Endröhren ist ultra-linear aufgebaut. In der Vorstufe arbeiten fünf Vorstufenröhren, ein in „Send“ regelbarer Effektweg ist ebenfalls an Bord.
(Bild: Dieter Stork)
Auf der Rückseite befinden sich drei Lautsprecheranschlüsse für jeweils 16, 8 und 4 Ohm, die Input-Buchse, Send- und Return-Ein- und -Ausgangsbuchsen, der Anschluss für den Fußschalter zur Kanalumschaltung, Netzanschluss, Power- und Standby-Schalter sowie der Zugang zu den drei Sicherungen. Auf der linken Seite befinden sich ein dreistufiger und kanalübergreifender „Tight“-Schalter für unterschiedliche Basswiedergabe, eine manuelle Kanalumschaltung zwischen „Clean“ und „Lead“ sowie ein „Bright“- und „Boost“-Schalter, der bei diesem Prototyp ausschließlich dem Clean-Kanal zugeordnet ist. Eine kleine rote LED leuchtet auf, wenn der Diamant 50 in Betrieb ist.
(Bild: Dieter Stork)
Auf der rechten Seite fungieren sechs Doppelpotis mit einem äußeren und inneren Drehring für die in den beiden Kanälen unabhängig einstellbare Dreiband-Klangregelung aus „Bass“, „Mid“, „Treble“. Ebenso sind „Volume“ und „Gain“ für beide Kanäle getrennt einstellbar. Mit der Doppelfunktion des Doppelpotis aus „Send“ und „Damp“ wird schließlich zum einen der Ausgangspegel des Effektweges gewählt, zum anderen kann mit dem äußeren Potiring die Endstufenpräsenz eingestellt werden. Hier heißt es dann eben „Damp“.
Die Serviceklappe für die Vorstufenplatine und die Vorstufenröhren ist vom Boden aus mit vier Schrauben zugänglich. Nach der Demontage sieht man die feine Handarbeit und fünf JJ 12AX7 Röhren kommen zum Vorschein. Der Zugang zum oberen Teil des Verstärkers ist etwas komplizierter. Eine zweite Platine mit diversen Elkos sitzt fein säuberlich im oberen Gehäuse über dem kräftig dimensionierten Ausgangsübertrager. Die beiden Gold Lion KT77 Endröhren sitzen seitlich und stabil in ihren Sockeln in einem zusätzlichen Aluminiumchassis. Auch hier ist die Verarbeitung erwartungsgemäß tadellos, es gibt nichts zu beanstanden.
(Bild: Dieter Stork)
SOUND & PRAXIS
Gönnen wir dem Diamant 50 in Verbindung mit einer 4×12-Box mit Celestion Vintage 30 nach dem Einschalten eine zweiminütige Aufwärmphase. Dann geht es los mit dem Clean-Kanal. Wie versprochen liefert der Amp einen kristallklaren Sound. Mit der dreistufigen „Tight“-Schaltung lassen sich sehr gut Anpassungen an verschiedene Pickups vornehmen. Von funky Clean mit spürbarem Bass-Cut bis hin zu bauchigen, voluminösen Jazz-Sounds in der oberen Stellung wird hier ein breites Spektrum geboten.
Die Klangregelung arbeitet sehr effektiv, so dass hier vielfältige Anpassungen möglich sind. Dennoch strahlt der Amp bei cleanen Sounds immer eine gewisse Klarheit und Neutralität aus. Eine Kopie der alten Klassiker ist er keinesfalls. Zum einen ist der Clean-Kanal wirklich clean, selbst mit aktiviertem „Boost“ und „Bright“ sowie kräftigen Pickups geht der Amp nur ganz leicht in den Breakup. Hier ist also die Richtung klar: Clean heißt wirklich clean. Für einen bluesigen Crunch braucht es schon ein Pedal davor. So ist es auch gewollt.
Zum anderen besticht der Amp durch einen sehr kräftigen Headroom, so dass der im Fokus stehende Metal-Gitarerro hier für etwaige Clean-Parts durchsetzungsstark zu Werke gehen kann. Die Verwendung von KT77 in Verbindung mit der linearen Auslegung der Endstufe unterstreicht den Headroom und den eher wenig kolorierten Clean-Sound zusätzlich. Auf jeden Fall eine souveräne Vorstellung.
URI Ampflification vermarktet den Diamant 50 in erster Linie als Hi-Gain-Amp. Das wird im Lead-Kanal auch recht schnell deutlich. Dabei will Uri nicht irgendwelche Klassiker kopieren, sondern schon seinen eigenen Sound kreieren. Der Grundsound im Lead-Kanal hat immer eine ordentliche Portion Kompression und vor allem eine gewisse Mitten-Nase, die sich im musikalischen Kontext mühelos Gehör verschaffen kann. Egal, wie man die auch in diesem Kanal effektive Dreibandklangregelung einstellt, der Mitten-Fokus bleibt stets erkennbar.
Das Gain-Spektrum reicht von leichter Zerre bis zur Hi-Gain-Vollbedienung mit jeder Menge Reserven. Dabei stecken einige Sound-Varianten im Diamant 50, die sich am besten über den „Tight“- Switch steuern lassen. In der unteren Position und mit reduziertem Gain erhält man entfernt einen britisch angehauchten Old-School-Sound mit schlanken Bässen. Dreht man nun noch „Damp“ etwas auf, wird es ein wenig kratziger, dabei aber nicht unangenehm.
Mit „Tight“ in der Mittelposition werden die Bässe straffer. Einen ordentlichen Schuss Gain hinzu und harte Riffs erhalten eine knackige Kontur. Hier lohnt sich das Spiel mit „Damp“ und der Dreibandklangregelung, denn darüber lässt sich der Sound prima in gewünschte Richtungen adjustieren. Die mittlere „Tight“-Stellung wäre meine bevorzugte Wahl. Es klingt modern mit entfernten Anlehnungen an britische Hot-Rod-Sounds, gleichwohl stets mit der eigenen Note aufgrund des erwähnten Mittenfokus. Dadurch wird auch das Umkippen in die Obertöne ein Kinderspiel.
Stellt man den „Tight“-Schalter in die obere Stellung, so treten die tieferen Bässe in den Vordergrund. Eine subtile Rectifier-Anlehnung ist zu hören. Für Riffs der oberharten Gangart sicher eine gute Ausgangsposition. Klar ist, der Lead-Kanal will richtig gekitzelt werden. Seine Stärken liegen im High-Gain-Bereich. Im Wesentlichen mit den unterschiedlichen „Tight“-Einstellungen, ergänzt mit der „Damp“- Regelung und der Dreibanklangregelung, lässt sich dieser auch in unterschiedliche klangliche Gefilde formen.
Kräftiger Cruch ist möglich, aber nicht die tonale Heimat des Diamant 50. Der will einfach abliefern und harte Riffs vor die Nase bekommen. So richtig Spaß macht der Diamant 50 dann, wenn es auch Lautstärke auf die Ohren gibt. So extravagant der Amp auch als Bedroom-Amp aussehen mag: Sein Ton braucht doch etwas Lautstärke, um sich voll zu entfalten. Noch ein Wort zur Anschlussperipherie. Der „Send“ des seriellen Effektloop regelt den Eingangs-Pegel an angeschlossene Effekte.
Mein Pedalboard, auf dem ein Hall- und Delay-Pedal für Post-Preamp-Effekte montiert sind, ließ sich prima einbinden. Auch mein Helix Stomp funktionierte nach Anpassung der Eingangs- und Ausgangspegel am Effektgerät problemlos. Positiv zu erwähnen ist zudem das geringe Nebengeräuschverhalten selbst bei hohen Gain-Einstellungen im Lead-Kanal.
(Bild: Dieter Stork)
RESÜMEE
Mit dem Diamant 50 präsentiert Jürgen Döring von der jungen bayerischen Company Uri Amplification ein außergewöhnliches Röhrentopteil. Ein extravagantes Design macht diesen Boliden zu einem Designer-Stück, hergestellt in Handarbeit in ausgezeichneter Verarbeitung.
Auch beim Sound liefert Uri Amplification in Zusammenarbeit mit Rennsau Amps aus Landshut eine eigene Note ab. Im Fokus stehen Hard-Rock bis Metal-Anwendungen, die zum einen flexible und durchsetzungsstarke Clean-Sounds benötigen und zum anderen vor allem im High-Gain Bereich agieren. Die verzerrten Sounds haben einen Mittenfokus, der im Kontext von Aufnahmen oder Liveperformance genau da agiert, wo die E-Gitarre im Frequenzgang hingehört. Je nach Einstellung sind am Horizont klangliche Nuancen mit britischen oder kalifornischen Referenzen zu vernehmen. Das eigene Sounddesign bleibt dabei stets präsent.
Für die Umsetzung seiner Vision aus Design und Sound gebührt Jürgen „Uri“ Döring auf jeden Fall Anerkennung und Respekt. Preislich spiegelt der Amp den Entwicklungsaufwand und die Handarbeit fair wieder. Der Diamant 50 ist eine Herzensangelegenheit und man kann Uri Amplification hiermit nur eine erfolgreiche Zukunft wünschen.
PLUS
● eigenständige Sounds
● Verarbeitung in Handarbeit
● Extravagantes und individuelles Design
MINUS
● (noch) kein Fussschalter inkludiert
(erschienen in Gitarre & Bass 07/2024)
über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten, deswegen fange ich mal an 😉
Mich spricht das Design nicht an. Sieht irgendwie nicht fertig aus. Keine schönen Übergänge, wirkt zusammengeschoben.
und warum die Speakeranschlüsse oben und vorne?
Die Lautsprecheranschlüsse sind auf der Rückseite und vorne sind die Potis 😉
wieso werden meine kommentare nicht veröffentlicht?
Sieht aus wie ein Thermomixer. Mich spricht das Design auch nocht an.
Erinnert mich an den “Interozitor” aus “Metaluna IV antwortet nicht”.
Sorry Gen YZ, das müsst ihr selber googeln 😂
Mich spricht die Ästhetik von dem Gehäuse durchaus an, wahrscheinlich weil ich irgendwie auf ArtDeco stehe.
Aber genau damit ist das Design definitiv nicht “zukunftsorientiert” (Zitat URI-Website) sondern eher rückwärtsgewandt – um ziemlich genau ein ganzes Jahrhundert.
Und wenn wir Design mal vom Grundsatz “form follows function” betrachten ist da ziemlich wenig funktional. Fängt schon damit an die schwersten Komponenten nach oben zu packen…
Aber mit den Werbesprüchen sind die Jungs schon ganz gut dabei.
Meine Empfehlung wär ja, dem Preis noch eine “1” voranzustellen und das Ding primär an die Zielgruppe der gitarrensammelnden Anwälte, Kieferorthopäden und Investmentbankster zu vermarkten.
Denn Im 120qm-Musikzimmer neben dem Transrotor-Plattenspieler mit goldenem Burmester-Preamp sieht der URI sicher très chic aus; vor allem wenn man ihn dann noch mit einer echten 56er-Goldtop vervollständigen kann.
Und die Andern – also Die die wirklich spielen wollen, schleppen schon lange keine schweren Eisenklumpen mehr zu irgendwelchen Gigs.
Ein guter Preamp – wenns unbedingt sein muss auch mit irgendeiner Röhre drin, damit die Seele ihren Frieden hat – Effekte hinterher und dann ab ins Pult.
Zentnerschwere Boxen tragen darf der Veranstalter selber machen.
Hm. Rein technisch gesehen, ist die Idee gar nicht mal so blöd: die empfindlichen und hochverstärkenden Vorröhren sind in einem völlig abschirmenden Metallgehäuse. Das ist gut und hält viele – nicht alle – Einstreuungen fern.
Offenbar werden Wima-Kondensatoren verbaut und keine superdupervoodooklangberauschenden Edeldinger – prima! Dass eine Ultralinearendstufe sehr clean ist, ok, das ist ja nun mal nichts Neues, d.h. der alte Wein in diesem neuen Schlauch muss seine geschmacklichen Neuheiten also im Design der Vorstufe versteckt haben. Einverstanden!
Ich frage mich allerdings doch, wie der Servicetechniker an die Endröhren ran kommt, wenn es zum Beispiel ans Einmessen (Bias? Meßbuchsen?) geht und generell, ob der Kunde dann möglicherweise angesichts des – geschmacklich – hm, nun ja – interessanten – Gehäuses ungewollt einen Zeitaufschlag blechen muss, weil man sich als Tech da bis zu den Endröhren erst einmal “hindurchgraben” muss?
Und wenn wärmeempfindliche Elkos über hitzeerzeugende Endröhren sitzen (zumindest habe ich den Werbetext so verstanden), dann frage ich mich auch, wie es mit einer gut funktionierenden Belüftung aussieht.
Da schließe ich mich dem Kommentar von #Bernhard hier einfach mal an!
Dieses „Designer Vollröhrentopteil“ wirkt zudem auch leider nicht besonders standsicher zu sein,denn wegen seiner extrem abstrakten Formgestaltung scheint es vermutlich schnell umkippen zu können.
Für satte 2.930,-€ bekommt der Verwender dann wohl ein Designer-Boutique-Amp-Topteil,das sich zunächst erst einmal in die kleine Riege der ungewöhnlich „modernen“ Modellversuche einreiht,die zumindest optisch stark polarisieren werden,und dessen Anschlüsse sich kurioserweise auf der Rückseite befinden,-was sich letztendlich nicht unbedingt als enorm praktisch erweisen wird. Und daß sich derzeit (noch) überhaupt kein praktischer Fußschalter an diesem „Teil“ befindet,wurde anscheinend wirklich vergessen.
Resümee: mir persönlich wäre dieses besagte „Teil“ aus deutschen Landen dann aber doch viel zu „modern“. „Schön“ und praktisch in der Anwendung definiere ich de facto einfach mal ganz anders. Ich bin auch sehr froh darüber,daß man als Gitarrist die freie Wahl der Verstärker hat,und nicht jeder „Moderscheinung“ aus Germany verfallen „muß!“
“Form follows function” kann man hier wohl nicht behaupten.
Es ist einfach optisch mal was anderes. Es gehört Mut dazu, so ein Design auf den Markt zu bringen, da i.d.R. Amps ja oft sehr altmodisch und einfallslos an der Optik der Amps des letzten Jahrhunderts erinnern.
Das Innenleben ist bewährte Technik.
Na ja, schön ist was anderes. Stand hier eine Kidergarten-Malerei Pate?