Britische Sound-Gene plus X

Test: Tube WorkShop Lulis Signature

Anzeige
(Bild: Dieter Stork)

SOUND

Meine Les Paul Custom wartet schon darauf, loszulegen, und als der rot beleuchtete Standby-Schalter auf „On“ springt, donnert der TWS Lulis mit Macht los. Heute starten wir, dem Thema angemessen, mit „Brett“! Im JCM-Modus und mit eingeschaltetem OD (wie gesagt: basierend auf einem alten Boss OD-1) drückt der Amp mächtig auf die Tube. Über meine 4×12 mit V30 und GT75 in X-Pattern-Bestückung werden die Achtziger wieder lebendig. Sehr direkt, bissig und sehr, sehr tight kommen die Riffs.

Dabei bietet der TWS Lulis eine Menge Flexibilität zur Feinabstimmung. Der Grundsound des JCM-Mode ist schon ordentlich spritzig und wie bei den Vorbildern aus der alten Zeit auch typisch kratzig. Mit dem Bright-Switch und dem sehr wirkungsstarken Presence-Regler kann man hier sehr deutlichen Einfluss auf die Tonschärfe nehmen. Auf Wunsch over the top, oder auch gemäßigt und weniger kratzig. Hier findet man schnell seinen Lieblingsspot.

Anzeige

Der Deep-Switch führt ordentliche Tiefbässe hinzu, so dass der TWS Lulis unten rum noch mehr schiebt. Das funktioniert auch gut mit tiefer gestimmten Gitarren und für modernere Metal-Anwendungen. Zugegeben, der ultrabrutale Sound ist nicht sein Ding, aber gleichzeitig sind Ausflüge in tief gestimmte Gefilde mit einer Prise Old-School-Flavour sehr überzeugend umsetzbar. Auch die Dreiband-Klangregelung erweist sich als sehr effektiv und erlaubt eine deutliche Klanggestaltung nach Wunsch.

Vor allem der Mittenregler ist hervorragend abgestimmt, denn er fügt dem Sound über die 12-Uhr-Position hinaus eine durchsetzungsstarke Mittenfärbung hinzu – wenn man es denn will. Nimmt man den OD im JCM-Modus aus dem Signalweg, liegen die maximalen Gain-Reserven etwa im typischen Crunch des Namensgebers. Das ist eine kräftige Classic-Rock-Rhythmuskelle. Hier fällt wieder die Direktheit auf, mit der der Amp anspricht. Dem Spieler wird nichts verziehen.

Sehr positiv ist der ordentliche Headroom, den der Amp aus 50 Watt liefert. Beeindruckend! Schalten wir in den JTM-Modus und lassen es etwas ruhiger angehen. Bei niedrigen Gain-Einstellungen ist der Amp sogar clean, also britisch clean. Eine gewisse Rauheit im Sound gepaart mit eben jenem luftigen Headroom ermöglicht hier dynamische und wohlklingende, bluesige Sounds. Hier greift man auch gerne mal zur Strat.

Mit höherem Gain werden schmatzende Breakup-Sounds herausgekitzelt. Die britisch geprägten Gene sind aber immer dabei. Gain in Vollanschlag bedeutet einen etwas milderen Crunch als im JCM-Modus. Malcolm Young hätte das sicher gefallen. Auch hier gilt: Mit dem Bright- und Deep-Switch lässt er sich in einem breiten Spektrum beeinflussen. Schaltet man nun den OD im JTM-Modus hinzu, erhält man einen satten Leadsound, der im Gegensatz zum JCM-Modus etwas gemäßigter und weniger aggressiv wirkt. Eher Siebziger als Achtziger. Auf jeden Fall eine hervorragende tonale Visitenkarte für Classic Rock.

Wichtig zu erwähnen ist, dass der TWS Lulis ein wenig Luft bewegen muss, um richtig zu aufzublühen. Dann entfaltet er seine hervorragende Dynamik und Größe im Klang. In Zimmerlautstärke als Bedroom-Amp geht das ein Stück verloren. Aber dafür ist er auch nicht gemacht. Das Teil will rocken und zumindest ein bisschen laut sein. Und ganz ehrlich. So ein Verstärker gehört schließlich auf die Bühne oder ins Studio.

Zum Schluss noch ein Blick auf den Effektweg. Mit den Post-Preamp-Effekten meines Pedalboards kam der TWS Lulis sehr gut klar. Sehr positiv ist auch das angenehm geringe Nebengeräuschverhalten bei aktiviertem OD und hohen Gain-Stellungen. Auch die A/B-Umschaltung funktioniert ohne Nebengeräusche. Sofern man den B-Ausgang nicht zum Anschluss eines weiteren Amps nutzen möchte, geht der TWS Lulis in den Mute-Modus und bleibt somit stumm. Wirklich praxistauglich ist das zweite Mastervolumen, das sich über das Fußpedal umschalten lässt. So hat man für Soli direkt einen Lautstärkeschub parat.

RESÜMEE

Die noch junge Ampschmiede von Mario Gebhardt TWS (Tube Workshop) und Uwe Lulis von Accept haben mit dem Lulis Signature Amp ein 50 Watt Röhrentop entwickelt, das ganz auf die Vorlieben des Namensgebers zugeschnitten ist: britische Sound-Gene der alten Schule plus kultiges Overdive-Pedal in einem Paket. Dabei steckt im TWS Lulis mehr als nur das Achtziger-Jahre-Metalbrett, mit dem Uwe Lulis derzeit an der Seite von Wolf Hoffmann bei Accept die Riffs schreddert.

Die beiden Preamp-Modi JTM/JCM halten, was sie versprechen: Britisch geprägte Soundkultur mit exzellenter Dynamik, zupackende und effektive Klangregelung, weitere Möglichkeiten zur Klangformung durch Bright- und Deep-Switches sowie einen „Onboard“-Verzerrer, der auf dem alten Boss OD-1 basiert, bieten jede Menge Variationsmöglichkeiten. Von cleanen, crunchigen, britischen Blues-Sounds bis hin zu kräftigem, kratzigen Crunch und auch Metal-Vollbedienung steckt eine Menge Variabilität in diesem Einkanaler.

Die direkte Ansprache, der ordentliche Headroom, die praktischen Features wie zwei Master-Volumes und der schaltbare A/B-Ausgang und nicht zuletzt die exzellente Verarbeitung in Handarbeit lassen den TWS Lulis als stimmiges Gesamtpaket für Freunde des britischen Sounds ins Ziel gehen. Sicher, mit rund 3900 EUR ist der Amp kein Schnäppchen. Aber immerhin handelt es sich um ein handgefertigtes Produkt aus Deutschland mit hochwertigen Bauteilen.

PLUS

● Sound
● Verarbeitung in Handarbeit
● praxisorientierte Features

MINUS

● JTM/JCM-Mode nicht per Fußschalter umschaltbar


Q&A mit Uwe Lulis

(Bild: faktorzwei GmbH)

Wie lief die Konzeption deines Amps und wie war für dich die Zusammenarbeit mit Tube Workshop?

Das hat alles super geklappt, vor allem das gute Teamwork. Meine Ideen und Wünsche bezüglich des Amps wurden zu 100% erfüllt. Das ist wirklich eine aufstrebende, coole und sehr persönliche Firma.

Wie würdest du deinen Sound definieren?

Mir geht es darum, den Marshall-JCM-800-Sound ins 21. Jahrhundert zu bringen. Ich mag meinen Sound auf den Grave-Digger-Alben. Das waren 50-Watt-Marshall-JCM800-Tops mit Boss OD1 davor in Marshall-Boxen mit Celestion Vintage 30, natürlich mit einer Paula dran. Dann ab durchs Analogpult und volle Attitude beim Aufnehmen.

Wie verwendest du den Amp konkret?

Da er noch ganz frisch ist, habe ich die erste Produktion damit aufgenommen, mein „Uwe Lulis Project“. Das Album kommt demnächst raus. Und natürlich meine Parts auf dem kommenden Accept-Album ‚Humanoid‘.Im Moment arbeite ich auch an Kemper Profiles vom Lulis, die demnächst erscheinen werden.

Was steht dieses Jahr musikalisch auf dem Programm?

Wir werden dieses Jahr das ganze Jahr mit Accept weltweit auf Tour sein. Die Tour wird irgendwann im Dezember enden. Dann wird das „Uwe Lulis Project“ bühnentauglich gemacht, wir werden 2025 die ersten Shows damit spielen und schauen, wohin das Schiff dann segelt. Nebenbei arbeite ich in meinem Studio und nutze jede Minute für Produktionen und Songwriting.

Danke, viel Spaß und Erfolg!

(erschienen in Gitarre & Bass 06/2024)

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Eines wird sich bei den Röhrentops wohl nie ändern: Alle Trafos immer auf einer Seite. Beim Anheben des Amps knickt dir jedesmals die Hand durch
    das Ungleichgewicht ab. Jetzt erzähle mir bitte keiner, dass der AÜ nicht weiter weg, also auf der anderen Seite sein darf.

    Ich bitte dies nur als Feststellung aufzufassen, nicht als Gemecker.

    Auf diesen Kommentar antworten
    1. Vielleicht möchte man die hohen Anoden-Wechselspannungen der Endröhren nicht neben den >unabgeschirmten< Eingangsleitungen haben?

      Auf diesen Kommentar antworten
    2. Hiwatt kaufen, die platzieren ihre Trafos etwas ausgewogener – aber bei dioppeltem Gewixcht 🙂

      Auf diesen Kommentar antworten
    3. Dann guck dir mal meine Amps an, die du unter ‘Larry Amps’ googeln kannst. AÜ links, NT rechts (von vorne betrachtet). Oder guck mal in nen Bogner Extasy, oder in nen Soldano SLO100 – nur um nur einige Beispiele zu nennen, bei denen es ‘richtig’ gemacht wurde.

      Auf diesen Kommentar antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.