Analog-Modeling 2.0

Test: Tech21 SansAmp PSA 2.0

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(Bild: Dieter Stork)

Als ich die schicke schwarze Tech21-Blechdose aus dem Versandkarton hole, erwarte ich ein Pedal im Fly-Rig-Format, doch zu meiner Überraschung ist die neue Generation 2.0 des SansAmp-Klassikers deutlich kleiner. Die Dose bietet nämlich noch Platz für ein Netzteil mit vier Wandadaptern, das Manual und reichlich Bubble-Folie.

Bereits das SansAmp-GT2-Pedal kam nach seinem Erscheinen 1989 für uns Gitarristen einer Offenbarung gleich, aber erst der programmierbare MIDI-fähige PSA-1-Preamp im 19″/1HE-Gehäuse von 1993 und sein 2005er-Nachfolger PSA 1.1 sind trotz der Konkurrenz von Plug-Ins, Kemper, Axe-FX und Konsorten auch heute noch in Recording-Studios zu finden. Mit dem völlig neu konzipierten PSA 2.0 feierte der New Yorker Hersteller im vergangenen Jahr 30th SansAmp Anniversary. Nach wie vor ist der Signalweg 100% analog aufgebaut, Steuerung und Speicherung bewegen sich auf digitaler Ebene.

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MECHANIK

Während das Aluprofil-Gehäuse mit verschraubten Seitenteilen und eingeschobenem 1-mm-Stahlblechboden Stabilität verspricht, hätten kleinere Gehäusebohrungen den Kunststoffachsen der kleinen rot leuchtenden Reglerknöpfe präzisere Führung beschert. Da die Knöpfe jedoch fast auf der Bedienfläche aufliegen, dürfte selbst ein versehentlicher Fußtritt den transparenten Poti-Achsen nichts anhaben.

(Bild: Dieter Stork)

Einen ganz anderen Eindruck machen dagegen die drei verschleißfreien Fußtaster, die über winzige Federn darunterliegende Minitaster betätigen. Mit relativ strammem Druck und gerade mal 2,5 mm Hub lassen diese sich höchst komfortabel fußhaben. Zwei manuelle Taster, einer davon aktiviert die Speaker-Simulation, der andere speichert Einstellungen und gewährt Zugang zu diversen Sonderfunktionen, komplettieren das Angebot an Bedienelementen. Auskunft über Preset-Nummern, Parameterwerte bzw. Reglerpositionen u.v.m. erteilt das leuchtstarke, dreistellige 7-Segment-Display.

Auf der Stirnseite finden wir die verschraubten Klinkenanschlüsse In und Out, sowie die Netzteilbuchse. Eine Besonderheit bietet der Output: Als TRS-Ausführung gibt dessen Spitze (Tip) das komplette SansAmp-Signal aus, während am Ring das Signal ohne Speaker-Simulation anliegt. So kann man beispielsweise bei Recordings das Signal mit Cab-Sim hören und simultan für etwaige spätere Nachbearbeitung das unsimulierte aufzeichnen.

An der linken Gehäuseseite ermöglicht eine verschraubte, 7-polige MIDI-In-Buchse nicht nur Programmwechsel, internes MIDI-Mapping und Program Dumps, sondern liefert über die Pins 1 und 3 auch 10V Gleichspannung an Tech21-Controller wie MIDI Mouse und MIDI Mongoose. Vier winzige Gummipads auf der Gehäuseunterseite bieten erstaunliche Rutschfestigkeit auf glattem Untergrund.

Unterseite: Erstaunlich rutschfeste Minifüßchen (Bild: Dieter Stork)

Bis auf Gain (Input Level) – beim PSA 1.1 noch „Pre-Amp“ – hat der Hersteller Anzahl und Bezeichnungen der Regler von diesem übernommen: Buzz, Punch und Crunch (Klangreglung und unabhängige Vorstufenverzerrung für Bässe, Mitten und Höhen), Drive (Endstufensättigung/-verzerrung), Low und High (aktiver 2-Band-EQ hinter der Endstufensimulation, +/-18dB), Level (Preset-Ausgangspegel) und Trim (globaler Ausgangspegel). Das Trim Setting ist als einziges nicht speicherbar. Zweifarbig leuchtend signalisiert dessen Reglerknopf, ob die Speaker-Simulation ein- (magenta) oder ausgeschaltet ist (rot).

SPECIAL FUNCTIONS

Über die Programmnummer 00 und einmaliges Drücken des Save-Tasters erreicht man die Special Page Functions, die neben zwei für zukünftige Funktionen reservierte Plätze (01 und 09) sieben weitere Specials anbieten.

02 = Internes MIDI Mapping. Zuweisung beliebiger interner Programmnummern zu eingehenden Programmwechselbefehlen.

03 = Preset Offset. Festlegung des Nummernbereichs 0-127 oder 1-128.

04 = Preset Protection Writer. Legt fest, welche Programmspeicherplätze gegen Löschen oder Überschreiben geschützt werden sollen: Alle, nur die Werks-Presets oder keine (Auslieferungszustand). Die Bypass-Presets 00 und 50 sind dauerhaft geschützt.

05 = MIDI Channel Select. MIDI-Kanalwahl: Omni On oder 1-16.

06 = Software Revision Number. Display zeigt aktuelle Software-Version an.

07 = Edit Pot Display Mode. Art wie das Display Reglerveränderungen gespeicherter Werte anzeigen soll:

Ziffern 0 und 1: Aktueller Wert tiefer als der gespeicherte = 0 blinkt, Wert höher = 1 blinkt, Wert identisch = beide Ziffern leuchten konstant.

Bindestriche: Wert tiefer = linker Balken blinkt, Wert höher = rechter Balken blinkt, Wert identisch = beide Balken leuchten konstant. Numerische Werte (0-127): Wert tiefer = linke Zahl blinkt, Wert höher = rechte Zahl blinkt, Wert identisch = beide bzw. alle drei Ziffern leuchten konstant.

08 = Disengage All Pots. Um versehentliches Verstellen der Potis zu vermeiden, werden alle Potis deaktiviert, wobei die gespeicherten Settings auch bei Verdrehen erhalten bleiben. Ein Editieren ist in diesem Fall natürlich nicht möglich.

Darüber hinaus bietet das PSA 2.0 die Möglichkeit, die ursprünglichen Einstellungen der Werks-Presets und Special Pages aus dem internen ROM-Speicher zu laden (Factory Reset/Restore).

PLUG & PLAY

Schließt man den Netzteilstecker an, ist das SansAmp PSA 2.0 sofort betriebsbereit, es gibt also kein langes Hochfahren oder ähnliches. Verstärken lässt sich das PSA 2.0 über Mischpult, Gitarren-Amp, FX Return (seriell) bzw. Power Amp In oder über eine separate Endstufe. Beim Start wird stets das Preset 00 aufgerufen, also der Bypass Mode. Und schon hätte ich einen Vorschlag für eine Erweiterung der künftigen Special Page Functions.

Wäre es nicht praktisch, wenn das vor dem Ausschalten zuletzt aktive Preset nach erneuter Inbetriebnahme automatisch wieder aufgerufen würde? So stünde es z.B. nach einem Stromausfall sofort wieder zur Verfügung. Zum Auswählen von Presets bietet der neue SansAmp drei Möglichkeiten, und zwar via MIDI (inkl. Mapping), schritt- oder scroll-weise über die Up/Down-Taster oder durch vorheriges Drücken des mittleren Fußtasters (Active/Search).

Während bei Wahl per Step oder Scroll das auserkorene Preset unmittelbar aktiviert wird, blinkt das Display nach der Betätigung des mittleren Tasters und erwartet eine Eingabe per Up/DownTaster. Nach dieser wird das gewählte Preset durch erneutes Drücken von Active/Search aktiviert. Beim Umschalten der Presets sind weder Dropouts noch Latenzen festzustellen. Alternativ bietet das PSA 2.0 den Performance Mode, bei dem sich beliebige Sounds den Fußtastern 1, 2 und 3 zuordnen lassen.

Die 50 überschreibbaren Werks-Presets, die die Sound-Qualitäten, klangliche Flexibilität und Schaltmöglichkeiten, aber auch die Nebengeräuscharmut des Pedals vermitteln, hat Tech21 in fünf Styles zu je zehn Beispielen unterteilt, nämlich Marshall, Fender, Mesa/Boogie, Bass und Verschiedenes. Während Bass nicht nur Amp-Klassiker, sondern auch Sounds populärer Bassisten simuliert, liefert Verschiedenes u.a. mit Fuzz Face, Triangle Muff, TS und MXR+ vier populäre Zerrpedale, mit Hiwatt, AC30 (Brian May), Pantera (Dimebag Darell) und American Woman (70er-Hit der kanadischen Band Guess Who, bekannt auch und insbesondere durch Lenny Kravitz) auch einen crunchy Tele-Simulator, einen puren Speaker-Simulator und eines der beiden Bypass-Presets.

Da das PSA 2.0 extrem dynamisch reagiert, nehmen – anders als oft bei digitalen Amp Modelings – der angeschlossene Gitarrentyp und die Spielweise erheblichen Einfluss auf den Sound. Daher empfehlen sich für bestimmte Werks-Presets auch entsprechende Gitarren bzw. Bässe. Somit bieten sich natürlich für „Stevie Ray“ eine Strat oder für „B.B. King“ eine Thinline ES an. Welche Instrumente für Schenker, Hendrix oder Van Halen 1 (alle Marshall Style) bzw. Metallica oder Santana (Mesa/Boogie Style) am Start sein sollten, dürfte also klar sein, ist jedoch keineswegs Pflicht.

Dass gleich fünf (!) Regler auf Zerrintensität und -charakter des neuen SansAmp-Pedals Einfluss nehmen, verspricht extreme klangliche Flexibilität. So erweisen sich die Regler Buzz, Punch und Crunch als kongeniale Partner von Gain und Drive, indem sie jeweils die Bässe, Mitten und Höhen nicht nur pegelmäßig sondern auch zerrtechnisch bearbeiten. Für mehr Distortion reicht hier also der bloße Griff zum Gain-Poti lediglich fürs Grobe aus.

Möchte man z.B. die Dynamik und das Durchsetzungsvermögen von Zerrsounds erhöhen, empfiehlt sich Drive, das die Endstufensättigung kontrolliert und Sounds förmlich aufblühen lässt. Die klanglich hervorragend abgestimmte Speaker-Simulation kann mit dem wirkungsvollen High/Low-EQ bearbeitet werden, der im Signalweg hinter dem Drive-Poti rangiert und auch für die klangliche Anpassung an Amp, Endstufe oder PA-System zuständig ist.

Während die überwiegende Zahl der Werks-Presets mit Klangqualität und Authentizität überzeugt und auch High-Gain-Sounds mit Transparenz und Durchsetzungsvermögen glänzen, sind nur ein paar wenige, leichte Klangkorrekturen erforderlich. Nicht ganz so begeistern können mich die Fuzz-Emulationen. Der Tube Screamer tönt wegen seines voll aufgedrehten Punch-Parameters sehr quäkig, lässt sich jedoch durch entsprechende Korrekturen problemlos in die Spur bringen.

Dank der analogen Klangerzeugung sind Latenzen kein Thema. Unabhängig vom Verzerrungsgrad bleibt die Zerrstruktur stets homogen, saftig und lebhaft, bröckelt beim Herunterdrehen des Gitarrenpotis niemals ab und gestattet auf diese Weise spontane Wechsel von Rhythmus- und Leadsounds. Trotz seines ultra-kompakten Formats lässt sich das PSA 2.0 problemlos handhaben. Es lässt sich vielfältig einsetzen, intuitiv bedienen und ist mehr als nur „das kleine Besteck“. Speichern, kopieren und umstrukturieren von Presets geht schnell von der Hand, und die Möglichkeiten der Preset-Wahl sind vielfältig. Für die praktischen Special Functions muss man zwar etwas tiefer in die Menüstruktur eintauchen, aber auch das bereitet dank des informativen englischen Manuals keine Probleme.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Mit dem neuen SansAmp PSA 2.0 beweist Tech21 erneut, dass analoge Amp-Simulationen der Modeling-Technologie locker Paroli bieten können. Gleichzeitig ist die bewährte Schaltung des PSA 1.1 in ein super kompaktes Alugehäuse umgezogen. Unterm Strich stehen Simulationen von Röhren-Amps mit homogener Zerrstruktur und satten, fetten, dynamischen, vor allem aber authentischen Sounds, die sich richtig gut anfühlen. Zahlreiche praxisorientierte Möglichkeiten von Preset-Verwaltung, -Abruf und -Sicherung runden den insgesamt überaus positiven Gesamteindruck des neuen SansAmp-Pedals ab. Ich frage mich, ob sich die Anordnung und Beleuchtung der Reglerknöpfe und einer der beiden freien Special-Page-Function-Plätze nutzen ließe, um noch einen Tuner zu implementieren…

Ich neige ja selten zu Euphorie, aber beim PSA 2.0 kann ich einfach nicht anders. Tolles Teil!

PLUS

  • authentische Röhrensounds
  • Ansprache & Dynamik
  • Transparenz & Durchsetzungskraft
  • nebengeräuscharm
  • Bedienung
  • kompaktes Format
  • Verarbeitung
  • Preis/Leistung

MINUS

  • wackelnde Potis

(erschienen in Gitarre & Bass 06/2020)

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