Up The Irons!

Test & Tech-Talk: Tech 21 Steve Harris SH1

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(Bild: Dieter Stork)

Durch den Scan eines Interviews aus einem japanischen Magazin, erfuhr ich erstmals von diesem Pedal. Dort wurde Steve Harris, hauptamtlich Bassist bei Iron Maiden, anlässlich der Tour seiner Zweit-Band British Lion befragt und auch sein Equipment gezeigt. Mit dabei: Ein kleines Pedal von Tech 21 in Blau mit Westham United Logo…

„Kennst du das?“ fragte mich ein Freund, der jede Nuance von dessen Spiel und Auftreten aufgesogen und verinnerlicht hat. Ich musste passen, bis kurz danach Tech 21 anfing, einen neuen kleinen SansAmp-Preamp zu teasern… der sich dann als das Signature-Pedal SH1 entpuppte – mit leicht verändertem Styling: So ersetzt ein dezent derangierter Union Jack das Westham Logo, bei identischem Layout. Danach dauerte es noch mal vier Monate, bis der Kasten endlich bei mir landete. Hat sich das Warten gelohnt?

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CAN I PLAY WITH MADNESS?

Wer Steve Harris kennt, weiß natürlich, dass er zuvorderst Bassist und Chef bei Iron Maiden ist. Die Hauptkomponenten seiner Anlage sind seit Jahrzehnten konstant, eine auf einem Transistor-Hiwatt basierende Vorstufe, fette, längst nicht mehr erhältliche Endstufen und mit Electro-Voice-Zwölfern bestückte 4x12er-Marshall-Boxen. Nun ist Steve aber auch mit seinem Nebenprojekt British Lion in deutlich kleinerem Rahmen unterwegs. Mit der Frage, wie man den Sound seines großen Rigs transportabel machen könnte, hat er sich an Tech 21 gewandt, die reichlich Erfahrung mit SansAmp und Fly Rigs haben.

Wie von anderen Tech-21-Pedalen schon gewohnt, haben wir es mit einem robusten Metallgehäuse zu tun. Die kleinen transparenten Potiknöpfe sind durch die durchsichtigen Potiachsen von innen beleuchtet, und zwar Union-Jack-gemäß in Blau, Rot und Weiß. Sobald das weltweit einsetzbare Netzteil Strom liefert, leuchten Level 2 und Gain 2 in freundlichem Rot. Der Taster 1-2 links schaltet auf Level 1 und Gain 1, die in kühlerem Blau daherkommen, „On“ in der Mitte lässt alle anderen in neutralem Weiß aufleuchten. Damit ist auch auf der finstersten Bühne beste Ablesbarkeit und Kontrolle gewährleistet!

Die Klangregelung übernehmen vier Regler in der etwas kuriosen Anordnung High (3 kHz), Low (50 Hz), Mid 2 (500 Hz) und Mid 1 (200 Hz). Ungewohnt, man wird aber schnell warm damit. Der Blend-Regler mischt zwischen vollem Pedalsound auf Rechtsanschlag und fast reinem Basssignal auf Links. Fast rein, weil die Level-Regler die Lautstärke vorgeben, und der Mid-2-Regler auch hier aktiv ist. Aber wer würde schon das Pedal nutzen, um dann dessen Sound komplett ausblenden?

(Bild: Dieter Stork)

Drei kleine Schalter komplettieren die Ausstattung: ein Ground-Lift für den symmetrischen XLR-Ausgang hilft bei Brummschleifen, Speaker-Simulation aktiviert ebenjene sowohl für den D.I.- als auch für den normalen Klinkenausgang. Hier lässt sich in der Not zum Üben übrigens auch ein Kopfhörer anschließen, am besten mit Adapter auf Monoklinke, damit beide Seiten ein Signal bekommen. Last but not least ist der „Bite“-Schalter derjenige, der den typischen „Steve“-Boost bringt.

ACES HIGH

Vor dem Klangtest ziehe ich selbstverständlich eine gestreifte Spandex-Hose an und hänge mir einen gepflegten Preci um, mit dem man Steve vornehmlich assoziiert (und ja, ich weiß, dass im ‚Aces High‘-Video ein Lado zu sehen und wahrscheinlich auch zu hören ist…). Wie von Tech 21 gewohnt, gibt es im guten englischen Manual reichlich Einstellvorschläge, also fange ich direkt mit Steves persönlichem Setting an und – Donner und Doria! – es klingt nach Steve Harris!

Ein durchaus fetter Ton, dessen prägendste Charakteristik, dank des aktivierten Bites, ein ordentliches Geklacker ist, wie es der Meister mag. Mit diesem Ton setzt man sich auch gegen gleich drei Gitarristen durch, wie Steve zeigt. OK, Chef der Band zu sein, hilft vielleicht dabei …

Nun ist dieser Sound nicht nur sehr typisch und im Metal-Zusammenhang wirklich großartig, er ist auch nicht jedermanns Tasse Tee. Aber zum Glück ist das Pedal ja keine Black Box, die ohne Einflussmöglichkeiten auf den Klang nur An und Aus kennt. Wenn ich Bite rausnehme, wird das Ganze gleich viel zahmer. Auch die Gain-Struktur ändert sich etwas, der Boost liegt also vor dem Gain-Regler.

Steve Harris ist ja nicht wirklich für verzerrte Bass-Sounds bekannt, die kann man mit dem SH1 aber problemlos hinbekommen. Dabei reagiert das Pedal gut auf die Anschlagsdynamik, gerade bei höheren Zerrgraden glänzt der Blend-Regler mit präziser Kontrolle über die Mischung mit dem cleanen Bass-Signal. Die Speaker-Simulation lehnt sich laut Steve natürlich an seine geliebten EV12er in Marshall 4×12-Cabs an und macht den Ton dichter und fetter mit definiert stabilem Bass. Die Färbung ist so gut gewählt, dass ich sie immer drin lasse, selbst wenn ich über Klinke in eine normale Bassanlage gehe.

Oft klingen doppelte Speaker-Sounds in Reihe (simuliert plus echt) nicht mehr gut, das ist hier kein Problem. Großartig ist die zweikanalige Auslegung des Pedals. Rein optisch dachte ich, Kanal 2 wäre heißer ausgelegt, aber da haben mich einfach die „heißen“ roten und „kühlen“ blauen LEDs gefoppt. Tatsächlich sind beide identisch. Optimal um einen cleanen und einen crunchig bis verzerrten Sound einzustellen, oder zwei unterschiedlich zerrende, oder zwei unterschiedlich laute cleane…

Die Klangregelung teilen sich beide, was aber überhaupt kein Problem darstellt. Low setzt dabei relativ hoch an, High relativ tief, eher auf traditionellen Rock zugeschnitten, denn auf das Ausleuchten der äußersten Ecken, während die beiden Mittenregler Knurr und Holz ins Visier nehmen. Das Prinzip funktioniert aber prächtig und verleiht dem Pedal eine ungeahnte Flexibilität. Und selbstverständlich arbeitet das Pedal auch mit anderen Bässen als Precis wunderbar zusammen, passiv wie aktiv, vintage wie modern.

Steve Harris: Bassist bei Iron Maiden und British Lion (Bild: EMI)

RESÜMEE

Wie zufrieden Steve selbst mit dem SH-1 Pedal ist, erkennt man daran, dass es keineswegs nur bei British Lion zum Einsatz kommt, sondern mittlerweile auch bei Iron Maiden. Und auch mich hat es vollends überzeugt: Wie versprochen bringt es DEN Steve-Harris-Ton auf den Punkt, in einem Format, das in jedem Gigbag oder Reisegepäck Platz findet. Aber es ist kein One Trick Pony, vielmehr bietet es ein breites Feld an klassischen Sounds. Das, in Kombination mit den beiden Gain- und Level-Reglern, sowie dem sauber arbeitenden Stimmgerät, ergibt ein wirklich nützliches Werkzeug für viele Gelegenheiten – vor allem, aber bei Weitem nicht nur im Bereich Rock und Metal.

Der Preis ist allerdings auch eine Ansage und nach Liste auf einem Niveau mit den größeren und aufwendigeren Fly Rigs. Geht für mich angesichts des Gebotenen gerade noch klar, also trotzdem definitiver Anspieltipp!

PLUS

● Konzept
● Sounds
● Größe & Gewicht


TECH TALK

Iron-Maiden-Techniker Michael Kenney und rechts Tech-21-Gründer Andrew Barta

Der New Yorker Effekthersteller Tech 21 hat sich in den letzten Jahren darauf spezialisiert, Sounds von der großen Bühne in kompakten Geräten unterzubringen. In Zusammenarbeit mit internationalen Größen wie Richie Kotzen, Paul Landers, Geddy Lee oder Doug Pinnick, sind dabei Signature-SansAmps und -Fly-Rigs entstanden, die auch Iron-Maiden-Bassist Steve Harris und seinen Techniker Michael Kenney hellhörig gemacht haben.

Wir haben Michael und Tech-21-Gründer Andrew Barta auf der NAMM Show getroffen, wo sie uns ausführlich von der Entwicklung des neuen SH1-Preamps erzählten…

Was bringt ihr Neues zur NAMM 2020?

Andrew: Den Steve Harris Signature Preamp Tech21 SH1. Dazu gibt’s eine interessante Geschichte. Wir bekamen einen Anruf von Steves Techniker Michael Kenney. Steve wollte mit seiner Zweitband namens British Lion auf Tournee gehen, aber es gab Probleme mit dem Equipment. Denn Steves Iron-Maiden-Setup ist für ein Stadion ausgelegt. Wenn British Lion in kleinen Clubs spielen, ist er sehr frustriert, weil er seinen Sound nicht hinbekommt. Was sein gewohntes Live-Besteck angeht, ist Steve allerdings sehr konservativ und möchte nichts verändern.

Michael sah, dass Tech 21 bereits mit Geddy Lee, Richie Kotzen und Doug Pinnick zusammengearbeitet hat und fragte, ob wir etwas entwickeln können, was Steves monströsen Sound über einen D.I.-Out abbildet. Damit er auch in kleinen Locations immer noch unverwechselbar nach Steve Harris klingen kann. Schließlich ist er ein einzigartiger Typ: Er spielt einen P-Bass mit sehr dicken Flatwounds, die scheppern wenn er reinlangt und dir dieses rhythmisch galoppierende Gefühl vermitteln.

Und er spielt Electro Voice Lautsprecher, was auch nicht gewöhnlich für Bassisten ist.

Andrew: Richtig! Das war einer der wichtigsten Punkte, die Michael angemerkt hat. Wir hatten in der Vergangenheit viel Entwicklungsarbeit in die Electro-Voice-Speaker-Simulation unseres GT2 Amps gesteckt. Aber der Lautsprecher ist nur ein Bestandteil des Sounds. Michael musste für uns herunterbrechen, welchen Preamp Steve nutzt, welche Endstufe, einfach alle Bestandteile des Rigs – und selbst das hat nicht gereicht!

Es war die Kopie eines Hiwatt-Preamps, der nicht mehr hergestellt wird. Obendrein wurden einige Frequenzen modifiziert. Man konnte nicht einmal sicher sein, ob die Frequenzen, die auf das Bedienelement gedruckt waren, korrekt sind. Außerdem altern Komponenten wie Kondensatoren und ihre Werte ändern sich. Unser Ziel war es, einzufangen, wie Steves Setup heute klingt.

Also habe ich Michael Soundfiles geschickt, Frequenz-Sweeps und weißes Rauschen, die er über Steves Rig laufen ließ und für mich aufnahm. Das Ergebnis konnten wir genau analysieren und auf dieser Grundlage die Signalkette nachbauen.

Fun Fact: Steve glaubte immer, dass er sehr clean spielt. Aber nachdem ich einige Live-Videos sah, sagte ich ihm: Das ist nicht clean – du übersteuerst die Endstufen! Transistor-Endstufen! Nicht besonders stark, aber gerade genug, dass etwas Dreck ins Spiel kommt.

Michael: Ich glaube, dass es auch am Preamp liegt. Steves Rig läuft eigentlich gar nicht im Grenzbereich. Wenn andere Leute es anchecken, heißt es meistens „Wow, es klingt so clean!“, denn es ist kein Verzerrer im Spiel. Der Iron-Maiden-Live-Sound basiert auch darauf, wie Steves Spielweise mit dem handgefertigten Preamp korrespondiert, der immerhin stolze 40 Jahre alt ist.

Jetzt wo Steve begriffen hat, dass er doch mit etwas Verzerrung spielt …

Michael: … es ist ihm immer noch nicht bewusst (lacht)…

… aber stellst du für ihn die Intensität ein?

Michael: Nein, die Verzerrung ist grundsätzlich im System. Erst als ich spaßeshalber daran bastelte und sie rausnehmen konnte, wurde mir klar, wie viel Drive in der Signalkette tatsächlich zusammenkommt – es liegt einfach am Aufbau des Rigs. Steve befeuert 16 Electro-Voice-Zwölfzöller mit einigen tausend Watt.

Andrew: Ich schlug deshalb vor, dass wir dem SH1 einen Clipping-Regler spendieren. Damit man entscheiden kann, ob man etwas Drive beimischen möchte.

Michael: … man kann ihn allerdings auch richtig hart in die Verzerrung fahren! Auch wenn wir das für Steve nie vorgesehen hatten – die Option ist da.

Andrew: Steve hat nun mal diesen scheppernden Anschlag und mit zu viel Overdrive geht der verloren. Ein anderes Problem, vor allem Live, waren bei ihm immer die hohen Frequenzen. Am Equalizer musste er sie z. B. voll aufdrehen, was zu Nebengeräuschen führt.

Michael: Manchmal mussten wir sogar zusätzlich einen Aphex Exciter einsetzen, weil der originale Preamp nur +12dB Höhen-Boost zuließ. Denn wenn Steve anfängt zu schwitzen, klingen seine Flatwound-Saiten irgendwann tot. Der Preamp gibt nicht mehr Höhen her, deshalb musste ich das kompensieren.

Andrew: Der SH1 bietet nicht nur +18dB Höhen-Boost, sondern auch einen speziellen „Bite“-Switch, quasi den „Steve-Knopf“. Der Preamp hat sich auf der British Lion Tour super geschlagen. Iron Maidens FOH-Toningenieur Ken „Pooch“ Van Druten nutzt ihn nun sogar als D.I.-Box für große Bühnen, neben mikrofonierten Rigs. Weil er vom SH1 ein sehr sauberes Signal bekommt. Damit gehören Bühnengeräusche und Zischen der Vergangenheit an.

Michael: Der Bass-Sound wird live aus mindestens drei Kanälen gemischt.

Andrew: Übrigens sieht Geddy Lees Setup ganz ähnlich aus. Er hat meist drei Kanäle: ein Fullrange-D.I.-Signal, dann ein Rig für sauberen Tiefton und eines für dreckige Höhen.

Und hat der SH1 Preamp Steve auf der Bühne überzeugen können?

Michael: Steve wusste lange Zeit nur, dass der SH1 in der Mache ist, mehr aber nicht. Als er dann fertig war, sagte ich nur: „Hier, probier das!“ Er war richtig begeistert. Und er ist wirklich nicht leicht zu begeistern (lacht).

Wir haben den SH1 dann für die ganze Tour benutzt, sogar mit Ampeg SVTs – und wir hassen SVTs (lacht). Manche der neueren Modelle haben vernünftige EQs, aber mit klassischen SVTs kommen wir nicht klar. Du brauchst vier EQ-Bänder für Steves Sound, denn wir senken die unteren Mitten ab und boosten gleichzeitig die oberen Mitten. Alte SVTs geben dir nur die eine, oder die andere Option. Das erste was ich sage, wenn jemand ein neues Gerät designt, ist: Es muss einen 4-Band-EQ haben.

Danke für das Gespräch und die Einblicke!

(erschienen in Gitarre & Bass 04/2020)

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