Vollbedienung auf engstem Raum

Test: Tech 21 V2-Fly-Rigs & Power Engine Deuce Deluxe

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(Bild: Dieter Stork)

Mit den Fly Rigs hat Tech 21 vor fünf Jahren für einen Paukenschlag gesorgt. Mittlerweile sind die Urform und Richie Kotzens Signature-Riegel in der zweiten Generation erhältlich. Was sind die Unterschiede? Und: Mit der Power Engine bietet die US-Company eine passende Aktivbox an.

Geräte wie die Fly Rigs sind ideale Tools, wenn man schnell und leicht eine breite Palette an Sounds auffahren will. Mit ihren superkompakten Abmessungen und einer dennoch üppigen Ausstattung passen sie in viele Gigbags und Gitarrenkoffer und fallen mit gut 500 Gramm auch nicht sonderlich ins Gewicht. Je nach Anwendung können sie als komplettes Rig inkl. Soundformung zur Direktabnahme, als Pedalboard vor einem Amp oder als Aufnahme-Tool eingesetzt werden. Oder einem einfach nur als Luxus-Spare den Rücken und Kopf freihalten.

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Bei der neuen Generation hat Tech 21 auf Anregungen reagiert und einige Features späterer Fly-Rig-Varianten integriert, die V2-Versionen sind dadurch noch mal ein gutes Stück flexibler geworden. Zwei der fünf Haupttaster wurden dabei mit Doppelfunktionen ausgestattet, dazu kommt eine Reihe von Mini-Switches, die die erste Generation nicht aufbieten konnte. Schauen wir uns die wesentlichen Updates und Verbesserungen an, die dem Spieler jetzt noch mehr Optionen an die Hand bzw. den Fuß geben.

Doch bevor wir das tun, ein Wort zur Hardware: Beide Boards machen in ihrem Metallgehäuse einen sehr soliden, hochwertigen Eindruck, auch die edle, ebenfalls metallische Verpackung überzeugt. Damit die neuen Versionen quasi rund um die Welt einsetzbar sind, wurde ihnen eine flexible Stromversorgung implantiert, die sich an Netzspannungen von 100 bis 240 Volt anpasst, und dazu vier verschiedene Steckeraufsätze beigefügt. Zu den wesentlichen Neuerungen beider Geräte gehören ein Tuner mit dem entsprechenden Display, ein separat schaltbarer Hall mit zwei Raumgrößen sowie ein symmetrischer XLR Output. Gleich geblieben ist der Aufbau: Mit je drei unterschiedlichen Boost-/Zerrstufen können sie eine breite Palette an Grundsounds abdecken, die dann mit Effekten feingetunt werden können. Hier sind beide Versionen individuell aufgepumpt worden und bieten zahlreiche weitere Optimierungen auf – die neben den unterschiedlichen Charakteren für eine Tendenz bei der Auswahl sorgen könnten. Beginnen wir mit dem Standard-Fly-Rig.

Fly Rig5 V2

(Bild: Dieter Stork)

Schon die Sample-Settings im Manual – von David Gilmour und The Edge über SRV und die Black Crowes bis hin zu Van Halen – lassen darauf schließen, dass die silbrig-graue Planke eine weites Spektrum abdeckt und sich dabei bis auf Hardrock-Territorium wagt. Im Zentrum steht die SansAmp-Sektion, die mit dem Klangcharakter des hauseigenen „Blonde“-Pedals daherkommt, also in die fendrige Richtung weist. Sie ist mit einem 3-Band-EQ und Reglern für Drive und Level ausgestattet. Die einhergehende Speaker-Simulation kann jetzt, ebenso wie beim Pedal selber, ausgeschaltet werden, diese Einheit kann also auch beim Betrieb mit einem Amp ohne Einschränkungen verwendet werden. Auch die Drive-Sektion mit Mini-Potis für Level, Tone und Drive ist um einiges flexibler geworden. Neben dem britischen Crunch im Plexi-Modus steht mit der schaltbaren „Cali“-Variante eine dichtere High-Gain-Option zur Verfügung, dazu kann der Boost mit bis zu 12-dB-Anhebung jetzt virtuell entweder an den Anfang (für mehr Verzerrung) oder das Ende (mehr Lautstärke) der Signalkette gestellt werden. Die „Hot“ genannte Option der Urform war auf die „Pre“-Position festgelegt.

Eine weitere sinnvolle Neuerung ist die Effekt-Loop, über die man bei Bedarf ein oder mehrere Einheiten zuschalten kann, die das Fly Rig nicht in sich trägt und/oder auf die man nicht verzichten mag. Sie liegt im Signalweg hinter dem SansAmp und vor den internen Effekten Hall und Delay. Diese Delay-Einheit simuliert wie beim Vorgänger ein altes Band-echo und liefert dabei Verzögerungszeiten von 28 bis 1.000 Millisekunden. Der ursprünglich enthaltene Drift-Regler für die Modulation des Effektsignals wurde hier durch einen kleinen Schalter ersetzt – der Effekt ist jetzt also entweder ganz oder gar nicht aktiv und nicht mehr stufenlos untermischbar – dafür wurde diese Sektion mit einem weiteren Schalter ergänzt, der die Wiederholungen von Viertel auf punktierte Achtel variiert. Die beiden Regler für den Effektanteil und die Zahl der Wiederholungen sind geblieben. Abgeschlossen wird die Effekteinheit mit dem bereits erwähnten Reverb-Poti und dem Größenumschalter namens „Size“.

Letzter im Bund ist der Ground-Lift-Schalter für den XLR-Ausgang. Der Hall hat bei beiden Fly Rigs einen eigenen Fußschalter bekommen. Hier teilt er ihn sich mit der Tap-Tempo-Funktion, in der Kotzen-Ausführung mit dem Tuner-Modus. Bei dieser Ansammlung von Merkmalen kann man sich schon fast denken, dass das Fly Rig ein kleiner Alleskönner ist, der ein breites Feld bedient: ob runde Cleansounds mit Hall und Delay, kratzige Rockriffs oder singende Sololinien – das Fly Rig liefert. Und das schnell und recht einfach, lediglich mit den einzelnen Zerr-Komponenten muss man gegebenenfalls ein wenig experimentieren, um zum gewünschten Resultat zu kommen. Für solche Sounds war früher ein fettes und schweres Board vonnöten, hier versammelt sich alles auf der Strecke eines mittellangen Unterarms.

Wer im großen Spektrum von Pop und Rock zu Hause ist, findet mit dem Fly Rig ein überzeugendes Kompaktboard für eine Vielzahl von Fällen. Für Freunde härterer Klänge hat Tech 21 mit dem Signature-Pedal von Rammstein-Gitarrero Paul Landers eine vielleicht passendere Option im Programm – und dann ist da ja noch die aktuelle Version von Richie Kotzens Fly Rig.

Fly Rig RK5 V2

(Bild: Dieter Stork)

Richies Signature-Mini-Board unterscheidet sich nicht nur durch eine kräftigere Gain-Struktur von der Standard-Version, sondern auch durch andere Ausstattungsdetails, die wir hier aus Platzgründen nur anreißen können: Der Boost ist in seiner Position nicht veränderbar und sitzt am Anfang der Kette, in zweiter Funktion hält er einen Kompressor bereit. Die OMG-Drive-Sektion bietet außerdem die Möglichkeit, den Charakter in Richtung Fuzz umzuschalten – dies ist allerdings eine der moderaten Ausführungen und liefert eine voll nutzbare zweite Klangoption, ohne früh ins Bröselige zu kippen. Die SansAmp-Einheit kann hier nur mittels Mini-Switch zu- und abgeschaltet werden, dafür enthält die Delay-Sektion mit „Roto“ einen weiteren, Leslie-artigen Effekt. Wird er aktiviert, verstummt das Delay und von den Reglern bleibt nur noch „Drift“ aktiv, der den Abstand des virtuellen Mikrofons vom virtuellen Lautsprecher steuert. Im Gegensatz zur Normalversion bietet sich der RK5 auch zum Betrieb mit Kopfhörer an. Über einen entsprechenden Mini-Schalter wird der Klinken-Output mit mehr Pegel belegt. Mit diesen Funktionen und dem mehr an Zerre präsentiert sich das Pedal als eine gute Alternative zum „normalen“ Fly-Rig.

An dieser Stelle noch ein paar Worte zu den Einschränkungen des Konzepts: Viele Funktionen auf kleinstem Raum sorgen zwangsläufig dafür, dass die Übersicht leidet. Tech 21 hat hier – etwa mit verschieden beleuchteten Potis – sehr viel Hirnschmalz investiert, trotzdem bedeuten fünf Haupttaster und 13 Mini-Potis (beim RK5 sind es sogar 14), dass der Raum hochverdichtet ist und man bei schummerigem Licht oder in hektischen Situation schon mal den Überblick verliert oder zwei Schalter gleichzeitig erwischt. Doch das sollte nicht unbedingt als Kritik gewertet werden, sondern als neutrale Anmerkung bei all den Möglichkeiten des Gerätes. Auch die etwas fummeligen Mini-Potis dürften dem einen oder anderen Anwender zu labil erscheinen. Aber auch hier gilt: beides geht nicht.

Power Engine Deuce Deluxe

Tech 21s Luxus-Minis können nicht nur in einen Gitarren-Amp, ein Mischpult oder eine Aufnahme-Unit laufen, mit der Power Engine haben die New Yorker einen passenden Universalverstärker im Programm, der sich darauf beschränkt, das Signal laut zu machen und dabei keinen Eigenklang beisteuern soll. Er ist mit einem 12″-Lautsprecher bestückt und liefert eine Leistung von bis zu 200 Watt.

(Bild: Dieter Stork)

Mit aktivem 3-Band-EQ, schaltbaren Low- und High-Pass-Filtern und einem weiteren Switch zur Pegelanpassung sowie einem zuschaltbaren Horn, bietet er sich sowohl für Gitarren und Bässe als auch für andere Instrumente wie Keyboards an. Durch zwei Bassreflex-Öffnungen liefert die knapp einen halben Meter hohe und breite Kiste dabei auch untenrum genügend Schub.

Mit 13 Kilo Gewicht ist sie zudem recht leicht und damit einfach zu transportieren. Damit eignet sie sich etwa als Monitor bei gleichzeitiger DI-Abnahme der SansAmps oder als klangneutrale Hauptverstärkung auf kleineren bis mittleren Bühnen.

Resümee

Die beiden Fly Rigs sind beeindruckende „Verdammt-viel-Könner“, die für einen Ladenpreis von unter € 400 extrem viel zu bieten haben – ob nun als Haupt-Soundmacher oder als hochwertiger Ersatz für ein größeres Setup. Dank der Updates lassen sich beide Versionen jetzt noch flexibler einsetzen. Ob man dabei die klassische Variante oder Richie Kotzens Interpretation vorzieht, bleibt nicht nur eine Sache der persönlichen Sound-Vorliebe, sondern auch eine Frage der gewünschten Ausstattungsdetails. Die Power Engine sorgt bei Bedarf für die nötige Verstärkung und vervollständigt dann ein äußerst kompaktes Fullrig. Dabei dürfte den meisten Zuhörern im Publikum gar nicht auffallen, dass der gesamte Sound aus einem ultrakompakten Miniboard herausgespielt wird. Nicht nur für Viel-Live-Spieler sind beide Updates eine echte Option.

PLUS

  • viele Optionen auf kleinem Raum
  • Sounds
  • Preis/Leistung
  • sinnvolle Updates

MINUS

  • bauartbedingt Abstriche bei der Bedienung

(erschienen in Gitarre & Bass 01/2020)

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