.strandberg* Gitarren waren schon immer etwas Besonderes. Eigene Hardware, proprietäres Halsprofil, Fanned Frets … alles ausgelegt auf Ergonomie und beste Spielbarkeit. Klingen tun sie übrigens auch. Und dank Fertigung in Fernost sind sie nun auch halbwegs bezahlbar.
Ich erinnere mich noch gut, als ich 2013 überlegt habe, mich auf die Warteliste für ein Made-to-measure-Instrument von .strandberg* setzen zu lassen … Hätte ich mal … Aber für alle, die ähnlich denken und dennoch in den Genuss der tollen Features kommen wollen, bietet die schwedische Firma nun auch Gitarren aus Fernost an. Eine davon – die Boden Metal 6 aus koreanischer Fertigung – schauen wir uns heute mal genauer an.
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hardware und verarbeitung
Da ich ja schon mal in den Genuss gekommen bin, eine .strandberg* zu testen (damals aus der USA-Fertigung, welche es nun schon eine Weile nicht mehr gibt), wusste ich auch um die Besonderheit des EndurNeck-Halsprofils. Als ich dann letztens auf der Suche nach einer Gitarre mit EndurNeck und Fanned Frets war, gab es genau einen Hersteller, der dies anbot: Genau! .strandberg*!
Die patentierte Halsform wird mittlerweile nicht mehr an andere Hersteller lizensiert, und so muss man wohl oder übel eine Strandy kaufen, wenn man sich hier zu Hause fühlt. Wenn du noch nie einen EndurNeck in der Hand hattest und dich nun fragst, was das besondere sein soll: Durch flache, statt runder Flächen soll dem Daumen eine angenehmere und entspanntere Auflage zum Greifen geboten werden. Da die Ebene, welche parallel zum Griffbrett verläuft immer weiter Richtung Diskant-Saiten verschoben wird, je höher man sich auf dem Griffbrett bewegt, wird automatisch die (klassische) Handhaltung unterstützt.
Die Fanned Frets sollen für eine gleichmäßigere Tonentfaltung über alle Saiten sorgen und finden sich ja mittlerweile auch auf Seriengitarren anderer Hersteller, wie beispielsweise Ibanez. Hier sorgen sie für eine Mensur von 635 – 647 mm.
Ola Strandberg entschied sich für Edelstahlbünde, was sicher auch in Hinblick auf die Haltbarkeit (insbesondere des Nullbundes) eine gute Idee ist.
(Bild: Dieter Stork)
Doch hier hören die Besonderheiten noch nicht auf: Bei der Boden wird auch eigene Hardware verwendet. So findet sich eine EGS Pro 5 Bridge mit integrierten Mechaniken. Der Rest der Gitarre kann schon fast als „normal“ bezeichnet werden. Ein gekammerter Lindenkorpus mit Ahorndecke und cooler White-Pearl-Lackierung hält den „roasted“ Ahornhals mit Ebenholzgriffbrett und Carbon-Verstärkung. Als Inlays kommen die japanischen Luminlays zum Einsatz, welche im Dunkeln nachleuchten und so auf dunklen Bühnen für eine bessere Griffbrettorientierung sorgen.
Im Korpus sind zwei aktive Fishman-Fluence-Modern-Humbucker verbaut, welche durch zwei Potis mit Push-Pull-Funktion und einen Dreiwege-Switch gesteuert werden. Die Potis sind Masterregler für Volume und Ton und steuern beim Herausziehen den Coil-Split, beziehungsweise die zwei Voices der Pickups. Als nettes Detail sind die Potiknöpfe aus einem schönen Holz (ich vermute Ebenholz) und tragen das .strandberg* Logo als Gravur. Durch die konsequente Leichtbauweise kommt die Gitarre gerade mal auf 2,3 kg. Und selbst im beigelegten Gigbag ist sie noch kleiner und leichter als so manche meiner anderen Gitarren.
Verarbeitungstechnisch bewegt sich die Gitarre auf hohem Niveau. Lediglich an einigen Stellen der Lackierung kann man kleine Mängel entdecken, welche bei anderen Gitarren dieser Preisklasse wohl nicht vorkommen würden. Funktional ist aber alles in Butter und spätestens wenn man das Instrument dann in die Hand nimmt, fühlt man sich sofort zu Hause und muss keinen Gedanken mehr an das Produktionsland verschenken.
in der hand …
Wow, 2,3 kg sind wirklich wenig. Das ist wohl das erste, was viele denken werden, wenn sie eine Boden in die Hand nehmen. Und klein ist sie. Natürlich handelt es sich hier um ein vollwertiges Instrument, aber irgendwie kommt sofort der Gedanke auf, dass es auch die ideale Reise-Gitarre wäre. Die passt auch in jeden Kofferraum. Ergonomisch waren Strandbergs ja auch schon immer – dafür sind sie gebaut. Alle Shapings sind am rechten Fleck und der Hals ist ein Traum. Oder anders formuliert: Für mich ist der Hals ein Traum.
Mein Band-Kollege hat sie sofort wieder hingestellt, nachdem er sie in der Hand hatte, weil er wirklich gar keine Lust auf dieses Shaping hatte. Hier ist also unbedingt persönliches Antesten gefragt. Doch wer damit klarkommt, der wird sich über die Ergonomie freuen, welche mittlerweile nirgendwo sonst mehr zu finden ist.
Ein kleines Problem bringt die gesamte Form dann doch mit sich: Wenn man von „normalen“ Gitarren auf diese wechselt, so ist alles dermaßen kompakt, dass man sich manchmal zunächst in den falschen Bünden wiederfindet. Ein paar Minuten zur Umgewöhnung sollte man also immer mit einplanen. Innerhalb eines Sets würde ich also vermutlich nicht unbedingt von einer Standard-Gitarre auf eine Boden wechseln.
Apropos Set: Natürlich hängt die Gitarre auch perfekt am Gurt und erneut freut man sich über das geringe Gewicht. So kann man stundenlang spielen, ohne dass sich der Rücken rächt. Weitere Pluspunkte kann die Boden bei der Werkseinstellung sammeln. Die Saitenlage ist extrem flach und dennoch schnarrt nichts. Auch die Stimmung passte schon nahezu perfekt, als sie bei mir ankam – und nach dem initialen Stimmvorgang war da den ganzen Test über kaum noch etwas zu tun. Hochwertige Komponenten und verstärkte Hälse haben wohl durchaus ihre Daseinsberechtigung und zeigen ihre Stärken – egal in welchem Land sie zusammengebaut werden.
… und am amp
Wie klingt eine .strandberg* nun? In erster Linie sehr direkt. Während das zuvor von mir getestete USA-Modell technisch astrein war, konnte mich der Sound irgendwie nicht vom Hocker reißen. Die machte nichts falsch, aber hatte auch irgendwie wenig Charakter. Das ist hier zum Glück deutlich anders. Die Boden Metal macht ihrem Namen alle Ehre und tönt schon ohne Kabel klar, leicht hart und sehr spritzig. Die Töne stehen schnell und klingen lange und gleichmäßig aus.
Durch den gemäßigten Fan (also die Spreizung) der Bünde muss sich hier spieltechnisch vermutlich niemand groß umstellen, dennoch tut diese Eigenschaft dem Sound subjektiv empfunden sehr gut. So gibt sie den tiefen Saiten mehr Substanz und macht den Sound etwas knackiger, entschärft aber den Attack der hohen Saiten genau im richtigen Maße.
Am Amp setzt sich der gute Eindruck in gleichem Maße fort. Die Fishman-Humbucker sind eine exzellente Wahl für dieses Instrument und unterstreichen gekonnt die Stärken ohne hierbei neue Defizite an den Tag zu bringen.
Der Alnico-Pickup am Hals klingt voll und satt, ohne dabei zu viel Fett für eine solche Gitarre mitzubringen. Über Mulm und Matsch müssen wir übrigens in diesem Review an keiner Stelle reden – sowas gibt es hier einfach nicht. Trotz des hohen Outputs des Tonabnehmers kann man ihn sehr dynamisch spielen.
Und wem das nicht reicht, der nutzt die Coil-Split-Option. Das klingt für mich zwar nicht ganz nach Singlecoil, geht aber in die richtige Richtung und bietet auf jeden Fall den gewünschten, leicht ausgedünnten Sound, der sich etwas zurücknimmt und insbesondere mit komplexeren Effekten super funktioniert. Hier schließt sich Voice 2 nahtlos an, denn die Fishmans verfügen jeweils über zwei distinkte Sounds. Der Klang des Neck-Pickups bei gezogenem Poti erinnert insbesondere bei höheren Gain-Settings gar nicht so wenig an die Split-Stellung, klingt hierbei aber noch mehr nach richtigem Humbucker – nur eben nicht mehr nach der oberfetten Version.
Am Steg werkelt die Keramik-Version, welche für ihre Tightness bekannt und beliebt ist. In der .strandberg* kommt der Pickup vollends zur Geltung und kann zeigen was er kann. Die Basswiedergabe ist zwar deutlich, aber immer klar und der Anschlag wird akkurat und zügig wiedergegeben. Crisp nennt Fishman selber den Sound, und das trifft es sehr gut.
Das zweite Voicing soll hier wie eine passive Version klingen und auch dies gelingt gut. Viele Eigenschaften, die man aktiven Pickups zuschreibt, werden hier unterdrückt und der Tonabnehmer verändert seinen Sound hörbar, ohne an Charakter zu verlieren. Insbesondere das Kompressionsverhalten und der „In-your-face-sound“ werden beeinflusst. Zum Glück muss ich jetzt nicht entscheiden, welcher Sound mir besser gefällt, denn das wäre schwer. Aber hier hat man ja stets alle dabei.
Auch die Mittelstellung macht ihren Job gut. Hier sind die Sounds von Hals und Bridge gut abgestimmt. Insbesondere wichtig, da das Verhältnis ja nicht durch individuelle Volume-Regler angepasst werden kann.
(Bild: Dieter Stork)
resümee
Sowohl ergonomisch als auch klanglich konnte mich die .strandberg* vollends überzeugen. Die kleinen Verarbeitungsmängel fallen im normalen Alltag zu keinem Zeitpunkt auf und müssen absichtlich gesucht werden, also was soll’s.
Längst hat natürlich der Headless-Trend mehr und mehr Fahrt aufgenommen und so gibt es mittlerweile eine nennenswerte Anzahl an Konkurrenten in verschiedenen Preisklassen. So richtig günstig wird es zwar nie, aber das dürfte auch nicht der primäre Markt für .strandberg* sein.
Die Fishmans und vergleichbare Hardware können andere Hersteller natürlich auch verbauen, den tollen EndurNeck allerdings nicht. Der ist natürlich aber auch absolut Geschmackssache – und sich nach Jahren des Gitarrespielens auf ein so radikal neues Halsprofil einzustellen, wird auch nicht jeder wollen. Ausprobiert haben sollte man es aber ganz dringend. Der einzige Grund, warum diese Gitarre nicht direkt bei mir bleibt ist wohl, dass ich einige der Japan-Modelle noch schöner und interessanter finde.
PLUS
• EndurNeck
• Gewicht
• Sounds
• Bespielbarkeit