Prinzessin

Test: Sterling by Music Man Majesty MAJ100CGR

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(Bild: Dieter Stork)

Vor fast 11 Jahren sorgten Ernie Ball und Gitarrenvirtuose John Petrucci mit der Music Man Majesty für Furore. Während die USA-Modelle als 6-, 7- und 8-Saiter angeboten werden, beschränkt man sich bei der indonesischen Sterling-Linie auf 6- und 7-Strings.

Unsere Protagonistin stellt im Majesty-Lineup das preisgünstigste Modell dar – die Prinzessin sozusagen. Neben Chalk Grey ist sie in den Finishes Siberian Sapphire (Blau) und dem vom früheren USA-Signature-Modell übernommenen, farblich changierenden Arctic Dream erhältlich.

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EINSTIEG

Um die Preise in Grenzen zu halten, kommt die Majesty 100 mit Nyatoh- statt Mahagonihölzern, eingeleimtem statt durchgehendem Hals, Palisander statt Ebenholzgriffbrett, Nickelsilber- statt Edelstahlbünden, Sterling- statt DiMarzio-Pickups und unbranded statt Schaller Locking Tunern. Logisch, dass auch das aufwendige Custom-Piezo-Floating-Vibrato dem Rotstift anheim fiel, welches allerdings vom tadellos funktionierenden Sterling Modern Tremolo ersetzt wird. By the way: Nyatoh ist eine rötliche, mahagoni-ähnliche Holzart, die vorwiegend in Indonesien und auf den Philippinen wächst und inzwischen gerne im Gitarrenbau verarbeitet wird.

Modern Tremolo und kraftvolle Keramik-Humbucker (Bild: Dieter Stork)

Da das Design von den amerikanischen Signature-Modellen übernommen wurde, bietet die Prinzessin die gleiche Maßstäbe setzende Ergonomie: Armauflage und rückseitiger Belly Cut, beides großzügig angelegt, fließender Halsübergang mit tief geschnittenen Cutaways, die selbst den 24. Bund stressfrei erreichbar machen, schlankes C-Halsprofil und top bearbeitete Medium-Jumbo-Bünde. Die straff packende Rohrklinkenbuchse mündet im sehr großzügig bemessenen, mit wertigen koreanischen Komponenten bestückten E-Fach und wurde so platziert, dass der Stecker auf der Gabel eines konventionellen Gitarrenständers kein Hindernis darstellt. Aufliegende Kunststoffplatten decken E-Fach und Federkammer ab.

Großzügig angelegtes E-Fach (Bild: Dieter Stork)

Die 9-Volt-Batterie, die den Boost-Schaltkreis speist, haust in einem separaten Schnellwechselfach, muss jedoch an einen billigen Clip angeschlossen werden. Bei der vormals in Korea gefertigten MAJ100 verwendete der Hersteller u.a. noch ein professionelles Batteriefach. Auf dem feinporigen, glatten Palisandergriffbrett markieren schildförmige Perloid-Inlays die Lagen.

Der gleitfreudige Kunststoffsattel, dessen Kerben noch reichlich Platz fürs Optimieren der Saitenlage über dem ersten Bunddraht lassen, führt die Saiten mit geradem Zug zu den smooth und präzise arbeitenden Locking Tunern. Ein rückseitiger Kragen verstärkt den Übergang zur um 11° geneigten Kopfplatte. Wie bei Music Man üblich, lässt sich der 2-Wege-Halsstab komfortabel zwischen Halsende und -Pickup per Wheel justieren.

Die beiden Sterling-Keramik-Humbucker hat man höhenjustierbar direkt im Korpus verschraubt. Verwaltet werden sie per ergonomisch günstig angeordnetem, versenkt montiertem Dreiwegschalter und Master-Volume- und -Tone-Reglern. Ein Druck auf das Volume-Poti lässt den Reglerknopf herausspringen (Push/Push) und aktiviert den Boost-Schaltkreis, der das Ausgangssignal um 12 dB anhebt.

In die Korpusdecke eingelassen hängt das Sterling Modern Vibrato nach dem Messerkantenprinzip schwebend an zwei Schraubpfosten. Über eine kleine Madenschaube lässt sich das Drehmoment des spielfrei rotierenden Steckhebels justieren.

(Bild: Dieter Stork)

 

LIGHTWEIGHT & HEAVY PICKUPS

Mit knapp unter 3 kg gibt sich die Majesty 100 extrem rückenfreundlich und dank ihres langen oberen Cutaway-Horns in jeder Lebenslage optimal ausgewogen. Das Satin Finish bietet eine angenehme Haptik, das Halsprofil liegt komfortabel in der Hand, und die inklusive der Kanten vorbildlich bearbeiteten Bünde sind bei Lagenwechseln kaum spürbar. Perfekt.

Die Gitarre entpuppt sich als ausgesprochen resonanzfreudig, was deutlich an Korpus und Hals spürbar ist. Sie spricht sehr direkt und spontan an, alle Töne sind schnell aus den Startlöchern und selbst hinsichtlich des Sustains macht die Majesty 100 eine gute Figur. Ihr Klangbild ist nicht sonderlich voluminös, zeigt jedoch beste Balance und liefert definierte straffe Bässe, warme offene Mitten und seidige klare Höhen. Akkorde werden transparent und präzise dargestellt, und der reiche Obertongehalt erlaubt sogar Flageoletts über dem 3. Bunddraht.

Output-mäßig bleiben die mit Keramikmagneten bestückten Humbucker etwas hinter meinen Erwartungen zurück. Im Direktvergleich mit vintage-style PAFs sind sie nicht wesentlich lauter, zumindest solange der 12dB-Booster inaktiv ist. Während sich der Neck-Pickup bedingt durch seine 24-Bund-Halsposition am cleanen Amp deutlich definierter und klarer in den Bässen als ein PAF zeigt, die Mitten warm und vollmundig abbildet und Höhen und Obertöne lebendig brillieren lässt, gibt sich der Stegkollege ebenso ausgewogen, wenn auch knackiger und straffer in den Bässen, prägnanter in den Mitten und etwas bissiger in den Höhen.

Trotz erheblich höheren DC-Widerstandwertes ist er kaum lauter als der Hals-Pickup. Die Kombi beider Humbucker punktet mit glockig klaren Arpeggien, leicht nasalem Rhythmusspiel, glänzen aber auch mit punchenden Powerchords und singendem High-Gain-Lead. Die präzise Saitentrennung der Doppelspuler beschert vor allem Akkorden hohe Transparenz.

Erwartungsgemäß liegen die eigentlichen Stärken unserer Prinzessin im High-Gain-Betrieb, wo beide Pickups fette Powerchords und böse tieffrequente Riffs mit hohem Durchsetzungsvermögen bieten, aber auch beim Solieren gleichermaßen samtweich wie aggressiv und bissig zu Werke gehen.

Dabei drückt die sehr gute Dynamik ausdrucksstarkem variablem Spiel auch klanglich ihren Stempel auf, zumal das Ganze vom respektablen Sustain getragen wird. Der Booster fettet vor allem Gain-Sounds sehr schön an, schafft es jedoch nicht, den Output auf praktikablen Solopegel zu bringen. Mag nämlich der konstante 12dB-Schub durch einen Druck auf das Volume-Poti bei cleanen Sounds noch fürs Solieren ausreichen, lässt zunehmende Distortion die Pegelanhebung bis zur Wirkungslosigkeit verpuffen, auch wenn der Zerrsound dabei stetig leicht angefettet wird.

Beide Potis besitzen gleichmäßige Regelcharakteristik, rotieren butterweich und lassen sich trotz kleiner aber sehr griffiger Knöpfe komfortabel und präzise handhaben. Dank Locking-Mechaniken und gleitfreudigem Sattel arbeitet das Sterling Modern Vibrato erstaunlich stimmstabil, auch wenn nach Dive Bombs und ähnlichen Attacken dann doch leichte Abweichungen festzustellen sind.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Absolut lobenswert ist, dass Music Man im Rahmen seiner Sterling Line auch weniger gut Betuchten ein Majesty-Modell zugänglich macht. Konnten mich zunächst das rundum extrem ergonomische Design, das geringe Gewicht und die daraus resultierende exzellente Bespielbarkeit begeistern, so überzeugen mich auch die Schwingungseigenschaften, die Dynamik, die tadellose Verarbeitung – besonders auch die der Bünde – und nicht zuletzt auch die Sounds der Majesty 100. Einziger Wermutstropfen: Die Abrichtung der Sattelkerben zeigt noch reichlich Headroom zur Optimierung der Saitenlage.

PLUS

● Ergonomie & Design
● Sounds
● Dynamik & Sustain
● gut funktionierendes Vibrato
● 12dB Booster
● geringes Gewicht
● Spielbarkeit (+++)
● Verarbeitung (mit Ausnahme s.u.)
● Relation Preis/Leistung

MINUS

● Sattelabrichtung

(erschienen in Gitarre & Bass 12/2024)

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