Welch ein Designspektakel! Lady Stardust kam für einen flüchtigen Besuch vorbei, so als wäre sie direkt aus einer fernen, längst vergangenen Epoche herabgeschwebt. Ihr äußerer Stil stellt eine faszinierende Mischung aus futuristischen Elementen und Retro-Charme dar, eine Design-Sprache, die Geschichten aus einer Zeit erzählt, in der der Wagemut größer war als die Furcht vor dem Scheitern. Eine Ära, in der nur die Regeln respektiert wurden, die darauf warteten, gebrochen zu werden, und in der das Leben durch den täglichen Tanz auf dem schmalen Grat zwischen Genie und Wahnsinn bunt gewesen war.
Stephan Tschanz aus Bern ist Mastermind, Chef und einziger Angestellter seiner Firma Starmanbass – und trotz des basslastigen Firmennamens nimmt die Herstellung von Gitarren einen nicht unbeträchtlichen Teil seiner Zeit in Anspruch. Der bekennende David-Bowie-Fan, dessen Song ‚Starman‘ Tschanz zu seinem Firmennamen inspirierte, hat infolgedessen den Stern zu seinem Markenzeichen erkoren und verwendet ihn stets im ersten Bund seiner Instrumente.
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Seit rund 25 Jahren führt Tschanz den eigenen Handwerksbetrieb. Der gelernte Werkzeugmacher arbeitet heute mehrheitlich in der Verarbeitung von Kunststoffen im Allgemeinen und Acrylglas im Besonderen – und baut seine ganz besonderen Gitarren und Bässe.
ZIGGY STARDUST
Lady Stardust – auch dieser Modellname weckt Bowie-Assoziationen, dazu später mehr – trägt die Seriennummer #015; sie ist damit die 15. Starmanbass-Gitarre. Das Material der Wahl für den wohlgeformten Korpus ist amerikanische Rot-Erle, PU-lackiert in Metallic Racing Green. Feine, beigemischte Goldpartikel lassen die Lady je nach Lichteinfall äußerst elegant schimmern.
Hals und Korpus sind fest miteinander verschraubt, die Halseinfassung im Body ist perfekter als perfekt ausgeführt und garantiert einen festen Sitz und eine optimale Schwingungsübertragung vom Hals auf den Korpus. Der Hals selbst ist aus intensiv gemasertem Ahorn gefertigt und mit Öl und Wachs versiegelt, was ein angenehm natürliches Greifgefühl vermittelt.
Weniger traditionell ist das Griffbrett-Material, denn Tschanz verwendet hier gedämpfte Robinie! Robinie – botanisch: Robinia pseudoacacia, also die „falsche Akazie“ – gilt als das härteste Holz Europas. D.h., es kommt also nicht aus fernen Ländern mit großem CO2-Footprint zu uns, sondern wächst praktisch vor der Haustür.
Die Robinie, die Starmanbass verwendet, wurde zusätzlich einer so genannten Dämpfung unterzogen, einem Verfahren zur Holzveredelung. Im Dämpfungs-Prozess, der bis zu 80 Stunden dauern kann, werden dem Holz in einem geschlossenen Raum über Wasserdampf Lignin-Bestandteile zugesetzt. Lignin ist dafür verantwortlich, die Zellulosefasern inden Zellwänden zu verfestigen verleihen.
Auf die Art und Weise gedämpfte Hölzer arbeiten kaum noch und weisen weniger innere Spannungen auf, wodurch sich die Anfälligkeit zu Reißen oder zu Verformen deutlich verringert. Farblich erinnert Robinie vor allem an Palisander, weist aber partiell helle Einschlüsse längs der Fasern auf.
Zwei ellipsenförmige, weiße Plexiglas-Platten stechen aus der grün-goldenen Gesamterscheinung hervor – einmal auf der Kopfplatte als Logo- und einmal auf dem Korpus als Poti-Träger. Die optische Verbindung dieser beiden Design-Merkmale ist das ebenfalls weiße Bindung, das beidseitig entlang des Halses verläuft. Die parallel zum Hals verlaufende Kopfplatte ist soweit nach hinten gesetzt, dass keine Saitenniederhalter oder gestaggerte Mechaniken nötig sind, um einen passenden Winkel vom Sattel zu den Mechaniken zu generieren. „Passend“ bedeutet: Genügend steil, dass ein konkreter Druck auf den Sattel entsteht, aber nicht zu viel Gefälle, um die Reibung der Saiten in den Kerben unnötig zu erschweren.
STAR
Tschanz setzt hauptsächlich auf Marken-Hardware made in Germany. Schaller M6 Locking Tuner liefern erfolgreich ihren Anteil an der guten Stimmstabilität, die auch das ABM 5200 Vibratosystem mit seinem weichen, effektiven Tremolieren selbst bei heftig ausladenden Aktionen nicht in Gefahr bringt. Der perfekt gekerbt und geformte Knochensattel tut sein Übriges, sodass die gute Stimmung nicht sinkt.
Das ABM-System ist ein modernes 2-Punkt-Vibratosystem aus vergoldetem Glockenmessing. Auch die Reiter und der Vibratoblock bestehen aus diesem, wie ABM sagt, „musikalischen Material“. Die Reiter sitzen bündig nebeneinander und sind seitlich von einem massiven Rahmen eingefasst, der bewirkt, dass das ganze System wie eine geschlossene Einheit auf die Schwingungen der Saiten reagiert und diese bestmöglich in den Korpus transferieren kann.
Das Vibratosystem der Testgitarre wird von vier Federn auf Spannung gehalten, die sich wie gewohnt unter einer Abdeckung auf der Rückseite verbergen. Schön, dass Tschanz auch einem so unbedeutenden Bauteil wie dieser Abdeckung eine eigene Form gegönnt und sich nicht wie viele andere Hersteller aus dem Fender-Baukasten bedient hat.
Die gesamte Hardware ist hochwertig 24K-vergoldet – bis auf die vier Halsschrauben, die (wie auch die Hülsen, in denen sie sitzen) verchromt sind. Ein kleiner Mismatch an einer ansonsten perfekt gearbeiteten und gestylten Gitarre, den Tschanz damit erklärt, dass er keinen Hersteller gefunden hat, der diese Hülsen auch in vergoldeter Ausführung anbietet.
SUFFRAGETTE CITY
Stefan Tschanz vertraut die klangliche Übertragung zwei Humbuckern an, die innerhalb des großen Seymour-Duncan-Programms mit rund 80 (!) verschiedenen Humbucker-Typen immer noch als Geheim- und Insider-Tipp gehandelt werden, obwohl sie schon seit vielen Jahren erhältlich sind. Die beiden Seth Lover SH-55 versprechen lupenreinste PAF-Sounds, die u. a. durch die Verwendung von AlNiCo-II-Magneten und Plain-Enamel-Draht in der Stärke 42AWG erreicht werden sollen.
„Klare, singende Singlenotes mit einem warm und voll klingenden Low-End und süßen, strahlenden Höhen“, so liest sich der Text auf der Seymour-Duncan-Website, und will uns den Seth-Lover- als den absoluten Wellness-Pickup ans Herz legen. Und ja, auch ich kann mir vorstellen, dass gerade solch ein eher offen klingender Humbucker mit den Fender-Atrributen von Lady Stardust wie Schraubhals, lange Mensur und Vibratosystem sehr gut umzugehen weiß.
Geregelt wird mit Master-Volume- und -Tone-Potis von CTS in der 500kOhmAusführung, unter Zuhilfenahme eines Sprague-Orange-Drop-22nf-Folienkondensators. Tschanz hat außerdem das komplette E-Fach und auch von unten die Controlplate mit Kupferfolie ausgekleidet, um eine größtmögliche Abschirmung gegen elektrische Einstreuungen zu erreichen.
Gerade, wenn man so an Lady Stardust herum werkelt und dabei auch bis in ihr Innenleben vordringt, fällt die äußerst saubere Verarbeitung auf, die eben nicht bei den offensichtlichen Momenten wie z. B. einer Hals-Korpusverbindung aufhört, sondern bis in die kleinsten, teils von außen nicht sichtbaren Details zu erkennen ist.
SOUL LOVE
Nicht nur optisch, sondern auch ergonomisch zeigt uns Lady Stardust ihre Extraklasse. Umgehängt pendelt sie sich in einer ausgewogenen Balance ein, und sitzend ist sie dermaßen bequem zu spielen, wie man es aufgrund ihrer ungewöhnlichen Form nie erwartet hätte. Alles sitzt am rechten Fleck, man fühlt sich sofort wie zuhause angekommen. Und das ist wirklich nicht selbstverständlich bei Gitarren, die so weit abseits der traditionellen Designs unterwegs sind …
Das Halsprofil ist recht massiv – ein deutliches C mit kräftigen, runden Schultern füllt die Greifhand satt aus. Dieses Profil kann durchaus polarisieren, denn es gibt genauso viele glühende Verehrer wie auch Ablehnende für ein solches Maß. Aber gut, Starmanbass ist ja ein Custom Shop, und Stefan Tschanz erfüllt auch beim Halsprofil natürlich jeden Kundenwunsch. Schnell gewöhnt man sich aber auch an dieses Profil, weil die Gitarre in sich einfach stimmig ist, und dank des perfekten Setups lässt sich Lady Stardust dann auch nicht lange für den Eröffnungstanz bitten.
Erste Licks und Chords füllen den Raum, und es sind von Anfang bis Ende Sounds der ersten Güteklasse. Es ist alles da, was für im weitesten Sinne traditionelle Sounds gebraucht wird. Transparenz, Schmatz, Dynamik, Sustain, Fülle, Wärme, Druck – ich vermisse rundum nichts! Nicht einmal Singlecoil-Sounds, die die Pickups aufgrund ihrer Konstruktion durchaus ermöglichen würden. Tschanz hat ein Coil-Splitting gar nicht erst in Erwägung gezogen, vermutlich weil auch er der Meinung ist, dass diese Pickups in seiner Gitarre alles mitbringen, was gebraucht wird. Recht hat er!
Beide Pickups liefern typische Low-Gain Humbucker-Sounds – mit einem wunderbar glockigen Höhenanteil und satt federndem Bass-Fundament. Am Steg geht es naturgemäß etwas mittiger zu Sache, vor allem tönen sogenannte Classic-Rock-Sounds absolut überzeugend. Sowohl in cleanen wie auch verzerrten Bereichen scheint Harmonie das oberste Gebot zu sein, denn alle Sounds sind – wie die gesamte Gitarre ja auch – in sich rund und stimmig.
Zwei Punkte sind mir besonders aufgefallen: Zum einen das viel zitierte Breakup bei Verwendung von Röhren-Amps, das alleine mit dem Anschlag sehr dynamisch beeinflusst werden kann. Zum anderen die Harmonie der beiden Pickups. Wie eineiige Zwillinge arbeiten sie gemeinsam am bestmöglichen Ergebnis, sie ergänzen sich nicht nur durch ihre Performances in ihren eigenen Positionen, sondern auch und vor allem in der Kombinations-Stellung, wo sie einen nahezu vollkommenen Humbucker-Sound erstrahlen lassen, der begeistert. Und zwar nicht nur bei den üblichen Eigenschaften einer Mittelstellung wie Arpeggios, cleanen Akkordschiebereien oder Rhythmus-Strumming, sondern auch in absolut überzeugenden Lead-, Riff- und Fill-Einsätzen, in Clean-, Crunch- und Zerr-Situationen.
Müsste ich das Spielerlebnis mit Lady Stardust durch zwei Attribute beschreiben, dann wären das „willig“ und „stimmig“. Wäre ein drittes Wort erlaubt, käme noch „harmonisch“ mit ins Spiel.
Bild: Dieter Stork
Bild: Dieter Stork
ROCK’N‘ROLL SUICIDE
Je mehr ich mich mit Lady Stardust beschäftigen durfte, um so klarer wurde mir ihre Bestimmung. Dockt sie doch nicht nur mit ihrem Namen, sondern auch mit ihrem Design tatsächlich an die Zeit an, in der David Bowie Stefan Tschanz mit seinem Song ‚Starman‘ die Vorlage zum Namen seiner Firma gegeben hat. Und hier ist noch mehr Bowie mit im Spiel. Es war das Jahr 1972, als sein legendäres Konzeptalbum ‚The Rise and Fall of Ziggy Stardust and the Spiders from Mars‘ veröffentlicht wurde. Hier eröffnete der Song ‚Lady Stardust‘ die zweite Seite dieser LP, eine Hommage Bowies an seinen Freund Marc Bolan.
Tschanz taufte sein Gitarrenmodell nach diesem Song, und wenn ich mir die Lady anschaue und gleichzeitig Marc Bolan visualisiere, muss ich feststellen, dass beide unwahrscheinlich gut zusammengepasst hätten. Bolan mit seinem unglaublichen Charisma und diese schillernde Schweizer Gitarre wären das perfekte Glam-Rock-Paar gewesen und hätten gemeinsam große Rock’n‘Roll-Geschichte schreiben können.
Da Marc Bolan seit September 1977 nach einem tödlichen Autounfall längst in anderen Sphären unterwegs ist, sollten wir vielleicht alle gemeinsam am Comeback des Glam-Rock arbeiten? Ein bisschen Farbe, Mut und Crazyness würde der Musikszene von heute durchaus guttun. Und wenn ja, dann warum nicht mit der Starmanbass Lady Stardust? Vermittelt sie doch ganz viel vom Glamour, Mut und Ausdruck der 1970er-Jahre und ist durchaus in der Lage, den diversen angesagten Musik-Styles deren biedere Ernsthaftigkeit charmant, aber gekonnt um die Ohren zu hauen.
Doch auch ohne all diese Assoziationen erfüllt Lady Stardust auch all das, was man von einem Spitzeninstrument von heute erwarten darf. Sie ist beispielhaft verarbeitet und gebaut, mit besten, sich perfekt ergänzenden Komponenten bestückt, und die Sound-Ausbeute ist nicht nur vielseitig, sondern äußerst charakterstark. Dazu spielt sich diese Gitarre, wenn einem ihr kräftiges Halsprofil liegt, nahezu wie von selbst und verhält sich in Ansprache, Ausgewogenheit und Sustain äußerst musikalisch. Damit stehen Lady Stardust natürlich auch nahezu alle Genres offen – von soft bis hart, von hell bis dunkel, von langsam bis schnell, von leise bis laut. Lady Stardust anzutesten ist absolut zu empfehlen, aber nicht so einfach, denn im einschlägigen Fachhandel wird sie nicht angeboten, sondern nur direkt von Starmanbass.
Großen Respekt,hier beweist man mit einem sehr außergewöhnlichen Korpus-Design,-das übrigens absolut stylisch und obendrein sehr einzigartig ist,-echten Mut!
Der Preis von satten 3.200,-€ bzw. 3.400,-€ (mit Tremolo) ist allerdings auch eine direkte Ansage,-soll heißen: es ist nicht gerade ein „Schnäppchenpreis“. Aber,ein Body aus edlem Akazienholz (Robinie) scheint derzeit ja auch etwas ganz Besonderes zu sein.
Fazit:
die Idee der „Lady Stardust“ ist gut,der hohe Preis scheint für diese bizarre Custom E.-Gitarre wohl (noch) angemessen.
Großen Respekt,hier beweist man mit einem sehr außergewöhnlichen Korpus-Design,-das übrigens absolut stylisch und obendrein sehr einzigartig ist,-echten Mut!
Der Preis von satten 3.200,-€ bzw. 3.400,-€ (mit Tremolo) ist allerdings auch eine direkte Ansage,-soll heißen: es ist nicht gerade ein „Schnäppchenpreis“. Aber,ein Body aus edlem Akazienholz (Robinie) scheint derzeit ja auch etwas ganz Besonderes zu sein.
Fazit:
die Idee der „Lady Stardust“ ist gut,der hohe Preis scheint für diese bizarre Custom E.-Gitarre wohl (noch) angemessen.
Der Headstock kommt aber von einer anderen “Lady”: der Rockinger Lady!