Lange musste man hierzulande auf die neuen Modelle der geschätzten Squier-Classic-Vibe-Serie warten, die Fender auf der Summer NAMM 2019 vorgestellt hatte. Nicht nur das neue Logo-Design oder Ausstattungsdetails regten die Neugier an, auch die zum Teil unkonventionelle Holzauswahl und die Tatsache, dass nahezu alle Squier-Modelle nicht länger in China, sondern in Indonesien produziert werden.
Ob das die Freude an den günstigen Instrumenten mit ihrer kultigen Retro-Optik schmälert? Oder baut Fender den guten Ruf weiter aus? Der neue Classic Vibe Precision Bass im 70ies-Style tritt den Beweis an.
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NATO-HAUPTQUARTIER
Erst kürzlich fiel Händlern auf, dass Fender bis auf Weiteres die Produktion fast aller Serienmodelle mit Eschekorpus einstellt. Auf Nachfrage wurde bestätigt, dass der attraktive Klassiker unter den Tonhölzern künftig nur noch bei ausgewählten Modellen verarbeitet werde. Schuld daran seien einerseits der asiatische Eschenprachtkäfer, der seit Jahrzehnten in den Abbaugebieten sein Unwesen treibt, und andererseits die dortigen Überflutungen, die im Zuge der globalen Erwärmung zunehmen. Es dürfte also nicht von ungefähr kommen, dass Fender bereits seit geraumer Zeit mit alternativen Hölzern experimentiert.
Neben bereits erprobten Korpushölzern wie Linde (Basswood) wendet man sich auch Nato zu. Der vorliegende Test-Bass ist das beste Beispiel dafür. Moment, Nato? Kennen wir das nicht von preiswerten Akustikgitarren? Richtig – das oft leichtfertig als billiges Mahagoni-Substitut verschriene Holz ist wie Linde leicht zu bearbeiten, hat eine ebenso feine Maserung und punktet darüber hinaus mit seinem angenehm rotbraunen Farbton, der an Walnuss erinnert. Nimmt man sich den Classic Vibe 70s Precision zur Brust, wird ein weiterer Vorteil klar: Das gewöhnlich dimensionierte Solidbody-Instrument bringt nur läppische 3400 Gramm auf die Waage!
Natürlich stellt sich daher eine nicht unerhebliche Kopflastigkeit ein. Das Fliegengewicht ist jedoch schon durch das Auflegen von Schlag- und Greifhand mühelos austariert. Dem einteiligen Nato-Body spendierte man eine transparente Lackierung, die auf der Rückseite den Blick auf leichte Wölkchen freigibt. In dieser Preisklasse eine seltene Erscheinung! Das glänzende Polyurethan-Finish tut der Schwingfreudigkeit des leichten Arbeitsgerätes keinen Abbruch.
HALS …
Auch die warm getönte, nicht zu klebrige Klarlackierung des Halses schmeichelt dessen ansprechender Maserung. Ein weiteres Highlight ist die saubere Verarbeitung des Bindings und der echten Block-Inlays. Die Kanten der 20 schmalen und hohen Bünde sind an wenigen Stellen minimal scharf – nichts, was sich nicht beheben ließe.
Die Halsrückseite mit traditionellem Walnuss-Skunk-Stripe bietet ein schlankes C-Profil für ein modernes Spielgefühl. Nettes Detail: Auch die Einfassung des Halsstab-Zugangs an der Kopfplatte ist in Walnuss ausgeführt. Das überarbeitete Squier-Logo in Schwarz mit goldener Kontur harmoniert, wie die zeitgemäßen 70er-Jahre-Lettern, gut mit den Inlays.
Einen so aufwendig konstruierten Hals würde man im unteren Preissegment nicht vermuten. Zumal man optisch vergleichbaren Hälsen unter dem Label Fender erst im vierstelligen Preisbereich begegnet.
… ÜBER KOPF
Der laut Datenblatt 43 mm breite Sattel misst reale 41 mm und soll aus Knochen gefertigt sein. Das ziemlich helle und nur leicht raue Material mutet allerdings etwas synthetisch an. Seine Funktion erfüllt es ohne Frage, auf eine potentielle Fehlerquelle stoßen wir erst hinter dem Sattel. Dort verrichten einfache No-Name-Mechaniken ihren Dienst.
Ihr nostalgisches Nickel-Finish tröstet nicht darüber hinweg, dass sich die Bedienung etwas unpräzise anfühlt. Die konkaven Wickelachsen erlauben es nicht, die Saiten tief genug an die Kopfplatte zu führen, um genügend Anpressdruck am Sattel zu erzeugen. So verläuft die A-Saite in einem bedenklich flachen Winkel zur Mechanik und auch die E-Saite schnarrt leicht im Sattel.
Die übrige Hardware, eine Halsplatte mit Logo-Prägung, zwei Barrel-Knobs, Schrauben und die altbewährte Blechwinkel-Brücke, sind ebenfalls vernickelt. Letztere ist mit Gussreitern ausgestattet.
SO WEIT, SO KLASSISCH …
… doch wird der Retro-Recke seinem Look auch gerecht? Schon akustisch angespielt kommt der Bass ungemein laut und lebendig daher. Der federleichte Korpus, in Verbindung mit dem grundsoliden Ahornhals, macht ihn besonders schwingfreudig. Dadurch vermittelt er dem Saitenquäler ein tolles haptisches Feedback. Langt man beispielsweise zünftig mit dem Plektrum rein, wird man mit schnalzendem Attack und spürbar resonantem Sustain belohnt. Das lädt zum Rocken ein, doch auch die sanfteren Töne gibt der Squier in allen Lagen sauber und differenziert wieder.
Elektrisch geht ein Split-Coil-Pickup mit Alnico-5-Magneten (10,8 kOhm) ans Werk und übersetzt das in einen recht klassischen P-Bass-Sound. Der passive Pickup liefert dabei strammen Output. Das Bassfundament fällt etwas schlanker aus, was dem überaus leichten Nato-Body geschuldet sein könnte. Dafür mangelt es nicht an warmen durchsetzungsfähigen Tiefmitten in heißgeliebter Preci-Manier. Wem die durchaus präsenten Höhen zu harsch sein sollten, der kann ihnen mit der Tonblende oder der Klangregelung am Amp bzw. am Pedal zu Leibe rücken.
Frisch aus dem Karton überzeugt der hier vorgeführte Squier mit einem fast perfekten Setup und lässt sich übers ganze Griffbrett schnarrfrei bespielen. Die Fertigungsqualität ist bemerkenswert. Was darf man mehr von einem Instrument erwarten, noch dazu in dieser Preisklasse? Kontinuität wahrscheinlich nicht. Darum empfiehlt es sich, Instrumente vor dem Kauf selbst in die Hand zu nehmen. Serienstreuung ist hier nämlich, unabhängig vom Hersteller, immer ein Thema. Einteilige Bodies, spektakuläre Maserung und ein so geringes Gewicht wie bei unserem Testbass, darf man wahrscheinlich nicht immer erwarten.
RESÜMEE
Was Squier hier für den schmalen Taler auf die Beine zu stellen vermag, hätten sich Bassistinnen und Bassisten mit kleinem Geldbeutel noch vor einigen Jahren nicht träumen lassen. Doch auch kaufkräftige Fender-Fans sollten diese gelungene Hommage an die wilden Siebziger nicht unterschätzen. Wer eine Affinität zu Block-Inlays und Binding hat, sollte dem neuen Classic Vibe unbedingt eine Chance geben!