Zerrmeister

Test: Soldano SLO Mini

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(Bild: Dieter Stork)

Bereits 1987 kam Mike Soldano mit seinem legendären SLO-100 Röhrentop an die kalifornische Sonne, das auch nach 35 Jahren immer noch als SLO-100 Classic hergestellt wird. Seit die Firma Boutique Amps Distribution den weltweiten Vertrieb von Soldano- und anderen Hi-End-Produkten wie Friedman, Diezel oder Bogner übernommen hat, bringt sie von selbigen geschrumpfte Amp-Tops auf den Markt. Darf ich vorstellen? Der Soldano SLO Mini.

Angesichts der Verkaufspreise dürfte jeder/jedem klar sein, wo die einkanaligen Lunchbox-formatigen Transistorverstärker produziert werden. Das Konzept dahinter: Man fasse die jeweiligen charakteristischsten Klangeigenschaften eines jeden dieser Boutique Amps zusammen und macht sie, unterstützt von ca. 30 Watt starken Class-D-Endstufen, leicht bedien- und vielseitig einsetzbar.

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HARDWARE

Sicherlich ist Interessierten aufgefallen, dass sich diese Mini-Tops abgesehen vom spezifischen Design äußerlich sehr ähneln. Gehäusematerialien und -maße, Ausstattung und Optik der Rückseiten sind ebenso identisch wie die Amp-Chassis. Alle Minis werden mit externen 24V-Schaltnetzteilen betrieben und auch die frontseitigen Bedienelemente ähneln sich. So bieten alle die Regler Gain, Bass, Middle, Treble, Presence und Master. Unterschiede gibt es nur bei den klangformenden Minischaltern.

Beim Soldano variiert z.B. der Normal/Deep-Switch den Anteil der Bässe und Tiefmitten in der Endstufe, Crunch/Overdrive ersetzt quasi eine Kanalumschaltung. Ganz so einfach machen es sich die Entwickler dann doch nicht, denn die unterschiedlichen Klang- und Zerrcharakteristiken der Protagonisten erfordern entsprechend zugeschnittene Transistorschaltungen und Abstimmungen der Regler und Minischalter. Trotz des Winzformats legt der Hersteller Wert auf solide Verarbeitung. Das Plywood-Gehäuse des SLO Mini mit genarbtem Vinylbezug macht einen ebenso stabilen Eindruck wie das Frontgitter und das über die vier Gummifüße verschraubte Amp-Chassis, beides aus 1,5 mm Stahlblech.

Auch die üppige Bestückung der drei Platinen zeugt von vorbildlicher Verarbeitung. Damit man durch das Frontgitter nicht die gleichzeitig als Tragegriff dienende rückseitige Lüftungsöffnung sieht, hat man extra ein gewinkeltes Blech unter der Decke montiert. Hinten gibt es einen seriellen FX-Loop, dessen Send Output auch für Direct Recording genutzt werden kann. Da die Class-D-Endstufe eine Schutzschaltung besitzt, muss nicht zwingend ein Lautsprecher oder eine Loadbox angeschlossen werden. Apropos: Neben dem Netzteilanschluss gibt es natürlich auch zwei Speaker Outs für einen 8- oder zwei 16-Ohm-Lautsprecher.

(Bild: Dieter Stork)

SUPER LEAD OVERDRIVE

SLO, der Name ist Programm. Bot/bietet der originale SLO-100 noch einen amtlichen, auf Crunch umschaltbaren Clean Channel, belässt es der Mini bei einem breiten Zerrspektrum. Obwohl, ganz stimmt das auch nicht, denn dreht man das Drive-Poti auf 1 und Master voll auf, sind mit Vintage-Style-Pickups auch cleane Sounds möglich. Oder man macht sich bei niedrigen Gain Settings das Volume-Poti der Gitarre zunutze, auf das der Kleine übrigens ebenso vorzüglich reagiert wie auf die Intensität des Anschlags.

Fürs Üben daheim oder Recording mögen die Clean-Pegel ausreichen, Band-Proben oder gar Clubgigs sind jedoch so nicht möglich. Sobald man bei voll aufgedrehter Gitarre den Gain-Regler auch nur einen Millimeter im Uhrzeigersinn bewegt, startet der SLO Mini mit fettem, homogen zerrenden Crunch durch. Völlig kontinuierlich lässt sich die Zerrintensität steigern und endet in komprimiertem, sustain-reichem High Gain Lead. Die Klangregler zeigen hinreichende Wirkung und erlauben umfangreiche Korrekturen, wobei das für die oberen Mitten und Höhen zuständige Presence- mit dem Treble-Poti interagiert.

Bei niedrigen Master- und hohen Gain-Einstellungen verschwimmt der Unterschied zwischen Crunch- und Overdrive-Betrieb und auch die Effizienz der Klangreglung lässt nach. Nimmt man jedoch die 30-Watt-Endstufe ran, indem man Master oberhalb 5 bewegt, verblüfft der Kleine mit enormer Lautstärke, die Proben und Clubgigs problemlos meistert. Generell lässt sich festhalten: je höher das Master-Setting, desto wirkungsvoller arbeiten Klangregler und -schalter. Jetzt legt der SLO Mini im Overdrive-Modus zerr- und sustain-technisch noch eine ordentliche Schüppe nach – Super Lead Overdrive halt –, bleibt dabei aber nicht so nebengeräusch-defensiv wie bei gemäßigten Einstellungen und bringt zudem eine gewisse Feedback-Gefahr – dies alles aber bei beeindruckender Lautstärke. Da hier ein linearer Class-D-Poweramp für den Schub sorgt, nimmt er im Gegensatz zu Röhrenendstufen wenig Einfluss auf den Sound.

Bei Bedarf besorgt der Deep Switch einen guten Schub in den unteren Mitten und Bässen. Der serielle FX Loop zeigt hohe Signaltreue und akzeptiert pegelmäßig sowohl Pedale als auch Rack-Equipment. An ein Mischpult angeschlossen, liefert die Send-Buchse homogene, natürliche Zerrsounds, die eine Speaker-Simulation vermuten ließen. Um den Soldano SLO Mini optimal zum Üben nutzen zu können, wäre ein frequenzkorrigierter Kopfhörerausgang wünschenswert, zumal die Speaker Outs nicht zwingend belegt sein müssen.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Der Transistor-Ableger des Soldano SLO-100 kann auf ganzer Linie überzeugen. Wäre er nicht so klein und leicht, könnte man den Mini für einen Röhren-Amp halten. Wie sein Name „Super Lead Overdrive“ schon vermuten lässt, liegen seine Stärken eindeutig im Intensiv-Crunch bis High-Gain Lead-Bereich. Cleansounds stehen hier also nicht im Vordergrund. Zwar klingt das Zwergentop auch bei Zimmerlautstärke mehr als passabel, zeigt seine eigentlichen dynamischen Qualitäten, und die sind wirklich beeindruckend, aber erst bei höheren Master Settings. Hier überträgt der Amp nicht nur den Eigenklang des Instruments, sondern setzt auch die spielerischen Fähigkeiten und den Ausdruck der Userin/des Users nuanciert um und reagiert sogar perfekt auf die Arbeit mit den Gitarrenpotis. Tolles Mini-Top mit hohem Praxiswert und Spaßfaktor, wenn auch ohne Phones-Anschluss.

PLUS

● Sounds (Crunch bis Super Lead)
● klanglich flexibel (außer Clean)
● Ansprache & Dynamik
● harmonischer Zerrcharakter
● Ausgangslautstärke
● Kompaktformat
● Verarbeitung
● Preis/Leistung

MINUS

● kein Kopfhörerausgang

(erschienen in Gitarre & Bass 09/2022)

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