Kurz nach der kleinen 170-W-Version für das Pedalboard legt Seymour Duncan nun eine erwachsene Endstufe nach. 700 W, schickes Design, Boxensimulation zuschaltbar. Klingt doch schon mal gut.
Der Markt der Modeler wächst und wächst. Doch nicht jeder möchte gerne direkt in die PA spielen und so nimmt auch das Angebot an Endstufen langsam wieder zu. Die Kalifornier von Seymour Duncan legen hier nach eigenen Angaben die „erste speziell für Gitarristen entwickelte Endstufe“ vor. Naja, lassen wir das Statement mal im Raum stehen und schauen uns lieber an, was die Kiste uns so zu bieten hat.
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Konzept und Anwendungsfälle
Die Idee, eine Endstufe (für Gitarristen) zu bauen, ist bei Weitem nicht neu. Üblicherweise entscheiden sich Hersteller hierbei für einen Formfaktor der gut in ein 19″-Rack passt oder an einen vollwertigen Verstärker angelehnt ist. Seymour Duncan verzichtet auf beides und geht mit der kleinen, ca. 2,8 kg schweren Kiste neue Wege. So könnte die PowerStage für ein Rack gerne breiter sein, nimmt aber gefühlte anderthalb Höheneinheiten (HE) ein. Einen weiteren Hinweis darauf, dass dieses Gerät nicht unbedingt für den Einsatz im Rack konzipiert wurde, liefern die vorne liegenden Inputs. Mir sind zumindest eher Multieffekte und Modeler bekannt, die ihre Outputs auf der Rückseite haben. Auch der einzelne Volume-Regler, der linken und rechten Kanal zeitgleich regelt hätte sich sicherlich über einen entsprechenden Bruder gefreut.
Von diesen Sonderlichkeiten abgesehen, handelt es sich hier um ein sehr durchdachtes Stück Technik. Schon beim Auspacken erscheint die Endstufe edel und fühlt sich trotz des geringen Gewichtes wertig an. Das gefräste S-Logo auf der Front setzt dem Ganzen die Krone auf und auch haptisch mutet hier alles hochwertig an. Die Potis lassen sich angenehm schwergängig drehen und die Status-Leuchten verrichten dezent aber sinnvoll ihren Dienst.
Wie der Name schon vermuten lässt, liefert die PowerStage 700 W Leistung. Wer als Gitarrist bisher nur mit Röhrenamps in Verbindung gekommen ist, sollte jedoch wissen, dass diese 700 W nur an 4 Ohm zur Verfügung stehen. Bei den gebräuchlicheren 8 Ohm sind es immerhin noch 350 W. Schade nur, dass hier keine 16 Ohm bedient werden.
Angepriesen wird die Endstufe für all jene Player, die entweder direkt mit ihrem Pedalboard, oder ihrem digitalen Modeler spielen wollen, ohne einen gesonderten Amp ins Spiel zu bringen. Hierbei möchte Seymour Duncan uns also neutral klingende Power zur Verfügung stellen, die auch durchaus mal als Clean-Kanal genutzt werden kann. Zu diesem Zwecke bietet die PowerStage auch ein wenig mehr als ihre Kontrahentinnen: Da wären zum einen die dedizierten Regler für Bass, Mid und Treble auf der Front. Hier sind schnelle, intuitive Eingriffe in die Soundformung möglich. Zum anderen kann das Signal nicht nur über die Stereo-Outs per Klinke an Boxen angeschlossen werden, sondern auch per XLR direkt in die PA laufen. Als besonderes Goodie kann man hier pro Kanal die hauseigene „True Cab Circuitry“ – eine Boxensimulation – dazuschalten.
Praxis
Zum Test durften mein Axe Fx II XL, sowie ein Haufen klassischer Bodenpedale aufwarten. Als Vergleich dienten hier meine Mesa 2:95 Endstufe und ein Electro-Harmonix 22 Caliber. Die Mesa dient mir üblicherweise als Verstärkung für Auftritte und bleibt dank ihres Gewichts gerne mal im Proberaum. Das kleine Kästchen von EHX hat sich dementsprechend als Mini-Endstufe für zu Hause etabliert. Im Idealfall könnte die Seymour-Duncan-Endstufe also beide ersetzen.
Das Anschließen und die Bedienung einer Endstufe sind nun wahrlich kein Hexenwerk, und so klappt auch hier alles auf Anhieb sehr gut. Zum Start läuft kurz der eingebaute Lüfter an. Dieser ist im Vollbetrieb für ruhiges Spielen zu Hause unangenehm laut, verstummte aber im Test nach dem initialen Aufheulen sehr schnell. Auch bei über einer Stunde Spielzeit bei moderater Lautstärke und rund 25°C Zimmertemperatur sprang der Lüfter nicht erneut an. Wenn die Endstufe stärker gefordert wird, so fällt auch das Lüfterrauschen nicht mehr ins Gewicht.
Die Idee des aktiven EQs beweist sich schnell als sehr praktisch und bietet mit jeweils +/-13 dB einen großen Handlungsspielraum. So kann man mit einem simplen Handgriff den Sound feintunen und ggf. schnell auf neue Venues oder Gegebenheiten anpassen. Das geht natürlich auch bei jedem mir bekannten Modeler, allerdings muss man dort immer in mehr oder minder komplexe Menüs abtauchen. Auch wenn man hier einen klassischen Preamp vorschalten möchte, der schon über einen EQ verfügt, kann dieses Feature praktisch sein: Je nach Topologie des Preamps liegt der eingebaute EQ vielleicht vor der Gainstufe. So hätte man einen EQ davor und durch die Endstufe noch einen dahinter. Ein bisschen erinnert dies dann an Mesa Amps und erweitert die Möglichkeiten der Tonformung erneut.
Mit aktivierter Endstufensimulation am Axe Fx verhält sich die Powerstage angenehm neutral und klingt in jeder Lautstärke gut. Sie überträgt das ihr anvertraute Signal mit genug Spritzigkeit und Punch. Wenn man die Endstufensimulation nun deaktiviert, muss man natürlich einiges an den Patches umbauen. Was nun im Clean-Kanal gut klingt, ist für mehr Gain viel zu Spitz. Diesen Eindruck hatte ich an meiner Mesa nie, aber die färbt das Signal natürlich von Haus aus nach Belieben. Die EHX stellt hier den Mittelweg dar und klingt auch eher in Richtung „neutral“. Aber bei der Duncan-Endstufe ist dies kein Problem, das kriegt man ja an den anderen Geräten (Effekte, Preamps … ) gut in den Griff. Wenn man mit einem klassischen Effektboard direkt in eine Endstufe spielen will, sollte man natürlich ein passendes Preamp-Pedal am Start haben, oder sich der klanglichen Limitierung bewusst sein.
Die Powerstage weiß gerade clean zu überzeugen. Dreht man hier Treble etwas auf, die Mitten deutlich zurück und stellt den Bass nach Belieben ein, so erinnert das Signal fast ein wenig an einen Fender. Nur wird man mit diesen Einstellungen und einem Distortion-Pedal, welches lediglich einen einzelnen Tone-Regler hat, vermutlich Probleme haben, die gewünschten Sounds zu erzeugen. Die Problematik ist vielen ja aus zweikanaligen Verstärkern bekannt, bei denen sich die Kanäle einen EQ teilen müssen. Weder der EQ, noch der Lautstärkeregler wirken sich auf das Signal aus, welches per XLR ausgegeben wird.
Das ist natürlich einerseits gut für den Mischer, weil dann auf der Bühne nicht mal spontan auch der FOH-Sound „optimiert“ wird, andererseits kann man somit wiederum nicht davon profitieren, den Sound der Endstufe auf den Preamp anzupassen. Verglichen mit den Boxensimulationen aus dem Axe Fx klingt die „True Cab Circuitry“ am ehesten wie eine 1x12er mit Alnico Speaker, bei der ein Low Shelf bei etwas über 100 Hz gesetzt wurde. Generell ist das Signal sehr bissig, verpasst es aber dennoch etwas, sich im Mix durchzusetzen. Mit ein wenig Nacharbeit am EQ in der DAW ist dies aber kein großes Problem.
Resümee
Seymour Duncan spricht mit seinen beiden Endstufen einen wachsenden Markt an und positioniert sich gekonnt. Hier wird der Old-School-Appeal vieler anderer Endstufen abgeschüttelt; es wird vielmehr Wert auf eine gute Optik und Haptik gelegt. Die Funktionalität bleibt dabei teilweise leider etwas auf der Strecke (ein Volume Regler für zwei Kanäle?), allerdings wird hier ein interessantes Gesamtpaket geschnürt, welches einfach zu bedienen ist und klanglich zu gefallen weiß. [2452]