(Bild: Dieter Stork)
In traditioneller spanischer Bauweise komplett von Hand gefertigt, mit sorgfältig abgestimmten Hölzern, die optisch wie klanglich ein harmonisches Gesamtbild ergeben sollen – der bundlose Mummel lässt Großes erwarten.
Seit 2015 ist Jens Schönitz mit seiner Firma selbständig, nach Stationen bei Marleaux und Höfner, zwischen denen er Instrumentenbau studierte und mit Auszeichnung für das beste Instrument des Studiengangs abschloss. Auch das war schon ein akustischer Sechssaiter-Bass …
AUFWENDIGE KONSTRUKTION
Wo soll ich bei einem so opulenten Instrument mit der Beschreibung anfangen? Gar nicht so einfach … Fange ich mal mit dem Korpus an. Die Holzauswahl orientiert sich an dem, was sich bei Zupfinstrumenten bewährt hat, und vorher schon jahrhundertelang Streicher glücklich gemacht hat, nämlich Fichte für die Decke, bosnisches Ahorn für Zargen und Boden. Die Hölzer sind natürlich massiv, das Ahorn kommt mit einer spektakulären Flamme.
Die Korpusränder und das über dem Griffbrettende gelegene Schallloch sind eingefasst mit rötlichem Tulip-Wood, das jeweils mit dreiteiligen Zierspänen abgesetzt ist. Eine weitere, gleicherart ausgeführte Einlage ziert den Boden. Das alles ist mit äußerster Sorgfalt ausgeführt, und schon hier ahnt man, wie viel Zeit für diesen Bass aufgewendet wurde. Sucht man die schöne Maserung des Bodens innen im Korpus, wird man nicht fündig werden: In Sandwich-Manier ist hier Fichte aufgedoppelt, was den Bass zusammen mit der Beleistung zusätzlich stabilisiert. Die mittig zusammengesetzte Fichtendecke selbst ist von feinstem Wuchs mit gleichmäßiger Maserung. Damit die Oberfläche bei perkussiven Spieltechniken nicht leidet, ist eine Schutzfolie aufgebracht.
(Bild: Dieter Stork)
Ungewöhnlich ist das „Cutaway“. Im Gegensatz zu den meisten Entwürfen, bei denen tatsächlich ein Ausschnitt des gesamten Korpus stattfindet, ist hier eine Absenkung in Decke und Zargen gearbeitet, mit Tulip-Wood abgedeckt und mit Zierspänen abgesetzt. So soll ein leichterer Zugang zu den hohen Lagen ermöglicht werden, ohne dem Instrument Bassvolumen zu nehmen. Auch diese aufwendige Lösung ist auf höchstem handwerklichen Niveau umgesetzt.
Der aufgeleimte Steg ist wiederum Tulip-Wood, mit wunderbar geschnitzter Dreidimensionalität. Metallene Saitenhülsen nehmen die Endpins der Saiten auf, die dann durch eingelassene Kanäle über drei Knocheneinlagen laufen. Diese sind verstellbar und können in einem gewissen Rahmen hin- und herbewegt werden, um eine korrekte Oktavreinheit zu gewährleisten. Unsichtbar befindet sich ein K&K-Pickup mit vier Transducern unter der Brücke, der sein Signal über eine Endpinbuchse abgibt.
Als Pickup-Alternative bietet Jens gegen einen Aufpreis von 500 Euro an, zusätzlich einen der sehr guten, ebenfalls passiven RMC-Abnehmer einzubauen, wie sie z. B. Godin und F-Bass verwenden. Beim Hals verlässt der Bass die klassischen Pfade der Holzauswahl, und das mit gutem Grund. Ahorn würde sich hier gut machen, dem Bass aber auch mit seinem Gewicht garantierte Kopflastigkeit bescheren. Also wurde das leichtere Cedro verwendet. Dieses Holz kommt entgegen seiner Bezeichnung als Spanische Zeder nicht von Nadelbäumen, sondern aus der Mahagoni-Familie.
Traditionell spanisch ist dagegen der Halsfuß, der also nicht angesetzt ist, der Hals ragt in den Korpus hinein. Das ist die akustisch beste Lösung, die zwar aufwendiger zu bauen ist, aber mittlerweile dürfte schon rauszulesen gewesen sein, dass hier kein Aufwand gescheut wird. Der Halsfuß hat beidseitig eine Hohlkehle – was ihm optisch die Wucht nimmt – und passend zur Korpuseinfassung eine Kappe aus Tulip-Wood bekommen. Mittig sitzt noch ein Gurtknopf aus Ebenholz.
Die Kopfplatte hat vorne wie hinten dreilagige Aufleimer mit Tulip-Wood als oberster Lage. Die Stimmmechaniken kommen von Schaller, die leichte Ausführung der bewährten M4 beugt ebenfalls der Kopflastigkeit vor. Elegant gelöst ist der Zugang zum Zweiwege-Halsstab: Das Plättchen auf der Kopfplatte wird von Magneten an Ort und Stelle gehalten. So kann man ohne Werkzeug schnell nachjustieren.
(Bild: Dieter Stork)
Aus pechschwarzem Makassar-Ebenholz ist das Griffbrett, das 24 Lagen bietet. Hübscher Zierrat ist die feine Einlage in der 12. Lage, für die meisten von uns notwendig sind die Lagenmarkierungen. Die sind in der Flanke da eingelassen, wo Bundstäbchen wären, mit passenden Perlmutt-Dots mittig in den üblichen Lagen. Auch auf der anderen Griffbrettseite sind kurze Markierungen eingesetzt, zu deren Zweck gleich mehr. Die Diskussion liniert gegen unliniert, Punkte auf den Linien gegen Punkte zwischen den Linien lasse ich mal außen vor, mir persönlich fällt die Orientierung so sehr leicht.
Neben dem Schallloch ist noch eine Daumenstütze aufgeleimt, die das Spiel am Halsende erleichtern soll. Der herausnehmbare Schallloch-Stopfen aus Tulip-Wood mit einem dicken Unterbau aus Schaumstoff kann in Situationen, wo es lauter wird und über Verstärker gespielt wird, helfen, Rückkopplungen zu bändigen.
GROSSE TÖNE
Optisch wie haptisch bestimmt die Lackierung des Basses den Eindruck. Ganz im Sinne der Rückbesinnung auf klassische Streichinstrumente hat der Mummel eine Schellack-Handpolitur bekommen. Dieses natürliche Finish geht zurück auf eine Rezeptur eines italienischen Geigenbauers und Restaurators, der Stradivari intensiv studiert hat. Auch das Innere wurde so dünn lackiert, um Schutz vor klimatischen Schwankungen zu bieten. Die gesamte Anmutung des Instruments bekommt so eine sehr warme Note, die Augen und Händen gleichermaßen schmeichelt.
Anders als viele andere Akustikbässen, die auf der Basis eines Jumbo- oder Dreadnought-Korpus ein zwar relativ entspannt spielbares, aber rein akustisch wenig ergiebiges Instrument ergeben, ist der Schönitz in einer ordentlichen Größe gebaut. Im Stehen am Gurt habe ich schon ganz ordentlich was vorm Bauch hängen, Gewicht und Balance sind aber sofort maximal komfortabel. In dieser Spielhaltung ist vom Griffbrett nichts zu sehen, da müssen Muskelgedächtnis und Gehör helfen, den richtigen Ton zu finden. Schon normale E-Bass Sechssaiter sind nicht ganz ohne, zumal wenn sie bundlos sind.
Der Hals zeigt Mummel aber von seiner zugänglichsten Seite. Breit, um den Saiten genug Raum zu geben, dafür aber in einer sehr gut in der Hand liegenden flachen D-Form ausgeführt. Dazu kommt, dass, wie schon gesagt, das Schellack-Finish einfach herrlich anzufassen ist, welches hier noch zusätzlich gewachst und mattiert ist.
Der Knochensattel ist perfekt eingerichtet, sodass die Bespielbarkeit in den unteren Lagen entspannt ist. Die Saitenlage insgesamt wäre beim E-Bass mittel bis hoch, aber ein akustisches Instrument braucht für volle Dynamik einfach Raum, um die Saiten schwingen zu lassen.
Apropos Saiten: Aufgezogen sind Thomastik-Saiten mit Nylonkern und Phosphorbronze-Wicklung. Die haben eh einen recht weichen Zug, bringen aber dank der extrem schwingfreudig gearbeiteten Decke problemlos einen satten, vollen Ton. Der lässt sich über den Anschlag sensibel steuern, zwischen knackig und konkret in Stegnähe und kontrabassig weich am Hals. Dabei singt der Bass, dass es eine helle Freude ist.
In meiner normalen Sitzhaltung mit dem Bass auf dem rechten Oberschenkel ändert sich nicht wirklich etwas am Spielgefühl. Schon aber, wenn ich den Bass wie eine klassische Gitarre behandle, ihn auf dem linken Bein absetze und zu mir hin neige. Das erleichtert auch den Zugang zu den hohen Lagen, wobei bei den höchsten der linke Daumen wie beim Kontrabass hinter dem Hals vor muss. Jetzt machen auch die Linien auf der abgewandten Seite des Griffbretts Sinn, die ich unter der C-Saite so eben erkennen kann und die bei Bedarf optische Hilfe auf dem breiten Spielfeld geben.
Optional gibt es einen Kantenschoner, der da angesetzt werden kann, wo der rechte Arm abgelegt wird, und eine etwas freundlichere Rundung ergibt, und außerdem eine Gitarrenstütze, wie sie manche Klassikgitarristen nutzen, um das Instrument in die klassische Spielhaltung zu bringen. Die Sorgfalt und Bedachtheit in der Fertigung überträgt sich auch auf den Ton des Instruments. Fein ausgewogen, singend durch alle Lagen mit einem Sustain, das nur in den allerhöchsten Lagen kurz und stupsig wird – es macht richtig Spaß, sich auf den Mummel einzulassen!
Da, wo die durchaus beeindruckend akustische Lautstärke des Basses nicht mehr ausreicht, gibt es ja noch einen Tonabnehmer. Der bewährte K&K liefert ein sauberes, ausgewogenes Signal ab, das schon an einem normalen, neutralen Bassamp gut klingt. In Kombination mit einem Vorverstärker und/oder einem auf Akustikinstrumente spezialisierten Verstärkers blüht er nochmal mehr auf. Hier stehen dann auch Möglichkeiten wie Notchfilter und Phasenschalter zur Verfügung, die helfen, Rückkopplungen zu vermeiden.
Ein passender Preamp von K&K kann auf Wunsch gleich mit erworben werden. Auch der Schalllochstopfen kann Raum für höhere Lautstärken schaffen. Sein Einsatz zeigt, wie sensibel der Bass und der Tonabnehmer reagieren, denn die Schwingung der sensiblen Decke wie auch die Wiedergabe am Amp ändern sich drastisch.
(Bild: Dieter Stork)
RESÜMEE
Adjektive wie „der beste“ sind immer mit Vorsicht zu genießen, ist doch vieles in der Musik wie bei Instrumenten Geschmackssache, und des einen Kuckuck ist des anderen Nachtigall. Der wunderbare Schönitz Mummel macht es mir schwer, diese Superlative zu vermeiden. Was das handwerkliche Niveau angeht, ist das definitiv Endstand. An jeder Stelle ist zu spüren, wie liebevoll und sorgfältig hier gearbeitet wird, die Konstruktion ist vollends ausgereift.
Bei akustischen Bässe ist allein der/die Spieler:in für die Tonbildung verantwortlich. Auch wenn der Mummel als ausgewachsener Akustik-Sechssaiter eine beeindruckende und vielleicht gar einschüchternde Erscheinung ist, macht er es leicht, ihm einen schönen, tiefgehenden Ton zu entlocken. Ein seelenvolles Instrument, auf das es sich einzulassen lohnt, und dich mit einem beseelten Spielerlebnis belohnen wird.
PLUS
● üppige Verarbeitung
● Sound
● Bespielbarkeit
● ausgesuchte Hölzer
● Schellack-Lackierung
● Koffer
(erschienen in Gitarre & Bass 01/2022)