Nicht von dieser Welt

Test: Saitenkraft Nexus7 Universum

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(Bild: Dieter Stork)

Dass es auch Gitarren abseits der oft beschrittenen Pfade gibt, zeigt die Nexus7 Universum auf beeindruckende Art und Weise. Der Custom-Gitarren-Hersteller Saitenkraft hat nicht nur eine eigenständige Formensprache entwickelt, sondern auch bezüglich der verwendeten Materialien weniger ausgetretene Wege erkundet.

Hinter Saitenkraft steht Urs Kuratle, der seine Gitarren unter Einsatz moderner CNC-Frästechnik und traditioneller Handarbeit vollständig in der Schweiz fertigt. Dabei hat er durchaus den Anspruch, dass jedes Instrument ein Unikat ist und bei Bedarf auf die Bedürfnisse des jeweiligen Kunden angepasst wird. Dabei greift er auf zum Teil ungewöhnliche Hölzer wie Räuchereiche, Eisbuche und Nussbaum zurück.

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SCIENCE FICTION

Schon auf den ersten Blick sieht man der Testgitarre an, dass hier alles auf maximal gute Nutzbarkeit und Handling getrimmt wurde (mehr dazu später). Beim Korpus hat man sich für ein sehr ansehnliches Stück Eisbuche entschieden, das durch die Maserung ein wenig an Spalted Maple erinnert. Tatsächlich handelt es sich hier um Buchenholz, das eine Art Veredelungsprozess mittels einer speziellen Lagertechnik durchläuft und dadurch die besondere Optik bekommt. Obendrauf sitzt ein dickes Furnier aus Riegelahorn, das mit einer hauchdünnen Sperrung aus Nussbaumfurnier verleimt wurde. Das flache Oberarm-Shaping legt dabei die drei Hölzer so frei, dass jede der Schichten sichtbar wird.

(Bild: Dieter Stork)

Der verschraubte, fünfteilige Hals aus Riegelahorn wurde für eine höhere Steifheit der Konstruktion ebenfalls mit einem Furnier aus Räuchereiche gesperrt. Passend zum Korpus wurde auch die Kopfplatte mit einer Decke aus Riegelahorn verziehrt und genau wie der Body mit einem offenporigen, grau-schwarzen Lack versehen, was ein seidenmattes Finish mit sehr schöner Haptik ergibt. Das dunkelbraune Ebenholz-Griffbrett trägt 24 Jumbo-Bundstäbe aus Edelstahl, die in gefächerter Anordnung sauberst eingelassen und abgerichtet wurden. Durch die Fanned-Fret-Bauweise ergibt sich eine Mensur von 648 mm auf der hohen E-Saite und 686 mm auf der tiefen H-Saite.

Ein spektakuläres Highlight sind die überaus aufwendigen angeordneten Griffbrett-Einlagen: hier wurde keine handwerkliche Mühe gescheut und mit einer beeindruckenden Liebe zum Detail eine Art Sternbild nachempfunden. Der Knochensattel wurde ebenso sauber verarbeitet wie die Bundierung und führt die Saiten schnurstracks zu den sieben satt und geschmeidig laufenden Locking-Mechaniken aus dem Hause Planet Waves.

Passend zur gefächerten Bundierung wurden natürlich auch die Tonabnehmer angewinkelt verbaut. Hier handelt es sich um das äußerst beliebte Nazgul/Sentiment-Set von Seymour Duncan, das ja fast schon als eine Art moderner Klassiker des US-Pickup-Herstellers gewertet werden muss. Anstatt eines durchgehenden, massiven Stegs, finden Einzelreiter von ABM Verwendung, die passend versetzt zum Verlauf der Mensur auf der Decke verschraubt wurden.

Elektronisch gesehen funktioniert die Nexus7 Universum recht simpel: Master-Tone, Master-Volume (Push/Push-Ausführung für Coil-Taping des Halstonabnehmers) sowie ein 3fach-ToggleSchalter – mehr braucht es nicht. Umso spektakulärer ist dagegen das E-Fach, das nicht mit einer Kunststoffplatte, sondern mit einem passenden Stück Eisbuche abgedeckt wird. Um sich unschöne Schrauben zu sparren, wird der Deckel mit drei kleinen Neodym-Magneten gehalten und lässt sich mit einem beherzten Druck in die linke, obere Ecke öffnen. Das gibt den Blick frei auf ein sauber gearbeitetes E-Fach.

(Bild: Dieter Stork)

Hier wurde unheimlich präzise gelötet und kein Draht auch nur einen Millimeter zu lang gelassen. Auf dem Tone-Regler thront ein dicker Papier-in-Öl-Kondensator von Emerson. Der schwarze Abschirmlack rundet das Gesamtbild wunderbar ab und es bleibt festzuhalten, dass wir es hier mit einer Gitarre zu tun haben, die rein handwerklich in der absoluten Top-Liga spielt.

GALAKTISCH GUT

Das fast schon utilitaristisch anmutende Design der Nexus7 zeigt seine große Stärke in der Handhabung des Instruments. Das untere Cutaway und der damit verbundene Schwung des unteren „Hörnchens“ sorgt dafür, dass die Nexus7 im Sitzen gespielt sich fast schon an den Oberschenkel klebt. Selten habe ich eine Gitarre im Sitzen als so komfortabel bespielbar erlebt. Auch am Gurt hängend weiß die Gitarre absolut zu überzeugen.

Akustisch überzeugt die Nexus7 Universum auf Anhieb: ein tiefer H-Akkord zeigt, dass das Instrument tief und lang anhaltend resoniert und dabei ein beeindruckendes, klangliches Volumen liefert. Während das Klangbild in den Höhen brillant rüberkommt und und sehr gleichmäßig ausklingt, ist es in den Mitten ein wenig gezügelt und im direkten Vergleich mit einigen anderen Gitarren weniger bellend.

Am Verstärker zeigt sich im Clean-Kanal, dass sich die Pickups als eine äußerst gute Wahl erweisen. Vor allem der Hals-Humbucker kann hier punkten. Der volle und erdige Klang hat auf den Diskantsaiten ein knackiges Attack, das in schön harmonisch ausklingende Obertöne mündet. Auf den Basssaiten wird dagegen deutlich, wie fett und voluminös die Nexus7 Universum klingt und bei einem tiefen Powerchord bebt hier eindrucksvoll die Erde. Anders als bei vielen anderen High-Output-Tonabnehmern, ist im Singlecoil-Betrieb ein klarer und sehr seidig klingender Einspuler-Sound zu hören, der ebenfalls zu überzeugen weiß.

Der auf der Steg-Position verbaute Sentient-Pickup schlägt eine deutlich härtere Gangart ein und lässt mich den Verstärker voller Vorfreude schnell in den Distortion-Kanal schalten: die Nexus7 Universum liefert hier ein unheimlich massiv und brachial klingendes Brett, das gehörig Luft in Bewegung versetzt. Auffällig ist hier, dass die Kombination aus Holz und Tonabnehmern dafür sorgt, dass ein absolut ausgewogenes Klangbild entsteht, in dem es keinerlei nervige Überbetonung gibt. Die Bässe sind trotz ihrer Wucht klar und präzise, während die Mitten aggressiv aber keineswegs nasal klingen.

Sicher: Durch die hohe Ausgangsleistung der Seymour-Duncan-Tonabnehmer ist die Nexus7 natürlich für die härtere Gangart prädestiniert. Ich würde jedoch keinesfalls behaupten, dass wir es hier mit einem One-Trick-Pony zu tun haben – ganz im Gegenteil. Auf dynamisches Spiel bei zurückgedrehtem Volume-Poti reagiert diese Gitarre ebenso souverän wie auf bluesige Fingerpicking-Licks in den hohen Lagen.

Zu erwähnen wäre noch, dass die Bundierung so gestaltet wurde, dass sich das Instrument vollkommen problemlos spielen lässt. Die Fächerung des Griffbretts hat ihren Mittelpunkt im fünften Bund, sodass der Winkel der Bünde in den tiefen Lagen nicht so flach wird, dass die Finger sich verrenken müssten, um beispielsweise einen Barré-Akkord im ersten Bund zu greifen. Auch Gitarristen mit etwas kleineren Händen, sollten hier keine Probleme haben.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Diese Saitenkraft ist eine Siebensaiter der Oberliga. Urs Kuratle zeigt eindrucksvoll, dass er nicht nur Gitarren mit eigenständiger Form, sondern Instrumente auf höchstem handwerklichen Niveau bauen kann. Von der Wahl der Materialien, über die Verarbeitung bis hin zum imposanten Klang, gibt es keinen Anlass zum Meckern. Natürlich hat solch eine Edelgitarre einen stattlichen Preis. Bedenkt man aber den Aufwand, der im Design und der Fertigung eines solchen Instruments steckt, sind die Anschaffungskosten zu rechtfertigen. Sollte man sich für den Kauf entscheiden, so bekommt man eine Gitarre, die keine Wünsche mehr offen lässt.

PLUS

  • Verarbeitung
  • eigenständiges Design
  • gefächerte Bundierung
  • Klang
  • Material-Mix
  • Tonabnehmer

(erschienen in Gitarre & Bass 09/2020)

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Vom Design her unterirdisch.wer kauft sich solch ein Paddel.

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  2. Also gut mach die Gitarre sein, aber das Auge spielt auch mit.
    Das ist irgendwie total dekadent

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    1. Was bitte ist daran dekadent?

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  3. Diejenigen, die Design und Ergonomie inkl. qualitativ höchstwertiger Materialien haben wollen.
    Für den Rest gibt’s die Stangenware… da reicht auch ne Cort, Hauptsache sie schaut nach Standard aus.

    Aber es gibt halt auch Musiker, die aus dem Schema F fallen wollen, die “sie selber” sein wollen. Genau für solche Personen, denen Handarbeit und Exklusivität wichtiger ist, als mit dem Strom zu schwimmen, ist eine solche Arbeit gemacht.

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