Juha Ruokangas ist eine etablierte Größe im europäischen Kreis der High-End-Gitarrenbauer. Der umtriebige Finne wollte sich aber mit Kunsthandwerk allein nicht zufrieden geben, ging in dunklen nordischen Nächten zunächst mit einer Idee schwanger, und brachte schließlich ein wirklich unvergleichliches Kind zur Welt: den ValveBucker.
Was zum Teufel ist ein ValveBucker, werden sich viele Gitarristen zu Recht fragen. „Ein röhrenbetriebener Pickup? Ja, braucht’s des?“ würde der Harry vielleicht sagen. Sicher, hat was von Steam Punk, eine Erfindung in Zeiten von Digitalisierung, Profiling, Modeling und Co. ausgerechnet auf Grundlage der altmodischen Röhre zu machen. Aber schauen wir doch mal!
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NORDISCHE HANDWERKSKUNST
Die Konzeption einer Gitarre mit von Röhren gestützter Tonabnahme ist absolut einmalig. Auf die Idee ist zuvor niemand gekommen. Warum auch? Reicht es nicht, die Tonwandlung über den Verstärker per Röhre zu vollziehen? Und selbst das halten viele Spieler heute ja schon für überholt, nicht zuletzt, da Röhren in verschiedenen Leistungsstufen unterschiedlich klingen, also kein in allen Lautstärkestufen verlässlich identisches Klangbild liefern können.
Ganz abgesehen von der enormen Flexibilität, die die modernen Modeling-Amps tatsächlich durch den quasi unbegrenzten Zugriff auf Sounds aller Art gewähren. Sagen jedenfalls die einen, die anderen schwören nach wie vor auf die Röhre mit ihren unbestreitbaren dynamischen Möglichkeiten.
Gute Gründe gibt es also für beide Positionen. Was für ihn richtig ist, muss jeder Spieler also nach wie vor für sich selbst anhand seiner Ansprüche an Sound und klanglicher Beweglichkeit herausfinden.
Aber zurück zu unserem Captain Nemo des E-Gitarrenbaus. Gut zu wissen vielleicht noch, dass die Duke das erste Design war, mit dessen Prototypen Juha Ruokangas 1997 reüssierte. Der Korpus des ValveBucker-Modells Duke Classic ist aus Spanish Cedar (aka Cedro, ein Mahagonigewächs) mit elegant konturierter Decke aus arktischer Birke gefertigt, jeweils zweiteilig mittig gefügt. Bei Ruokangas eine bewährte Kombination.
Die Decke ist nicht eingefasst, ein Fake-Binding bietet in der naturbelassenen Holzfarbe aber eine attraktive Rahmung. Der Korpus misst am Halsansatz satte 5,1 cm – gute Les Paul-Stärke also, wenn man so will. Am Boden oben finden wir allerdings eine großzügig geschnittene Anlagebucht.
(Bild: Dieter Stork)
Der mit langem Halsfuß in den Korpus eingeleimte Hals aus Cedro ist mit einem von arktischer Birke eingefassten Griffbrett aus Ebenholz von 12″ Radius kombiniert. Die 22 Stainless-Steel-Bünde zeigen perfekt verrundete Enden, eine aufwendige, ungemein akribisch ausgeführte Arbeit. In Höhe des 12. Bundes ist lediglich das Ruokangas-„R“ eingelegt, kleine schwarze Dots im hellen Holz-Binding sorgen aber für sichere Griffbrettnavigation.
Über eine Volute am Halsrücken ist die elegante Kopfplatte in leichtem Winkel (10°) herausgeführt. In den relief-artig aufgesetzten Layer aus Ebenholz ist das Ruokangas-Logo in Perlmutt eingelegt.
Gotoh SGL510 Locking Tuners in Gold mit Ebenholzgriffen sorgen für eine verlässliche Stimmung. Über den Sattel aus Elchknochen werden die Saiten mit 62,8-cm-Mensur hinüber zur ABM-3024-Bridge am Korpus geführt, ein moderner Wraparound-Typ aus Glockenmessing mit individuell justierbaren Saitenreitern, der hier aber auch noch vom Korpusboden aus per Schraubverbindung („Lock Through Body Bushings“) zusätzlich stabilisiert wird.
DIE GEHEIMNISVOLLE ELEKTRIK
(Bild: Dieter Stork)
Mittig positioniert finden wir bei der Duke den ValveBucker-Pickup mit dem Charme eines goldenen Bullauges (ValveBucker Lens) in die Decke eingelassen. Unter der Gitterfolie sind die zwei implementierten kleinen Röhren zu erkennen. Der magnetische Pickup unterscheidet sich stark von herkömmlichen Tonabnehmern und ist für die Übertragung eines sehr weiten Frequenzspektrums ausgelegt.
Der Preis für diese sensible breitbandige Auflösung ist ein schwaches Signal, das von den Röhren in zwei „Gain Stages“ verstärkt wird. Die erste Röhre (Triode) dient der Verstärkung, die zweite (Pentode) ist für das Voicing zuständig. Die Konfiguration der Pickups ist als Humbucker-Humbucker angegeben, ein Dreiwegschalter und ein zusätzlicher Boost-Switch stehen zum Aufruf der angelegten Klangoptionen zur Verfügung – was es damit auf sich hat, sehen wir dann später noch.
Zur allgemeinen Verwaltung finden wir noch jeweils generell arbeitende, gut platzierte Volumeund Tone-Regler auf der Decke. Angeschlossen wird die Gitarre via XLR-Kabel über eine Floor Unit in Effektgerätgröße mit 12V-Netzteil, welches den ValveBucker mit Phantom Power versorgt, gleichzeitig aber auch noch einen Eingang für den Anschluss anderer Gitarren bietet. Über den Ausgang dieser Floor Unit gehen wir wie gewohnt weiter in den Amp oder ins Pedalboard.
Wie wir es gewöhnt sind, bietet Juha Ruokangas bei seinen Gitarren nicht weniger als ultimative handwerkliche Kunstfertigkeit. Auch fanden selbstredend nur Komponenten auf High-End-Niveau bei der Duke Classic Verwendung. Jedes Detail ist perfekt auf den Punkt gezogen, vor allem aber gibt uns die langjährige Entwicklung des ValveBuckers eine Ahnung von der Hingabe und Passion mit der der Gitarrenbauer hier am Werk war und ist.
INTUITIVE HANDHABE, SONORE ERLEUCHTUNG
Die elektrische Umsetzung des Klangpotentials eines Instruments mag noch so abgefahren sein, uns Spieler interessiert in erster Linie immer noch die Haptik, die Ergonomie, kurz gesagt: das Spielvergnügen, welches so ein Hobel uns zu bieten vermag. Nehmen wir ein Instrument in die Hand, muss einfach alles passen, Wohlgefühl uns warm umfluten. Gute Nachricht: mit diesem Anspruch sind wir bei Ruokangas an der genau richtigen Adresse.
Das inzwischen gut abgehangene, fein austarierte Duke Design bietet optimale Ausrichtung, perfekte Griffbrettaufsicht und mit seinem Big-C-Halsprofil plus idealtypischer Bundierung darüber hinaus auch noch einen handfesten Suchtfaktor.
Akustisch angeschlagen kann die Duke den unbedarften Spieler schon erschrecken, sagen wir besser spontan in Bann ziehen. Sie ist enorm präsent, sie ist direkt und sie ist schnell. Dynamisch in der Ansprache, weit aufgefächert in der Akkordspreizung mit perfekter Saitentrennung lässt sie auch in Sachen Schwingungsentfaltung und Tonlänge absolut keine Wünsche offen.
Das alles kann uns aber wiederum nur Vorspiel sein für die besondere aktive Elektrik der Duke, die annähernd vergleichbar ist mit der nuancenreichen Signalübertragung eines Neumann-Röhren-Mikrofons. Natürlich war Juha Ruokangas bei der Entwicklung bewusst, dass High Fidelity nicht dem erwarteten Klangbild einer E-Gitarre entspricht und entsprechend musste die Informationsfülle eingegrenzt, das übermittelte Frequenzbild durch eine spezielle interne Manipulation („sculpting the sound with various voicings“) unseren Hörgewohnheiten angepasst werden.
Das Instrument wird zunächst über ein (Mikrofon-) Kabel mit XLR-Steckern an die Floor Unit angeschlossen. Von der aus geht es mit einfacher Klinke weiter in den Amp, ins FX-Board, oder was auch immer. Die beiden den Pickup flankierenden Röhren beginnen sanft zu glühen (kleine Raubtiere hinter Gittern?), was allein schon ein Hingucker ist. Aber darum geht es hier ja nicht – hier geht es um Klangschöpfung!
Was wir mit klar eingestelltem Verstärker sofort hören, ist die ungemeine Präsenz und Vitalität der Klangwandlung in allen Schaltstufen des 3-Wege-Toggle-Switches. Durch gut gesetzte Filterstufen/Voicings werden Pickup-Positionen simuliert: Pos. 1 Full Range, Pos. 2 Neck und Pos. 3 Bridge.
Die Neck-Position 2 vermittelt ein volltönendes, extrem durchsichtiges Akkordbild, bei dem die Bässe straff und konturstark, die Mitten dicht, aber doch durchlässig und die Höhen mit glasigem Glanz inszeniert werden.
Schalten wir auf die Bridge-Position 3, so steht der eh schon präsente Klang noch weiter vorn mit einer Präsenz, die den Spieler förmlich anspringt. Wiederum ist die Transparenz der Darstellung enorm, die glitzernde Höhenwucht überwältigend.
Die Schaltstufe Pos. 1 repräsentiert den ValveBucker in seiner natürlichsten Form. Darüber tönt es tatsächlich nach vollem Spektrum, breit aufgezogen im Frequenzbild mit tendenziell akustischem Touch, der sich tatsächlich in Richtung einer verstärkten Steelstring auslegen lässt. Er transportiert feingliedrige Signale, leicht kehlig, höchst transparent und ungemein dynamisch.
Gehen wir auf die Zerrpositionen des Amps, so hören wir die zuvor beobachteten Eigenschaften quasi hochgerechnet. In allen Schaltstufen ist die Tondichte und -nähe geradezu erstaunlich. Ansprache und Gestaltungsdynamik suchen ihresgleichen. Jede Aktion mit dem Plektrum wird nuanciert herausgestellt, natürlich auch jede spieltechnische Schwäche.
Und dann ist da ja auch noch der Boost Switch, der mit einer Signalanhebung um 6 db für eine weitere Verdichtung und Verschärfung des Sounds sorgt – sehr nützlich, um ein paar mehr Kohlen ins bereits hell lodernde Feuer zu werfen!
Wie oben schon erwähnt, wird die enorme Übertragungsbreite künstlich eingegrenzt, um dem gewohnten Klangbild nahe zu bleiben und eine als klinisch empfundene Darstellung zu vermeiden. Allerdings bleibt grundsätzlich ein besonderer Glanz im Spiel mit einem artifiziellen Hauch und die Frage drängt sich auf: Ist das nicht von allem zuviel? Das ist es letztlich, woran sich bei diesem ansonsten absolut grandiosen Klangbild die Geister scheiden werden. Ein Problem indes ist das auf keinen Fall.
Jede Veränderung einer langfristig geprägten, von Gewohnheit verifizierten Wahrnehmung, wird wenig überraschend mit Misstrauen beobachtet. Aber wir reden hier ja auch keineswegs von Mainstream. Den wird das aufwendig entwickelte und grandios umgesetzte Wandlungsprinzip des ValveBuckers gar nicht tangieren. Die Lücke für ein ganz besonderes High-Definition-Gefühl im Kontext der E-Gitarre, die vermag Juha Ruokangas allerdings effektiv zu schließen.
RESÜMEE
„Einen guten Musiker erkennst du auch, wenn er auf einem Kamm bläst!“ Joe Zawinul hat natürlich recht, aber zugleich war gerade er bekannt für den Einsatz von High-Tech-Handwerkszeug. Kann man aber überhaupt einen Schritt in Richtung Zukunft mit alter Technologie machen? Juha Ruokangas schert so ein Gedanke nicht. Wenn im längst traditionell gesetzten elektrischen Gitarrenkosmos eine Röhre – eh für viele Spieler zur Verstärkung unersetzlich – auf unerwartete Weise den Klangraum nochmals zu erweitern, oder die Klangqualität zu verbessern vermag, dann ist ihm der Steam-Punk-Verdacht schlicht egal. Sollen sie ihn doch ruhig Captain Nemo nennen.
Obwohl es also mit den bisher bekannten Mitteln natürlich weiterhin uneingeschränkt möglich ist grandiose Musik zu machen, öffnet uns Juha hier das Türchen zu einem geheimen Garten, dessen Zugang schon vom Preis her nur dem gut betuchten Connaisseur vorbehalten bleiben wird. Ein großartiges Instrument ist dieses Duke Classic ValveBucker-Modell in jeder Hinsicht aber ohne Frage. Juha Ruokangas: „Welche Anwendung es dafür gibt und ob es einen Platz in der Welt hat, das müsst ihr Musiker da draußen entscheiden!“
PLUS
● unikale Elektrik mit von Röhren getriebenen Pickups
● perfektes Design
● Schwing-, Dynamikverhalten
● ValveBucker mit variablen Schaltstufen
● ungemein vitale Sounds
● Hals, extraklasse Bundierung
● Detailwidmung
● großartige Handwerkskunst
Ca. 8500 Euro für sowas auszugeben, ist echt übertrieben. Mit ein wenig elektronischem Verständnis baue ich mir eine Röhrenvorstufe gleicher Art in einen Verstärker ein und erziele die gleichen, hier literarisch kostbar umschriebenen Effekte, ohne noch zusätzliche Stromversorgungskistchen mit unhandlichen XLR-Kabeln zum ohnehin umfangreichen Equipment hinzufügen zu müssen. Ich glaube nicht, dass diese hochgelobte Technik ein kommerzieller Erfolg wird.
Ca. 8500 Euro für sowas auszugeben, ist echt übertrieben. Mit ein wenig elektronischem Verständnis baue ich mir eine Röhrenvorstufe gleicher Art in einen Verstärker ein und erziele die gleichen, hier literarisch kostbar umschriebenen Effekte, ohne noch zusätzliche Stromversorgungskistchen mit unhandlichen XLR-Kabeln zum ohnehin umfangreichen Equipment hinzufügen zu müssen. Ich glaube nicht, dass diese hochgelobte Technik ein kommerzieller Erfolg wird.