Vintage muss man sich leisten können

Test: Rocktile Vinstage ST- und T-Style

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(Bild: Dieter Stork)

Wer bisher mit nur schmalem Geldbeutel eine Gitarre im Vintage-Look wollte, der musste kreative Wege finden und sich auf dem Markt gut umschauen. Nun schließt sich Rocktile dem noch recht überschaubaren Angebot an sehr erschwinglichen Gitarren im „Vintage“-Look an.

Mit der Marke Rocktile bietet das im bayerischen Schongau gelegene Musikhaus Kirstein schon seit einiger Zeit Instrumente und Zubehör zum kleinen Preis. Wir schauen uns mal zwei Vertreterinnen der „Vinstage“-Reihe an und prüfen nach, ob da auch „Mojo“ drin ist – und die Teile nicht nur so aussehen …

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DIE IST DOCH KAPUTT …

Für Uneingeweihte sehen die ST-RMBK und die TL-RMBK, wie die beiden so ganz Mojo-befreit heißen, tatsächlich recht abgeschrappt aus – aber das ist hier freilich Programm. Bei der Vinstage-Serie handelt es sich um künstlich gealterte Kopien bekannter Designs für den schmalen Taler. Schauen wir uns zuerst mal die T-Style an. Sklavisch an Vintage-Specs hielten sich die Vinstage-Designer bei der Umsetzung nicht, was sicherlich Geschmackssache ist: Der Hals ist weitaus schlanker als bei einer alten Fender Telecaster, hat ein recht modernes C-Shape und einen Griffbrett-Radius von 14“ – das ist super flach, selbst im Vergleich zu einer modernen USA-Tele (9,5“).

21 Medium-Bünde sorgen für ein sogar „Shredding-komfortables“ Spielgefühl, da sausen die Finger mühelos auf und ab. Der mattierte, nicht zu dick lackierte Hals ist aus massivem Ahorn mit einem ebensolchen aufgeleimten Griffbrett – beides wurde „roasted“, also mittels Hitzebehandlung gedunkelt. Ein neuer Trend, nun auch im Einsteiger-Preisbereich. An der Kopfplatte verrichten Non-Name-Vintage-Style-Mechaniken klaglos ihren Dienst, ein einsamer Stringtree führt die hohe E- und die H-Saite vom Knochen(!)-Sattel relativ hoch über der nach hinten versetzten Kopfplatte. Dort befindet sich auch, anders als bei einer alten Tele, der bequeme Zugang zum Halsstab.

(Bild: Dieter Stork)

Auf der anderen Seite des Halses laufen die Saiten über zwei nicht weiter spezifizierte Singlecoils mit recht niedrigem Output zur Vintage-Style-Brücke mit drei Stahlreitern, die nicht zwecks besserer Intonation kompensiert ausgeführt sind. Überrascht bin ich von der Wahl des Korpusholzes – laut Kirstein handelt es sich um Mahagoni! Bleibt noch zu erwähnen, dass der Body, ganz klassisch, keinen modernen Bierbauch-Cut spendiert bekommen hat und die Gitarre mit um die 3 kg recht leicht ist.

(Bild: Dieter Stork)

Wie steht es um das eigentliche Feature, die künstliche Alterung? Die ist angenehm dezent und doch deutlich wahrnehmbar: Der Lack ist dünn, schwingungsfreundlich und lässt die Holzstruktur sehen und spüren – obgleich kein Nitro, sondern Polyurethan. Die abgewetzten Stellen finde ich recht authentisch gewählt und geschmackvoll ausgeführt – das geht ja sonst gerne mal ins Lächerliche.

Die Hardware dagegen wurde eher stiefmütterlich „gealtert“, die Brücke z. B. glänzt fast wie neu, und die Halsplatte sieht aus, als wäre sie absichtlich mit einer korrodierenden Flüssigkeit behandelt worden, um Alterungserscheinungen zu faken (was wohl genau so auch geschehen ist). Alles Geschmackssache, und die authentische Alterung von preisgünstigen Chrom-Teilen ist, im Gegensatz zu Nickel-Hardware, auch nicht so einfach.

Nun zur ST-Style. Diese folgt in den Features ihrer T-Style-Schwester, das heißt: Gleiches Hals-Design und -Material, gleiches Alterungsschema. Allein, hier ist der Body aus Esche. Die Saiten schwingen hier über drei ebenfalls nicht weiter benannte Singlecoils, die mit dem klassischen Layout (2x Tone, 1x Volume) und 5-Wege-Schalter gesteuert werden. Auch die haben einen relativ niedrigen Output – keine heißen Rock-Aggregate, sondern gemäßigte Tonumwandler für Twang, Clean und Crunch. Beim Tremolo (korrekterweise müsste man sagen: Vibrato) handelt sich um ein Vintage-Style-Gerät mit sechs Schrauben und den typischen, gebogenen Saitenreitern.

Unter der Haube verrichtet nur eine recht dünne Platte aus einer Zink-Legierung ihren Dienst als Saitenhalter – eine erste Anlaufstelle für ein Upgrade, sollte man sich die Vinstage pimpen wollen.

(Auf der nächsten Seite geht’s weiter!)

DRAHT UND LUFT

Beide Gitarren erfreuen mich zunächst mit einer sehr guten Werkseinstellung und erzeugen sofortige Spielfreude – das ist beileibe keine Selbstverständlichkeit in dieser Preisklasse. Bei der ST ist das Vibrato aufliegend eingestellt, die Federn sehr stramm – der tiefe „Wicked Game“-Dive will nicht so locker von der Hand gehen. Aber die Einstellung eines Strat-Vibratos ist ja auch Geschmackssache und muss jeder für sich selbst vornehmen.

(Bild: Dieter Stork)

Akustisch gespielt überzeugen beide Gitarren mit einer trockenen, holzigen Schwingungsfreude, wie man sie von Gitarren mit so dünnem „Vintage-Lack“ auch erwartet. Am Amp erweisen sie sich als sehr luftige und drahtige Gesellinnen, mit viel Brillanz und Perkussivität im Klang, was auch dem niedrigen Output der Pickups geschuldet ist. Und so eignen sich beide für viele Zwecke – nur für High Gain Distortion nicht unbedingt. Ich mag, wie die T-Style mit dem Hals-Pickup ihre feingliedrige Art bewahrt und nicht dumpf zumacht. So ist sie das ideale Rhythmus-Begleitinstrument mit fast schon Akustikgitarren-artiger Strumming-Qualität.

Der Bridge-Pickup beißt dagegen in Eierschneider-Manier zu und bietet genau den fiesen Twang, den viele an einer Tele lieben. Die ST-Style verhält sich, trotz anderen Korpusholzes, recht ähnlich – luftig, perkussiv, twangy. Irgendwie muss ich ständig alte Buddy-Holly-Licks und -Riffs mit ihr spielen, dazu inspiriert der Sound geradezu. Und ja, die Zwischenpositionen „knopflern“ adäquat, so muss das sein. Und erst „Le Freak“ … Nile Rodgers hätte seine helle Freude an dem Teil.

Ob man mit diesen Tonabnehmern glücklich wird, wenn man ‚Smoke on the Water‘ anstimmt oder mit viel Sustain den Gilmour machen will? Das muss jeder selbst entscheiden, ich bräuchte dafür etwas mehr „Fleisch“ – aber deshalb haben wir ja alle die Berechtigung, deutlich mehr als nur eine Gitarre in unserem Fuhrpark zu haben, jawoll!

 

FAZIT

Der künstlich gealterte Look der Vinstage-Serie ist natürlich das hauptsächliche Feature – was mich allerdings noch viel mehr begeistert, ist der Charme dieser sehr drahtigen und luftigen Pickups in Kombination mit dem dünnen Lack und der leichtfüßigen Attitüde der beiden Probandinnen. Da kommt man fast auf den Gedanken, sich die beiden als Studio-Rhythmus-Geheimwaffen ins Arsenal zu stellen. Kosten ja auch (fast) „nix“ – und ob nun die Hardware wirklich so toll und authentisch gealtert ist, wäre mir völlig egal. Also Daumen hoch für ein zwar nicht durchgängig „vintageorthodoxes“, aber sehr komfortables und im besten Wortsinne preiswertes Duo!

PLUS

● charmante Low-Output-Pickups
● gute Verarbeitung
● realistische und geschmackvolle Body-Alterung
● Knochen-Sattel
● Bespielbarkeit
● geringes Gewicht
● Preis/Leistung

MINUS

● Alterung der Hardware inkonsistent

(erschienen in Gitarre & Bass 03/2023)

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Spiele selbst eine rocktile. Gute Gitarre für kleinen Preis. Natürlich keine Fender, aber man bekommt doch ordentlich Gitarre für wenig Geld

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