Seemannsgarn

Test: Reverend Mike Watt Wattplower Mark II

Anzeige
(Bild: Dieter Stork)

Mit seiner Band Minutemen war er Anfang der 80er Wegbereiter für Hardcore und Crossover, seine Band fIREHOSE wurde von den Red Hot Chili Peppers auf ‚Mother’s Milk‘ besungen, bevor sie ihm die nächste Platte widmeten. Mike Watt darf man getrost als lebende Legende bezeichnen.

Mit den Punk-Ikonen Iggy Pop und den Stooges war er auch unterwegs, dazu solo noch umtriebig, in zahllosen Projekten unterwegs und mit Gastauftritten beschäftigt – an Energie scheint es ihm nicht zu mangeln!

Anzeige

BAND-ANKER

Das war 2000 noch anders, als ihn eine Entzündung so außer Gefecht setzte, dass er zunächst gar nicht mehr Bass spielen konnte. Während Mike im Studio schon immer im Sitzen einspielt und wieder gerne zu Longscale-Bässen greift, ist ihm live die kurze Mensur lieber, die seine Hände entspannter lässt. Entsprechend sehe ich ihn als Gibson-Fan meistens mit einem (schwer modifizierten) Gibson EB-3 vor meinem inneren Auge. Kein Wunder, dass der Wattplower von Reverend Elemente dieser Ikone aufnimmt. Für seine Auftritte mit den Stooges hatte ihm ca. 2010 Brian Michael, ein Instrumentenbauer aus der Bay Area, einen EB-ähnlichen Bass mit P-Bass-Pickup gebaut, auch das findet sich offensichtlich im Reverend wieder.

Der Wattplower Mark II liegt mir seltsam bekannt in der Hand, was aber wenig erstaunlich ist, denn schon für den Wattplower I hatte Reverend Maße von Mikes EB-3 genommen und diese auch auf den neuen Bass übertragen. Die Ähnlichkeit zum Hals meines Mitt-60er EB-3 ist also kein Zufall.

Korina als Tonholz hat ebenfalls eine Gibson-Connection, war es doch das Material, aus dem 1958 die visionären Explorer und Flying V entstanden. Hier findet es sich für den kompakten Double-Cut-Korpus und den dreiteiligen, eingeleimten Hals. Dass er dreiteilig ist, muss ich mal glauben, unter dem dünnen, aber absolut perfekten Lack ist davon nichts zu sehen. Ein sattes, dunkles Rotbraun hat der Hals abbekommen, der Korpus und die Vorderseite der Kopfplatte sind zusätzlich mit grobem, goldenen Flitter versehen. „Rootbeer Sparkle“ nennt sich das, und sieht ziemlich beeindruckend aus!

Das Griffbrett ist aus Palisander, mit flachem 12”-Radius und 21 Bünden. Die Einlagen reichen vom Anker im ersten Bund, so etwas wie ein Markenzeichen von Watt und eine Erinnerung an seinen Vater, der Seemann war, über den sauber eingelegten Wattplower-Schriftzug bis zu Dots im Griffbrett und in der Flanke … vielen Dots: Neben normalen Ein-Dot-Lagen gibt es im fünften und dem korrespondierenden 17. Bund gleich zwei Dots, am 12. Bund dann drei, um die Oktave abzusetzen. Seitlich sind zwei Dots die Norm, in diesem Fall nachleuchtende Luminlays, der 5., 12. und 17. Bund haben drei davon abbekommen. Volle Punktzahl!

Um die Kopflastigkeit in Grenzen zu halten, ist die deutlich abgewinkelte Kopfplatte mit leichten Hipshot-Tunern bestückt. Auch am anderen Ende der Saiten sorgt Hipshot mit einer A-Style-Brücke für guten Halt. Was Mike an seinen Gibsons so gefällt, und was er entsprechend unbedingt auf seinem Signature-Bass haben wollte, ist der vom Sattel aus nur wenig zunehmende Saitenabstand. Ganze 17mm sind es an der Brücke, die bietet auch die in Maßen seitlich verstellbare Hipshot. Oktave und Saitenlage sind natürlich auch justierbar, der Rahmen umfasst die Böckchen so, dass sie auch ohne Fixierung festen Halt haben.

Um überhaupt auf eine korrekte Höhe zu kommen, sitzt die Bridge auf einem massiven Messingblock. Die Ball-Ends können einfach eingehängt werden, oder man zieht die Saiten durch den Korpus, wie es ab Werk gemacht wurde.

IM MASCHINENRAUM

Die Tonabnehmer und die Schaltung sind wirklich mal was anderes als der gängige Standard. Der P-Pickup aus dem Wattplower I wurde von Jason Lollar entworfen. Weil Mike gerne die Saiten zieht, haben sie statt einzelner Pole durchgehende Klingen und sehen damit den alten OBL-Pickups verblüffend ähnlich. Statt zwei Spulen zu einem Split-Coil zusammenzufassen, wie das üblich ist, hat der neue gleich drei Spulen – eine für D und G, zwei für E und A. Dazu gleich im Praxisteil mehr.

(Bild: Dieter Stork)

In der klassischen Mudbucker-Position, also direkt am Halsende, gesellt sich ein „Rio Grande Pitbull“ dazu, ein Bass-Pickup im normalen Gitarren-Humbucker-Format. Verwaltet wird die fröhliche Pickup-Versammlung mit einem Dreiweg-Schalter plus Reglern für Volume und Tone. Ein Blick ins E-Fach zeigt neben sauberer Verarbeitung einen sehr soliden Blade-Schalter, gute Alpha-Potis, und die Pure-Tone-Buchse mit doppelten Kontaktzungen für mehr Grip und Zuverlässigkeit. Montiert ist die Buchse auf einem großen, runden, verchromten Metallplatte, eine Maßnahme, die den häufig auftretenden Bruch der Decke an dieser Stelle gleichzeitig vorwegnimmt und verhindert.

Auf der nächsten Seite geht’s weiter!

LEINEN LOS!

Am Gurt zeigt der Wattplower die gleichen Eigenheiten, die auch den EB auszeichnen. Er ist trotz der leichten Mechaniken kopflastig, allerdings in geringerem Maße als viele Originale, und wenn man beide Hände vom Bass nimmt, kippt er zudem nach vorne weg, weil der vordere Gurtpin mittig am Halsfuß sitzt. Sollte man also nicht tun, dann ist alles fein. Dank des kommoden Gewichts von nur 3,5kg ist das alles kein großes Ding und auch sonst ist der Bass mit seinen Shapings und Abschrägungen bequem bis in die höchsten Lagen zu bespielen.

Überraschend groß könnte der Hals ausfallen, wenn man da die Zierlichkeit erwartet, die zum Rest des Basses passen würde und die der moderne SG-Bass auch so umsetzt. Die alten waren dagegen eher breit und dabei ziemlich fett – ergo habe ich auch beim Wattplower gut was in der Hand. Im Kontrast dazu laden die flache, schnarrfreie Saitenlage und die kurze Mensur zum Abjagen ein. Eine gute Kombination, die schon trocken gespielt satte Töne produziert.

Am Amp hat man dann die Wahl zwischen drei Sounds. In der Mittelstellung ist die Standard-P-Anordnung aktiv, also die untere Spule in Kombination mit der dem Hals zugewandten. Preciesk klingt es, leicht ausgehöhlt, mit eher zurückgenommenen Mitten. Da bleibt viel Draht stehen für Plek-Arbeit, gelegentliche Slaps oder für bissigen Fingerstyle. Der stabile Hals und die stabile Brücke tun sich dabei zusammen und sorgen für ein festes Fundament.

Mehr Mitten kommen ins Spiel, wenn der Schalter Richtung Steg umgelegt wird und der Split-Coil als Reverse-P arbeitet. Jedenfalls tun sie das für die Basssaiten, denn die beiden oberen bleiben ja gleich in Abnahme und Klang. Trotzdem witzig, wie sich die Wahrnehmung des Tons insgesamt zu ändern scheint. E und A drücken so mehr, der Bassbereich wird knackiger.

Zum Hals hin geschaltet ist logischerweise der Rio-Grande-Humbucker am Start. Eigentlich mag Mike den Mudbucker nicht, wegen seines schwammigen Tons und der Position (zu) dicht am Hals. Letzteres scheint er beim Wattplower II zugunsten eines erweiterten Pickup-Vokabulars, wie er es ausdrückt, aufgegeben zu haben, Ersteres umgeht der Pitbull, indem er zwar satte Tiefe bietet, diese aber viel trockener formuliert.

Mit Hilfe der sauber arbeitenden Tonblende und des ein oder anderen Fuzz-Pedals lande ich dennoch schnell im Gibson-Territorium. Was ich vermisse, ist die Kombination aus Split-Coil und Hals-Humbucker, Mike wollte aber die Schaltung so, dass immer nur ein Pickup an ist. Und da das nun mal ein Signature-Modell ist, zählt sein Input ungleich mehr als die Präferenz eines bescheidenen Testers.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Ein Charakterspieler wie Mike Watt verdient ein Charakterinstrument – und das liefert Reverend mit dem Wattplower Mark II. Hochwertig in der Substanz, sauber verarbeitet und spektakulär in der Optik bietet der Bass drei deutlich unterschiedliche Voicings, die ich alle gleichermaßen nutzbar finde – mit leichtem Vorsprung für den Reverse-Split-Coil und den großartigen Rio-Grande-Humbucker.

Das Verhalten am Gurt ist, wie es ist, das geringe Gewicht und die hervorragende Bespielbarkeit machen das mehr als wett. Auch beim Wattplower machen sich wieder die ohnehin gute koreanische Fertigung und das Setup in Toledo, Ohio bezahlt. Abgerundet wird das Paket durch ein Two-Tone-Teardrop-Case, das perfekt zum Retro-Glitzer-Shorty passt. Unbedingter Anspieltipp!

PLUS

● Sounds
● Optik
● Bespielbarkeit
● Gewicht
● Mechaniken
● Pickups
● Koffer

MINUS

● Kopflastigkeit

(erschienen in Gitarre & Bass 11/2023)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.