Basso Tettonico

Test: Reverend Mercalli 4

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(Bild: Dieter Stork)

Zur Entstehungsgeschichte von Reverend gehören eine Fahrradwerkstatt, das Studieren von Industriedesign und jahrelange Erfahrung bei der Reparatur von Vintage-Instrumenten. Eine Instrumentenbauschule war auch noch im Mix, und so machte sich Joe Naylor 1997 auf den Weg, eigene Gitarren und Bässe zu bauen.

Vorher hatte Joe sich mit Amps, die seinen Namen trugen und mittlerweile gesuchte Sammlerstücke sind, schon einen sehr guten Ruf erarbeitet. Das Tagesgeschäft überlässt er seit einigen Jahren anderen, zeichnet aber noch immer für das Design verantwortlich.

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MÄCHTIG/LEICHT

Das sieht man auch: Die Korpusform mit dem langen oberen Horn und dem unteren mit der kleinen Kante ist schon sehr charakteristisch für die Marke. Das Korpusholz der Wahl ist für alle Reverend-Instrumente Limba. Dieses afrikanische Holz ist vermutlich bekannter unter dem Namen Korina und hat seinen festen Platz in der Gitarrenhistorie, seit Gibson 1958 daraus die revolutionären Explorer und Flying V baute. Es sorgt für geringes Gewicht und soll einen luftigen, resonanten Ton bescheren.

Um den nicht mit dem Finish wieder zu dämpfen, wird dünner Lack verwendet, der unter UV-Licht schnell und gründlich ausgehärtet wurde. Ein Binding ziert die Decke und folgt auch der Absenkung für den Unterarm. Die einfassungslose Rückseite hat eine Rippenspoiler-Fräsung, gute Voraussetzungen für gute Ergonomie. Der Hals ist aus Ahorn, das dem beliebten Roasting unterzogen wurde. Unter Luftausschluss wird dabei das Holz hoch erhitzt, dabei verändert sich die Struktur so, dass es härter und widerstandsfähiger wird.

Nebenbei ergibt die Karamellisierung noch einen dunkleren Farbton und eine sehr angenehme, matte Haptik. Zusätzliche Stabilität geben die dreistreifige Bauweise plus zwei Zwischenlagen aus Walnuss. Das aufgeleimte Griffbrett mit modernem 12“-Radius ist ebenfalls aus geröstetem Ahorn. Schickes Detail auch, dass Reverend beim Testbass für den Mittelstreifen einen anderen Röstgrad gewählt hat.

(Bild: Dieter Stork)

Hals und Korpus erfreuen sich über gleich sechs Schrauben samt Konterplatte inniger Verbindung, auch dank präzise gefräster Halstasche. 21 Bünde wurden eingesetzt, Dots vorne und seitlich markieren die Lagen. Der Sattel ist aus einem Material, das Reverend „Boneite“ nennt, einem knochenähnlichen Kunststoff. Die korpusseitige Saitenführung lässt ein Durchfädeln durch den Korpus zu, alternativ können die Ball-Ends auch einfach in der soliden Brücke eingehängt werden. Letztere ist ein High-Mass-Modell und kann in Saitenlage und Oktave eingestellt werden.

Dank der Führung der Reiter in separaten Nuten ist auch ohne Verriegelung alles maximal stabil. Weniger Gewicht gibt es stattdessen an der Kopfplatte, wo ultraleichte Hipshot-Mechaniken montiert wurden, die ihren Dienst wie gewohnt akkurat verrichten. Ein Niederhalter presst die drei hohen Saiten in den Sattel, wobei A und G einfach eingehängt werden, die D-Saite muss durchgefädelt werden. Etwas mühselig, aber nun ja.

Die Tonabnehmer des Mercalli hören auf den charmanten Namen „Brick“, also Ziegelstein. Sie sind im klassischen Stingray-Format gebaut und haben auch die typisch großen Polepieces.

In Halsposition ist der Split Brick, am Steg ein Thick Brick. Auf den ersten Blick dachte ich, da stimmt was nicht, aber die Pickups sind so gebaut: Beim Split Brick schließen die Magnetpole für die E- und A-Saite bündig mit der Oberseite der Kappe ab, die für D und G stehen ein Stück daraus hervor. Auf den zweiten Blick gar nicht blöd, eliminiert man doch bei normaler PU-Einstellung den Kontakt der tiefen Saiten mit den Poles, was immer ein fieses, metallisches Klacken produziert, und gleichzeitig gibt man den höheren Saiten etwas mehr Wumms mit auf den Weg. Ebenso logisch ist dann der Thick Brick, der die Polstücke für die E-Saite bündig hat, während der Rest gestaggert aus der Kappe rausguckt.

Auf dem schicken, dreilagigen Pickguard sitzen drei Potis mit unterschiedlichen Knöpfen. Zwei Metallknöpfe – jeweils flacher als normal und mit einem Punkt, der anzeigt, was gerade eingestellt ist – sind für Volume und Tone zuständig, der größere Kunststoffknopf auf dem letzten Platz markiert das Balance-Poti.

Eine größere Metallplatte in der Zarge, mit vier Schrauben befestigt, beherbergt die Buchse. Die kommt von Pure Tone und hat nicht nur eine Kontaktzunge – für den heißen Kontakt – sondern gleich vier: zwei für den heißen Draht, zwei für Masse. Da wird der Stecker fest gepackt und es leiert auch nach langer Benutzung nichts aus.

(Bild: Dieter Stork)

 

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STUFE ZEHN

Die Korpusform mit dem vorderen Gurtpin noch vor dem 12. Bundstäbchen und die gute Gewichtsverteilung machen es möglich, dass der Mercalli auch als Leichtgewicht ausgezeichnet ausbalanciert ist. Die Bespielbarkeit ist direkt aus dem Karton bestens, damit kann es direkt in den Proberaum gehen. Da machen sich die eh gute koreanische Fertigung und das Setup in Toledo/Ohio bezahlt. Trotzdem schraube ich ja erst mal gerne, was beim Reverend Spaß macht und ergiebig ist.

Alles ist gut zugänglich und justierbar, am Ende ist die Saitenlage noch etwas flacher und immer noch schnarrfrei. Was dabei allerdings auch auffällt, ist die Saitenführung, die arg zum linken Griffbrettrand verschoben ist. Während die G-Saite viel Raum für ausladendes Seitwärts-Vibrato hat, ist die E-Saite bedenklich kurz vorm Abgrund. Noch so weit, dass es mich beim Spielen nicht stört, und auch am Amp höre ich nichts davon. Da die Halstasche sonst sehr passgenau ist, lässt sich auch nichts mal eben einrenken. Seltsam. Andererseits zeigen alle Fotos, die ich im Netz finden konnte, normalen Saitenlauf, da will ich das nicht zu hoch hängen. Aber zurück an den Verstärker.

Signore Mercalli war Vulkanologe und erdachte vor 140 Jahren seine erste Skala, um die Intensität von Erdbeben zu beschreiben. Passend seismisch kommt auch der gleichnamige Bass rüber – der Bassbereich ist satt ausgeprägt, aber nicht übermächtig. Damit der Ton darüber nicht aus den Fugen gerät, ist auch darüber alles gut ausgeleuchtet.

Die Höhen kommen präsent und klar, auf die Mitten hat der Balance-Regler großen Einfluss. In Mittelstellung ist der Sound aufgeräumt, aber mit genug Knurr, um in der Band nicht unterzugehen. Für Slap/Tap/Plek und cleanes Fundament optimal. In Richtung Hals kommt eine kehlige Prise Preci dazu, durch die großen, keramisch magnetisierten Poles aber mit gestärkten Außenbezirken in Höhen und Bässen.

Stingray-Ton gibt es mit dem Thick Brick nicht, schließlich stimmt die Einbauposition nicht und eine aktive Elektronik gibt’s auch nicht. Dafür knurrt und drückt es mächtig am Steg, knackiger Fingerstyle geht leicht von der Hand. Auffällig gut gelungen ist das Voicing der Pickups, die einerseits individuell und über alle Saiten hinweg sehr ausgewogen sind, andererseits in allen Einzel- wie Mischeinstellungen in Lautstärke und Ton exzellent abgestimmt sind. Zusätzlicher Bonuspunkt: Obwohl gleich zwei Pickups mit großen Polepieces an den Saiten ziehen, schwingen sie auch in den höchsten Lagen sauber aus.

RESÜMEE

So überzeugend für mich beim Mercalli 4 der erste optische Eindruck ausfällt, so sehr überzeugt er auch im weiteren Verlauf. Man merkt dem Bass an, wie viel Aufmerksamkeit den Details gewidmet wurde. Vor allem die Abstimmung der Tonabnehmer ist so gut, wie ich es selten bei Bässen mit zwei Pickups erlebe.

Auch an der Verarbeitung und der sauberen Lackierung in dunkelgraumetallischem Gunmetal ist fast nichts auszusetzen – außer eben an der etwas aus dem Lot geratenen Saitenführung, die allerdings weder in der Bespielbarkeit noch im Ton negativ auffällt. Ein tolles Instrument, das zudem noch mit gutem Preis-Leistungs-Verhältnis punktet. Wer einen individuellen Bass außerhalb der üblichen Schiene sucht, sollte den Reverend einem persönlichen Test unterziehen!

PLUS

● Sound
● Optik
● Bespielbarkeit
● Gewicht
● Mechaniken
● Pickups
● Gigbag

MINUS

● randnahe Saitenführung (E-Saite)

(erschienen in Gitarre & Bass 09/2023)

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