Digitalisiertes Bi-Amping-Urgestein

Test: Plugin Alliance Gallien-Krueger 800RB

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Drahtigen Sound mit ordentlich Punch – das assoziiere zumindest ich mit dem Namen Gallien-Krueger. Kann die digitale Nachbildung des ikonischen 800RB dem gerecht werden?

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Das digitale Zeitalter bringt viele Vorteile mit sich. Dank digitaler Neuauflagen können die Sounds alter Geräte jederzeit und reproduzierbar abgerufen werden. Und das, ohne eine abrauchende Endstufe oder Bandscheibenvorfälle riskieren zu müssen. Dass ein über Studiomonitore oder InEar-Monitore gespielter Bass nicht das gleiche Hosenbeinflattern auslöst wie ein doppeltes 8×10“-Stack, sollte klar und nicht die Erwartungshaltung sein. Schließlich geht es ja darum, die aufgenommenen Sounds zu reproduzieren. Hier liefern die meisten Plug-ins heutzutage, dank immer besser werdender Algorithmen, ausgezeichnete Ergebnisse.

Die Firma Plugin Alliance ist im digitalen Bereich seit einiger Zeit eine echte Instanz und möchte die Kundschaft am liebsten über ein Abo-Modell mit ihren Plug-ins versorgen. Allerdings sind diese auch einzeln zu erwerben, so auch das GK 800RB der Entwickler von Brainworx.

Optisch gehört das Plug-in zu der Sorte, die das originale Gerät und sein Bedienerlebnis möglichst authentisch einfangen möchte. In der Standard-Ansicht entsprechen Funktionalität und die Bedienoberfläche der Frontseite eines echten 800RB, mit dem Zusatz eines An/Aus-Schalters für die Boost-Sektion. Genau wie beim Original bietet das optionale Bi-Amping mit variabler Trennfrequenz eine ungemeine Flexibilität. Allerdings auch einige Fallstricke, neigt man doch schnell dazu, den Fülle gebenden Mitten Lebewohl zu sagen. Selbiges gilt auch für den berühmt-berüchtigten Contour-Schalter – 80er-Jahre-Slap-Sounds auf Knopfdruck!

Was solo erst einmal dick und knackig klingen kann, geht im Band-Kontext allerdings meist schnell unter. Das ist bei echten Amps so und auch eine digitale Nachbildung ändert daran nichts. In Verbindung mit dem großzügigen Reindrehen der Tiefmitten am 4-BandEQ ergibt sich so jedoch ein wunderbar drückender, drahtiger Sound mit der richtigen Portion Fülle für die meisten Bandkontexte. Die zusätzlichen Lo-Cut- und Hi-Boost-Schalter greifen ziemlich rabiat ins Geschehen ein, je nach Ausgangsmaterial können sie aber sicherlich an der einen oder anderen Stelle nützlich sein.

Anders als die Amp-Filter (dazu gleich noch mehr) können sie nicht innerhalb der Signalkette umhergeschoben oder anderweitig eingestellt werden. Darf es etwas dreckiger zugehen, lässt sich eine angenehme Sättigung über das Zusammenspiel aus Input-Gain und Boost realisieren. Je nach Lautstärke der Höhen und Art der verwendeten Aufnahmeketten können höhere Zerrgrade allerdings schnell sehr harsch und abrupt klingen, eine charakteristische Eigenschaft zerrender Transistoren(dstufen).

In der FX-Rack-Ansicht rutschen Amp- und EQ-Sektion nach oben, um Platz für Filter, Noise-Gate, Input-Gain, Power-Soak und die beiden IR-Loader zu schaffen.

ALLES DABEI

Bei den Aufnahmeketten handelt es sich um integrierte IR-Loader, einen für jede der virtuellen Endstufen. Diese sind mit verschiedenen Mikrofonen, Boxen und Mic-Preamps erstellt worden und nach einem Klick auf „FX Rack“ sichtbar. Neve, Telefunken, SSL … alles dabei. Jede Aufnahmekette hat eine Schaltfläche mit ausführlichen Informationen. Sehr charmant und nützlich sind die Optionen, das Horn (de-)aktivieren sowie die Phase drehen zu können. Zur Verfügung stehen dabei diverse Boxenkombinationen, wobei das Laden eigener IRs nicht unterstützt wird. Allerdings ist die vorhandene Auswahl so gut, dass sich eine enorm breite Palette an Sounds realisieren lässt. Auch das Deaktivieren einer Aufnahmekette ist möglich, wodurch z. B. die Bassfrequenzen ohne Cab-Sim durch das Plug-in laufen können. Gefällt!

Dank virtuellem Power-Soak kann die Endstufe aufgerissen und anschließend abgeschwächt werden, ohne Gehörschäden befürchten zu müssen. Praktisch, wenn die Verzerrungen einer Endstufe zum gesuchten Sound gehören. Für den Feinschliff stehen zusätzliche High- und LowPass-Filter zur Verfügung, die sich in der „Amp Filters“- Sektion finden und einstellen lassen. Über die Pre/Post/ Bypass-Schalter können diese der Bezeichnung entsprechend vor oder hinter die Amp-Simulation geschaltet werden und so entweder stark bassige/harsche Tonabnehmer etwas zähmen oder auch den Amp-Sound an die Bedürfnisse anpassen.

Ein einstellbares Noise-Gate sorgt zusätzlich noch für etwas mehr Ruhe in den Spielpausen, was gerade bei surrenden Singlecoils ein Segen sein kann. Für gut befundene Einstellungen können in einem von vier Slots abgelegt werden. Eine Preset-Bibliothek gibt es in dem Sinne nicht, in Anbetracht der überschaubaren Parameter ist das jedoch zu verschmerzen. Zumal die Parameter zwar nicht per Midi ansteuerbar sind, aber in der DAW automatisiert und so als Preset innerhalb der DAW abgespeichert werden können. Insgesamt geht die Bedienung intuitiv von der Hand, innerhalb weniger Minuten hat mir der digitale Gallien-Krueger mehrfach ein zufriedenes Grinsen entlocken können.

PLUS

● übersichtlich
● volle Flexibilität des Originals (und darüber hinaus)
● authentischer Sound
● Boxenkombinationen
● separate Aufnahmeketten (auch ohne Cab-Sim)

MINUS

● Breakup kann harsch klingen
● keine User-IRs importierbar
● kein Midi

(erschienen in Gitarre & Bass 02/2023)

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