British & Handmade

Test: PJD Guitars Woodford Standard & Custom

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(Bild: Dieter Stork)

Mit acht oder neun bekam Leigh Dovey seine erste E-Gitarre. Da ihn die Faszination dafür nie mehr losließ, begann er zunächst Ukulelen und dann Gitarren zu bauen. Seine handwerklichen Fähigkeiten, und später auch einen kleinen Werkstattschuppen mit jeder Menge Werkzeug, vererbte ihm sein früh verstorbener Vater Philip John Dovey, Requisitenbauer am Londoner Royal Opera House. Als Leigh 2010 seine Gitarrenbaufirma gründete, war deren Name schnell gefunden: PJD, die Initialen seines Vaters.

Bald sprachen sich die Qualitäten der PJD-Gitarren herum, und bereits nach der ersten NAMM-Show-Präsentation stieg die Nachfrage dermaßen rasant, dass eine größere Werkstatt her musste. Heute fertigt PJD Guitars in York, und zwar überwiegend in Handarbeit. Diverse eigenständige Gitarren zählen zum Line-up, deren Hölzer, Komponenten und Finishes vom Kunden individuell zusammengestellt werden können.

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Gleich zwei Woodford-Modelle stehen für diesen Test zur Verfügung: Die Standard repräsentiert die untere PJD-Preiskategorie, die vollständig vom Kunden konfigurierbare Custom quasi die Oberliga, die das Potenzial und die Flexibilität der Briten in beeindruckender Weise veranschaulicht. Für die Leihgabe der Woodford Custom bedanken wir uns bei Musik Rotthoff in Hamburg.

BOUTIQUE ABER BEZAHLBAR

Die PJD Woodford passt in die Schublade „moderne Strat“. Leigh Dovey hat die Tele-ähnliche Kopfplatte ebenso stark modifiziert wie die Cutaway-Hörner, Korpustaillen, Armschräge, den Rippenspoiler, Halsübergang und das Pickguard. Während die Standard einen dreiteiligen Esche-Body besitzt, kommt die Custom mit einem intensiv „gequilteten“, dreiteiligen Mahagonikorpus – vorne wie hinten eine Augenweide.

Ergonomisch verrundeter Halsübergang
Ergonomisch verrundeter Halsübergang (Bild: Dieter Stork)

Beide Ahornhälse wurden thermisch behandelt (roasted), was sie nicht nur resistenter gegen Witterungsschwankungen macht und die Schwingeigenschaften verbessert, sondern ihnen auch den markanten, sonnengebräunten Teint verleiht. Der Preis des Custom-Modells ist primär dem auffälligen Mahagonikorpus und dem geflammten Ahornhals der Güteklasse 5A geschuldet. Die Standard trägt ein aufgeleimtes roasted Ahorngriffbrett, die Custom eines aus Palisander, beide mit zunehmenden Radien von 10-12″ und bestückt mit vorbildlich abgerichteten und polierten Jescar-55090-Medium-Jumbo-Bünden.

Griffbrett-Inlays aus recyceltem flüssigen Acryl (Bild: Dieter Stork)

Die rahmenförmigen Inlays bestehen aus recyceltem Acryl, das in die ausgefrästen Rechtecke gegossen und nach dem Aushärten plan geschliffen wird. Für die Sidedots findet Perloid Verwendung. Über perfekt aus- und abgerichtete polierte Knochensättel erreichen die Saiten präzise und geschmeidig arbeitende vintage-style Gotoh-Tuner. Butterfly Stringtrees erhöhen den Satteldruck der E1- und H2- Saiten. Die sehr dezent gestalteten Zugänge zu den Halsjustierstäben liegen offen. Der der Woodford Custom ist durch die intensive Halsflammung sogar kaum zu erkennen.

Weiter unten ruht – treffender wäre „klemmt“ – der Halsfuß in einer unglaublich präzise gefrästen Tasche. Hier kann sich nichts bewegen, es passt noch nicht einmal ein dünnes Blatt Papier zwischen Hals und Korpus. Respekt!

Sehr tief eingelassene Halsschrauben (Bild: Dieter Stork)

Vier in den Halsfuß eingelassene Innengewinde und einzeln unterlegte M5x30-Inbus-Senkkopfschrauben aus Edelstahl garantieren eine stabile Verbindung. Jedoch frage ich mich, warum PJD die Schraubenköpfe dermaßen tief – 9 mm bis Oberkante – eingelassen hat? Gerade an dieser strapazierten Stelle nehmen die Bohrungen dem Holz unnötigerweise Masse. Es hätte gereicht die Schraubenköpfe Oberkante bündig abschließen zu lassen. Um auch die höchsten Griffbrettregionen ungehindert bespielen zu können, vollzieht die Korpuszarge hinter dem Halsfuß eine elegante Kurve.

Auf beiden Woodfords dienen Gotoh Hardtails mit Strings-thru-Body-Saitenführung als Stege. Der der Standard ist mit massiven Messing-, der der Custom mit Stahlreitern bestückt. Ovale Zargenbleche tragen stramm packende Switchcraft-Klinkenbuchsen. Während die Standard traditionelle Strat-Gurtknöpfe besitzt, bietet die Custom Luxus-Exemplare mit 17 mm Durchmesser.

Ein Blick unter die Pickguards lässt erkennen, dass deren Unterseiten nicht nur mit Kupferfolie abgeschirmt wurden, sondern auch ausschließlich hochwertige E-Komponenten zum Einsatz kommen, nämlich CRL-Fünfwegschalter, CTS-Potis, Orange-Drop-Kondensatoren und textilummantelte Litzen, allesamt penibel verdrahtet.

Die Pickups betreffend, scheint Leigh Dovey die beliebten britischen Bare Knuckles zu favorisieren. Da sich PJD Guitars jedoch primär als Custom Shop sieht, sind natürlich auch Tonabnehmer anderer Hersteller möglich. Die bottle-grüne Standard beschäftigt ein „Boot Camp Old Guard“-Singlecoil-Trio mit reversed-woundreversed-polarity Mittel-Pickup, die Custom zwei Slow-Hand-Einspuler und einen leistungsstarken „Holydiver“-Steg-HB.

Hier wie dort sind die Schaltungen traditionell verdrahtet, soll heißen Fünfwegschalter mit den gewohnten Pickup-Konstellationen, Master-Volume und zwei Tone-Regler für die Hals- und Mittel-PUs. Der Humbucker der Custom arbeitet stets im Vollbetrieb, auch in der Kombi mit dem mittleren Singlecoil. Schade ist lediglich, dass das zweite Tone-Poti nicht auch den Humbucker einbezieht. Als Reglerknöpfe kommen Gibson-style Reflector Knobs mit silbernen Inlays zum Einsatz.

SPIELSPASS

Nimmt man die Woodfords erstmals in die Hand, fällt sofort die geschmeidige Haptik der hauchdünnen matten Nitrolackierungen auf. Obgleich die Body-Shapings eher dezent angelegt wurden, bieten beide Gitarren hohen Tragekomfort und zeigen beste Balance sowohl am Gurt als auch auf dem Bein. Auch dank der verrundeten Griffbrett- und Bundkanten liegen die mittelkräftigen Hälse vorzüglich in der Hand, und die ergonomisch gestalteten Halsübergänge ermöglichen entspanntes Spielen bis in die höchsten Lagen. Während sich die CTS-Potis der Standard etwas schwergängig drehen lassen, wobei die glatten Reglerknöpfe wenig hilfreich sind, rotieren die Potis der Custom butterweich.

Vorbildlich bearbeitete Bundkanten (Bild: Dieter Stork)

Die Resonanzeigenschaften beider Protagonistinnen betreffend, tun sich diese nicht viel. Beide punkten mit überdurchschnittlichem, langsam und gleichförmig abklingendem Sustain, was nicht nur auf die Qualität der Tonhölzer, sondern auch auf die präzise Korpus-Halsverbindung und den großflächigen Kontakt des Gotoh Hardtails mit dem Body zurückzuführen ist.

Ansprache und Tonentfaltung zeigen sich bei der Standard einen Hauch direkter, spritziger und spontaner, aber auch die Custom reagiert sensibel auf nuanciertes Spiel. Beide liefern wunderbar ausgewogene Klangbilder, die Standard kommt brillant und knackig, die Custom runder, wärmer aber dennoch obertonreicher daher. Beide zeigen präzise Saitentrennung und scheinen irgendwie zu atmen. Ob das wohl auch an der dünnen Lackierung liegt?

Das Boot-Camp-Old-Guard-Einspuler-Set verleiht der PJG Woodford Standard typische Strat-Cleansounds von bluesig über twangy bis bissig scharf. Die Schalterzwischenpositionen 2 und 4 liefern die bekannten, leicht nasalen Klangbilder. Da sich die Gitarre an einer klassischen Strat orientiert, liegt ein Direktvergleich mit einer Fender vintage-style 50s Reissue mit Ahornhals und Esche-Body nahe.

Es fällt sofort auf, dass alle drei Bare Knuckles wesentlich höhenreicher und brillanter als die jeweiligen Pendants klingen, jedoch Klangfülle und Wärme vermissen lassen. So tönt der Steg-Pickup noch höhenreicher als das Original, sodass Akkorde scharf und schrappig aus den Lautsprechern dringen. Obgleich die Singlecoils in sich ausgewogen klingen, fehlen ihnen schlichtweg die Wärme und das Fundament der Originale. Dieser Eindruck zieht sich quasi wie ein roter Faden durch alle fünf wählbaren Klangvarianten.

Dabei empfiehlt Bare Knuckle das Old Guard Set ausdrücklich „für jede Strat-style Gitarre, die vom warmen, hellen und dynamischen Ton (der Pickups) profitieren würde“. Während Letzteres exakt auf Cleansounds zutrifft und diese sich auch durch schöne Transparenz und Klarheit auszeichnen, kann von „Wärme“ keine Rede sein. Immerhin setzen sich bei Zerr-Sounds die Mitten und Bässe mehr in Szene, sodass die Klangbilder etwas runder erscheinen. Meines Erachtens wird das Old-Guard-Set den Qualitäten der Standard nicht gerecht.

Meine Miene hellt sich deutlich auf, als ich die Woodford Custom an den Verstärker anschließe. Deren Bare Knuckle Slow Hand Singlecoils liefern Vintage-Strat-Sounds mit etwas mehr Output und präsenteren Mitten und Tiefmitten, die dem Klang Fundament und Volumen und damit einen fetteren Ton bescheren ohne Definition und Transparenz einzubüßen. Deren breites Sound-Angebot reicht von charaktervollen, warmen und runden, von klaren seidigen Höhen und reichem Obertongehalt gezeichneten Cleansounds, die in der Kombi mit dem Mittel-Pickup geschmackvoll näseln, bis zu exzellenten Blues- und Blues-Rock-Klängen, die den Amp-Ton musikalisch aufbrechen lassen.

Sogar in Schalterposition 4, die den Mittelpickup mit dem kompletten Humbucker koppelt, stehen überraschend authentische In-between-Klänge zur Verfügung. Der Holydiver-Steg-Pickup ist Bare Knuckles Hommage an die Hot-Rodded-Humbucker der 80er-Jahre. Seine hohe Ausgangsleistung und AlNiCo-5-Magnete liefern moderne erdige, hard-rockige, sehr dynamische Clean- und High-Gain-Sounds mit kompakten warmen Bässen, fetten Mitten, klaren Höhen und breitem Obertonspektrum.

Wie seine Nachbarn reagiert der Holydiver äußerst feinfühlig auf ausdrucksstarkes, facettenreiches Spiel, beweist damit beste Dynamikeigenschaften und unterstützt das Sustain der Woodford Custom. Mit charaktervollen, zeitgemäßen Cleansounds bis zu aggressiver, durchsetzungsstarker High-Gain-Zerre empfiehlt er sich für unterschiedlichste Musikstile.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Frischer Wind aus dem Vereinigten (?) Königreich. PJD Guitars, ein neuer Stern am Gitarrenhimmel? Mit geschmackvollem Design, hochwertigen Tonhölzern und E-Komponenten, makelloser Verarbeitung und exzellenten Schwingungs- und Klangqualitäten können beide Woodford-Modelle überzeugen.

Während die Custom das in bester Manier auch am Verstärker tut, werden die Bare Knuckle Boot Camp Old Guard Singlecoils den eigentlichen Qualitäten der Standard nicht so ganz gerecht, klingen sie doch am cleanen Amp höhenreich und wenig gehaltvoll, können im Zerrbetrieb jedoch wieder etwas an Boden gutmachen. Die Bare Knuckle Slow Hand Singlecoils der Custom würden die Standard klanglich sicherlich enorm aufwerten, denn die Vorrausetzungen bietet sie allemal. Unter Berücksichtigung der Brexit-bedingt anfallenden Einfuhrkosten sind die Preise für handgefertigte Gitarren dieser Qualität schon beinahe sensationell.

PLUS

● Konzept & Design
● Ansprache, Dynamik & Sustain
● Sounds (Woodford Custom)
● Qualität Hölzer & Hardware
● Optik (Woodford Custom)
● Spielbarkeit & Haptik
● (Hand-)Verarbeitung
● Preis/Leistung

MINUS

● zähgängige CTS-Potis (Woodford Standard)

(erschienen in Gitarre & Bass 12/2021)

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Keine Idee, wieso die rechte € 2.000,- mehr kostet. Das Case kann es nicht sein und das Holz auch nicht!

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