Kleiner Quälgeist

Test: Peavey invective.MH & invective.212

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(Bild: Dieter Stork)

Dass Misha Mansoor von Periphery durchaus moderne Gitarrensounds auf Basis der Peavey-6505-Modelle bevorzugt, ist kein Geheimnis, und dass man sehr sportliche High-Gain-Rhythmusgitarren auch mit der Endstufenleistung von nur zwei EL84 erzeugen kann, ist ebenso bekannt. Dann kombinieren wir das einfach als Peavey invective Mini Head? Gesagt getan!

Auch schon Peaveys 6505 Mini Head (MH) konnte beeindruckend hohe Leistungsreserven aus zwei kleinen Endstufenröhren generieren. 20 Watt RMS schreibt Peavey nun auch an den invective.MH, und auch hier wundert sich der Fachmann, denn zwei EL84 im Class-AB-Push-Pull-Betrieb mit 250 bis 300 Watt Anodenspannung geben maximal 15 bis 18 Watt Leistung ab. 20 Watt liest sich aber viel besser und wird dem Höreindruck sogar eher gerecht, als eine ganz konservative Leistungsangabe.

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Denn die auf der typischen vier bis fünf Trioden Gain Plattform des alten Peavey 5150 „Evenly Voiced Harmonics“ (und seines späteren Nachfolgers, dem 6505) basierende Schaltung klingt ob ihrer hohen Kompression und der extremen Ausleuchtung der oberen Mitten derart laut für das menschliche Ohr, dass zumindest der Eindruck von unglaublich hoher Endstufenleistung entsteht.

KONZEPT

Der invective.MH soll mitsamt seiner passend dazu entworfenen 2x12er-Box namens invective.212, mit je einem Vintage 30 und einem Creamback G12H-75 von Celestion, die Wohnzimmer- und Homerecordingvariante seines 120 Watt starken Vorbildes sein. Genauso wie beim großen invective, wurde hier ein 6505 mit zusätzlichen Features ausgestattet, die es an Pragmatismus in sich haben: Ein Noisegate, ein Booster mit erkennbar japanischem Akzent sowie ein „Tight“-Switch, der wirklich trockene Bässe liefern soll, sind die auffälligsten Erweiterungen im Vergleich zum etwas einfacher aufgebauten Peavey 6505 MH.

Gut ablesbar: Schwarze Schrift auf weißen Grund bei Front- und Backplate (Bild: Dieter Stork)
(Bild: Dieter Stork)

BEDIENELEMENTE

Die Front des invective.MH wirkt dennoch sehr übersichtlich. Ein Clean-Kanal mit Low- und High-Reglern, der Lead-Kanal mit Gain und Volume sowie dreibandigem Equalizer ausgestattet, dazu die Regelung der negativen Gegenkopplung und ein Resonance-Regler zum Abschmecken der Bassanteile, Kanalwahltaster, Gate, Boost- und Tight-Tastern sowie Standby und On/Off.

Visuell sehr schön übersichtlich und intuitiv bedienbar ist das gelöst. Die weißen Potiknöpfe sind aufgrund ihrer schwarzen Markierungen auf der weißen Faceplate gut ablesbar und auch die Haptik beim Bedienen der Regler und Schalter stimmt. Hier überzeugt Peavey mit der üblichen Qualität in diesem Preissegment.

Die Rückseite ist etwas unübersichtlicher, denn hier tummeln sich neben dem Anschluss für das Kaltgerätekabel, dem zwischen 8 und 16 Ohm schaltbaren Speaker-Out (inkl. 1-, 5- und 20-Watt-Endstufenleistungsschalter) sowie den Send- und Return-Buchsen des seriellen Einschleifwegs zusätzlich noch eine USB-Schnittstelle für ein digitalisiertes Signal mit Speaker- und Mikrofon-Simulation. Dazu kommen noch zwei Anschlüsse für Fußschalter (um die Kanalwahl, Tight-Switch, Gate, Booster sowie den FX-Weg fernsteuern zu können) und eine ebenfalls mit aktivierbarer Lautsprecher- und Mikrofon-Simulation und Groundlift bestückte DI-Out-Buchse im XLR-Format mitsamt Miniklinken-Kopfhörerausgang in Stereo.

SOUNDS

Dann wollen wir uns das gute Stück mal anhören. Getestet wird, wie schon so oft, mit einer alten 1952er Telecaster und einer ultrasportlichen Charvel DK24, bestückt mit Andreas Kloppmanns neuesten Humbuckern – dem extrem tighten „Hammer und Anvil“- Set – und zunächst über eine mit vier Celestion Vintage 30 bestückte Box, denn die Mischbestückung des invective.212-Cabinets mit dem 75-Watt-Creamback ist eindeutig eine kreative Entscheidung des Künstlers und soll uns zunächst bei der Bewertung des Topteils nicht beschäftigen.

Gute Mischung: Celestion Vintage 30 und Creamback 75 Watt (Bild: Dieter Stork)

Schon beim 6505 MH und auch bei alten 5150 und 6505 konnte der Clean-Kanal nicht gerade als Leistungsträger auffallen, und so ist es auch hier. Mit seiner sporadischen Klangregelung und einem sehr knappen Headroom durch die geringe Endstufenleistung, sowie auch einer relativ lauten Vorstufenschaltung, ist dieser Kanal ein One-Trick-Pony.

So richtig clean ist das alles nicht, und es gelingt sogar mit Singlecoils, dem Kanal einen aussagekräftigen Crunch zu entlocken, sofern man etwas offensiver mit dem Plektrum und der Lautstärke an der Gitarre agiert. Das ist nicht per se ein Minuspunkt, denn dieser Sound ist durchaus musikalisch und mit ein paar Effektpedalen, wie zum Beispiel einem Kompressor oder einem Equalizer, lässt sich dieser Kanal ganz wunderbar gestalten und ist an einer 2x12er-Box vermutlich gerade ebenso noch laut genug um für Clubshows genutzt werden zu können.

Wesentlich interessanter ist bei diesem Modell natürlich der Lead-Kanal mit seinen zahlreichen fußschaltbaren Zusatzfunktionen. Ab der ersten Sekunde wird klar, dass das Peavey-Entwicklerteam und Misha Mansoor hier sehr kompromisslos auf eben genau diesen speziellen „Djent“-Tone hinauswollen, den auch schon das invective.120-Head liefert.

Der typische Modern-Metal-5150-Grundsound funktioniert auch mit zwei EL84 und wird durch diesen Endstufenröhrentypen sogar nochmals bissiger und präsenter abgebildet als mit vier 6L6. Selbst ohne den zuschaltbaren Boost, der sich sehr am Maxon-OD808- Klangcharakter orientiert und somit eine moderne Variante des Tube-Screamer-Schaltkreises darstellt, lässt sich der Lead Kanal auf ein Gain-Niveau bringen, das selbst mit Singlecoils noch Metalartige Riffs und Lead-Lines überzeugend abbilden kann.

Aktiviert man jedoch den Boost, so ist es fast unweigerlich notwendig, entweder den Gain-Regler ein oder zwei Stunden auf der Uhr zurückzudrehen oder zusätzlich den Tight-Switch zu aktivieren, denn sonst wird der invective.MH sehr schnell zu weich in der Basswiedergabe und schmiert.

Sowohl beim Tight-Switch als auch bei dem am Anfang des Signalwegs platzierten Noise Gate fällt auf, dass diese Funktionen nur mit modernen, fetten und lauten Humbuckern sinnvoll nutzbar sind. Leider fehlt jegliche Regelmöglichkeit und mit Singlecoils hat man bei dem fest eingestellten Schwellenwert des Gates keine reelle Chance, einen ernsthaft spielbaren Sound zu erzielen. Aktiviert man zudem noch den Tight-Switch fehlt nochmals Kraft, um das Gate zu öffnen und der Sound wird unnatürlich dünn. Nun gut – das sollte für fast alle Nutzer dieses speziellen Produktes kein echtes Problem darstellen, dennoch ist diese Einschränkung unglücklich, sofern man eben nicht genau den Periphery-Tone kopieren mag, sondern etwas individualistischere Ansätze bei der Klanggestaltung verfolgen möchte.

Apropos Noisegate – beim Test in Zimmerlautstärke hält sich das Nebengeräuschaufkommen des Lead-Kanals in erträglichen Grenzen, dennoch haben zwei EL84 selbstverständlich nicht so viel Headroom, wie die vier 6L6 des großen invective.120 und komprimieren schon wesentlich früher die Nebengeräusche und das Nutzsignal. Spätestens in einer Proberaumsituation oder bei einer Abnahme des invective.MH mit Mikrofonen im Studio, ist der vorbildlich funktionierende, serielle Einschleifweg des Verstärkers gefragt. Platziert man hier ein hochwertiges Noisegate, wie zum Beispiel das Fortin Zuul oder den ISP Decimator, so ist bis auf ein leises Massebrummen aus der Endstufe Ruhe in den Spielpausen.

Zu der wirklich hochwertig konstruierten invective.212-Box sei angemerkt, dass die Mischung aus Vintage 30 und Creamback hervorragend als Variation des genretypischen Themas funktioniert. Der Wirkungsgrad der Box ist tatsächlich als sehr hoch einzustufen – zwei Vintage 30 wären keinesfalls lauter als diese Lautsprecher-Mischung – und auch die relativ leichtgewichtige und hochwertige Konstruktion aus solidem Pinienholz resoniert auffällig sauber und laut mit. Genau das hilft, wenn man mit nur 20 Watt auf die Bühne oder in den Proberaum gehen möchte. Anzumerken ist, dass unsere Test-Box noch aus den USA kommt, die Fertigung aber jetzt nach China verlegt wurde, was den Preis um € 200 gesenkt hat.

ALTERNATIVEN

Vergleichbare Amps gibt es beispielsweise von Engl: Der Ironball und auch der Fireball 25 sind konzeptionell nicht unähnlich und schaffen es dennoch nicht, so typisch nach geboostetem 5150 zu klingen, wie es der invective.MH kann. Beide Engl-Amps haben allerdings ein etwas gutmütigeres Nebengeräuschverhalten als der Peavey. Falls der Kaufpreis eine untergeordnete Rolle spielt, ist ein Fortin Sigil als High-End-Alternative sicherlich in Betracht zu ziehen. Der Fortin-Verstärker kostet allerdings mehr als das Doppelte, da er in UK gefertigt wird und nicht in Fernost.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Das invective.MH Topteil ist generell ein empfehlenswerter Einstieg in die Welt der modernen Metal-Verstärker, und bei dem Preis sind auch die kleineren Mängel wie das leicht erhöhte Nebengeräuschverhalten im Lead-Kanal kein Deal Breaker. Für eine echte Studioumgebung würde ich jedoch das große invective.120-Topteil oder den Peavey 6505 mit in die Auswahl nehmen. Wenn auch mit knapp € 800 nicht unbedingt günstig, bietet Peavey mit dem invective.212-Cabinet eine sehr gelungene Alternative zu den etablierten Studiostandards.

PLUS

● Djent Sounds
● Preis/Leistung
● leicht und kompakt
● Qualität das Cabinets

MINUS

● Noisegate und Tight-Switch nicht regelbar

(erschienen in Gitarre & Bass 07/2021)

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