Na, dieses Peavey-Modell sieht aber verdächtig nach der Gitarre aus, die bereits Ende der 90er zum Line-up des amerikanischen Herstellers zählte. Damals war sie noch nach Eddies Sohn benannt. Seitdem jedoch das nahezu komplette Equipment des leider viel zu früh von uns gegangenen Ausnahmegitarristen unter dem Label „EVH“ vermarktet wird, musste Peavey den Modellnamen ändern.
Nach der 1991er Music-Man-Edward-van-Halen-Gitarre hat Peavey 1996 das Design seiner EVH Wolfgang Standard nahezu unverändert übernommen. Ausnahmen waren die nun gewölbte Decke und die modifizierte Kopfplatte. Auch die erste Wolfgang unter dem besagten eigenen Label EVH im Jahre 2009 bot Verwechslungspotential.
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Offenbar ist Peavey auf restliche Holzbestände seiner damaligen EVH Wolfgang gestoßen, denn man konnte Hals- und Korpusmaterialien für etwa 400-500 Gitarren sicherstellen, die Herr van Halen himself dazumal noch mit ausgesucht haben soll. Und so werden mindestens die ersten 400 Exemplare der neuen Peavey HP-2 aus ebendiesen New-Old-Stock-Hölzern gefertigt, und zwar in Tschechien, wo man sich bekanntermaßen bestens auf die Kunst des Gitarrenbaus versteht. Bevor Fragen aufkommen: „HP“ sind die Initialen von Firmengründer Hartley Peavey.
WAS IST ANDERS?
Vergleichen wir die 96er EVH Wolfgang Standard mit der aktuellen HP-2 – ich liebe kurze Modellbezeichnungen –, hält Peavey sowohl am Design als auch an der bewährten Holzauswahl fest: Linde-Body (ob massiv oder mehrteilig lässt sich aufgrund des spiegelglatt polierten Finishs nicht feststellen), gewölbte, zum Hals hin stark abfallende, bookmatched halbierte und cremefarben eingefasste Riegelahorndecke der Klasse AAA, einteiliger, mittels Graphit-Stäben verstärkter Hals mit aufgeleimtem Griffbrett, beides aus intensiv gesprenkeltem Vogelaugenahorn mit geölten Oberflächen.
Während Zargen, Rückseite und Kopfplattenfront deckend schwarz lackiert wurden, bietet Peavey die HP-2 alternativ in deckendem Schwarz und den Transparent-Finishes Moon Burst und Tigereye an, und zwar alle zum gleichen Preis.
(Bild: DIETER_STORK)
Die Ergonomie betreffend hat man die hinteren Korpuskanten lediglich dezent verrundet, den Übergang zum vierfach verschraubten Hals stufenförmig um 3 mm abgeflacht und die dahinter verlaufende Zarge gerundet und abgeschrägt. Eine aufgesetzte Kunststoffplatte verschließt die Federkammer, zwei Oberkante bündig eingelassene Platten, ebenfalls aus Kunststoff, die E- und Schalterfächer. Neben den obligatorisch mit Alufolie beklebten Deckeln ist in den Fächern zwar eine Art Abschirmlack zu erkennen, der jedoch weder Kontakt zur Masse noch zu den Deckeln aufweist und somit keinerlei abschirmende Wirkung besitzt.
Ein ovales Zargenblech trägt die zuverlässig packende Klinkenbuchse, die kleinen Gurtknöpfe hat man mit Filz unterlegt. In seiner passgenau, präzise und großflächig gefrästen Aufnahme zeigt der Hals keinerlei Spiel und wird zudem von vier Schrauben gehalten. Somit sind höchste Stabilität und beste Schwingungsübertragung garantiert. 22 inklusive der Kanten vorbildlich bearbeitete Medium-Jumbo-Bünde bevölkern das Griffbrett, schwarze Dots und Sidedots erleichtern die Navigation.
Mit Hilfe der am Griffbrettende angeordneten Lochscheibe lässt sich die Krümmung des Halses per Metallstift oder dem größeren der beiden beiliegenden Inbusschlüssel komfortabel justieren. Den Klemmsattel des lizenzierten Peavey FR-Vibratos hat man von vorne montiert. Ein Niederhalter drückt die Saiten in die Sattelkerben und führt sie den mit Perloid-Knöpfen ausgestatteten Schaller M6 Mini Tunern zu. Hinsichtlich der Saitenlage am ersten Bund besteht noch ein wenig Luft nach unten.
Als Vibrato wird Peaveys Floyd-Rose-Variante verwendet. Drei Spiralfedern bieten der Spannung des werksseitigen .010-.046- Saitensatzes Paroli. Zwar haust die Basisplatte in einer Deckenfräsung, liegt jedoch in Ruheposition auf, sodass Up-Bendings nicht möglich sind, dafür jedoch nach Saitenriss ohne Verstimmungen weitergespielt werden kann. Dieses bewusst beibehaltene Konstruktionsmerkmal gab es bereits beim Urmodell. Der Vibratohebel wird eingeschraubt und wackelt mangels Überwurfmutter in bestimmten Positionen mal mehr mal weniger. Dessen ungeachtet funktioniert das System selbst nach exzessiven Dive Bombs absolut verstimmungsfrei. Um möglichen Markenkonflikten aus dem Weg zu gehen, hat Peavey auf den patentierten D-Tuna, der die E6-Saite mittels Schiebevorrichtung blitzschnell auf D absenkt, verzichtet.
Zwei fest im Korpusholz montierte leistungsstarke Peavey-Custom-Humbucker, kontrolliert von Switchcraft-Dreiwegschalter, Master-Volume und -Tone, wandeln die Saitenschwingungen. Beide Potis besitzen Pull-Push-Schalter, die jeweils die schwarzen Spulen der Zebra-Humbucker verstummen lassen. Dies zählt ebenso zu den Upgrades der HP-2 wie der korrekt ausgerichtete Pickup-Schalter: Schalterknopf oben = Hals-Pickup, Knopf unten = Steg-Pickup, Mitte = beide. Eddie bevorzugte es andersherum.
WOHLFÜHL-AXT
Trotz der aus ergonomischer Sicht eher spärlichen Shapings bietet die neue Peavey Spielkomfort pur. Verantwortlich dafür ist zunächst die spezielle Konstruktion, deren Hals tief in den Body reicht und daher relativ kurz erscheint, was der Balance am Gurt und auf dem Bein zugutekommt. Dennoch lassen sich die höchsten Lagen durch die vorzügliche Gestaltung des Halsübergangs ungehindert bespielen, zumindest solange der eigene Körper nicht im Weg ist. In Verbindung mit dem kurzen Hals ermöglicht dessen starke Neigung der Greifhand und dem linken Arm eine entspanntere Haltung. Auch das angenehm runde Halsprofil, die geölten und griffigen Oberflächen, die perfekt bearbeiteten Bünde und die sensationelle Saitenlage tragen zur tollen Haptik und zum hohen Spielkomfort bei. Die versenkte Montage des Vibratos sorgt für eine relativ flache Saitenlage über der Decke. Die Potis rotieren sehr leichtgängig, die hutförmigen, konischen Knöpfe lassen sich jedoch mangels Grip nicht ohne Weiteres nach oben ziehen. Man muss schon fest zupacken oder mit Finger- bzw. Daumennagel nachhelfen.
Die Peavey HP-2 spricht sehr direkt und spontan an und bringt jeden Ton blitzschnell zur Entfaltung. Optimale Voraussetzungen also für beste Dynamik. Hinzu kommen stabiles, langsam und gleichförmig abklingendes Sustain und intensives Schwingverhalten der verwendeten Hölzer. Insgesamt lässt sich die Gitarre wunderbar leicht und entspannt spielen. Schnelle Läufe sprudeln wie von selbst aus ihr heraus, und ihre Vitalität und Spritzigkeit fördern ausdrucksstarkes, nuanciertes Spiel und Tonbildung. Das unverstärkte Klangbild ist geprägt von drahtigen Bässen, warmen aber transparenten Mitten, geschmeidiger Brillanz und reichem Obertongehalt.
Am cleanen Amp liefert der Hals-Humbucker druckvolle, fette und warme Klangbilder. Mit sattem Fundament, bluesig schmatzenden warmen Mitten, samtweichen Höhen und breitem Obertonangebot tönt er rund und klar. Mit zunehmender Anschlagsintensität lassen sich Biss und Attack nach Belieben steigern. Erstaunlich mittig und warm präsentiert sich der Steg-Pickup, der mit kompakten und knackigen Bässen, kehligen Mitten, etwas gezügelten Höhen aber reichem Obertongehalt daherkommt. Im Simultanbetrieb beider Humbucker dringen lebendige, glockig-klare Sounds ans Ohr, die für meinen Geschmack etwas mehr Brillanz vertragen könnten. Dennoch empfehlen sie sich für cleanes Rhythmus- und Singlenote-Spiel und breite Arpeggio-Flächen. Zieht man die Reglerknöpfe nach oben, betritt die Peavey HP-2 Fender-Terrain.
Während die Creme-Spule des Hals-Humbuckers eher eine Strat interpretiert, tendiert die Stegspule des Bridge-Humbuckers mit achtbarem Twang und bissigen Country-Licks eindeutig zur Tele. Auch die Paarung beider Einzelspulen lässt sich mit luftigem Glöckchenklang eher in die Tele-Schublade packen. Fett und druckvoll, aber dennoch offen und differenziert schiebt der Hals-Pickup im Zerrbetrieb Powerchords und tieffrequente Riffs aus den Lautsprechern. Sogar mehrstimmige Akkorde bleiben erkennbar und zeigen Klarheit und Definition. Lead-Sounds werden vom Sustain getragen und lassen sich klanglich und hinsichtlich der Zerrintensität allein durch variablen nuancierten Anschlag formen. Mit mächtigem, kraftvollem und durchsetzungsstarkem Rhythmusbrett setzt sich der Steg-Humbucker eindrucksvoll in Szene, wobei er Höhen und Obertöne verstärkt, diese aber ausgewogen dosiert ins Spiel bringt. Soli oder Melodien singen ohne Ende, zeigen mit zunehmender Attack mehr Biss und Aggressivität ohne nennenswerte Dynamikeinbußen. Geschmeidig wechseln einzelne Töne in ihre Obertöne, lassen sich mit entsprechender Spieltechnik aber auch leicht zu Pinch-Harmonics provozieren.
Auch die Coilsplits halten im Zerrbetrieb charaktervolle Sounds bereit, vor allem im Mid-Gain-Spektrum. Hier lassen sich der Halsspule bluesige Rhythmus- und Lead-Klänge mit Strat-Anleihen, der Stegspule die beinharte Tele-Variante entlocken, und auch die Kombi überzeugt mit ausdruckstarken Crunchsounds. Sogar bei High-Gain-Betrieb bieten alle drei Konstellationen ansprechende Performances, werden allerdings konstruktionsbedingt und mangels effizienter Abschirmung von leicht erhöhtem Brummen begleitet. Dank gleichförmiger Regelcharakteristik gestatten die Pull-Push-Potis präzise Kontrolle von Klang und Verzerrungsgrad.
(Bild: Dieter Stork)
RESÜMEE
Mit seiner neuen HP-2 wertet Peavey die nahezu identische EVH-Gitarre mit zwei Coilsplits, „richtig herum“ funktionierendem Pickup-Schalter und dank tschechischer Fertigung und Verzicht auf D-Tuna und original Floyd-Rose-Vibrato optimiertem Verhältnis von Preis und Leistung auf. Ungeachtet früherer Hersteller kann die HP-2 mit ihren zahlreichen Vorgängerinnen mithalten. Sie liefert erstklassige Sounds, ist klanglich flexibel, bietet hohen Spielkomfort und wurde tadellos verarbeitet. Na ja, um etwaige Verstimmungen beim Akkordspiel in Sattelnähe zu minimieren, müsste das Niveau des Klemmsattels allerdings noch ein wenig abgesenkt werden. Ansonsten tolles Halsprofil, leichtgängige, Potis, stimmstabiles, auf Up-Bendings verzichtendes FR-Lizenz-Vibrato, geschmackvolle Optik. Well done, Peavey!