Renaissance eines High-Gain-Klassikers

Test: Peavey 6505 II

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(Bild: Dieter Stork)

UNTERSCHIEDE ZUM 6505 1992 ORIGINAL

Schaltungstechnisch ist der 6505 II eng mit dem Original verwandt. Allerdings verfügen die beiden Hauptkanäle Clean/Crunch und Lead über eigene 3-Band-Klangregelungen, die durch kanalgetrennte Presence- und Resonance-Regler in der Endstufe ergänzt werden. Allein die doppelte Klangregelung der Endstufe macht den 6505 II auch zu einem praktischen Partner für die Kombination mit externen Vorverstärkern. Schließlich ist der Crunch-Kanal per Fußschalter abrufbar, was auch die mehrpolige Fußschalterbuchse erklärt (die Funktionen Channel, Crunch und Loop sind schaltbar).

Klanglich ist der 6505 II vielseitiger als der 5150/6505 Original und etwas moderner abgestimmt. Der Lead-Kanal setzt auf drei weitere Bauteile an neuralgischen Stellen, was ihm ein strafferes Spielgefühl verleiht und den Verstärker etwas schnittiger wirken lässt. Die klangliche Ausrichtung ist aber durchaus vergleichbar, auch wenn das Mittenspektrum etwas anders klingt. Das Original klingt dadurch etwas wuchtiger, roher und aggressiver, während der 6505 II metallischer, aufgeräumter und schneller klingt.

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Man erhält aber immer noch den eigenständigen Sound, der in den 90er-Jahren neben dem Rectifier die High-Gain-Soundlandschaft maßgeblich geprägt hat und zu Recht bis heute geschätzt wird. Durch die Verwendung von fünf Gainstufen kann man den Gainregler bei Bedarf weit zurückdrehen, ohne die markante Kompression zu verlieren. Ich meine durchaus, den Geschmack von Eddie Van Halen herauszuhören. Ich würde den Sound zwar nicht als „brown“ bezeichnen, aber der 6505 II bietet die typische, breitbandige, hochmotorisierte Verzerrung, die den Raum und den Sound der Band füllt. Damit ist der 6505 II eine gute Wahl für Bands mit einem Gitarristen. Aber auch im Duo oder in Kombination mit einem Marshall oder Rectifier hat er sich bewährt.

Bei gleichen Einstellungen bietet das Original mehr Gain. Andererseits wird man die Reserven ohnehin kaum ausnutzen. Daher empfinde ich die andere Skalierung sogar als vorteilhaft. In der Regel bin ich mit aktiven EMGs bei Gain-Einstellungen bis 5 bestens bedient. Mein einziger Wunsch: Ein Voicing-Schalter, der zwischen den Versionen I und II umschaltet. Der voll regelbare Clean-Kanal fällt tatsächlich sauberer aus und verdient seinen Namen. Klassische Cleansounds im Stile alter Fender-Amps sollte man dennoch nicht erwarten. Mir fehlt es trotz Bright-Schalter ein bisschen an Transparenz. Dafür kann man das Gain aufdrehen und Schmutz ergänzen. Dazu gefällt mir dieser Kanal als Plattform für Distortion- und Fuzz-Pedale, mit denen man eine ziemlich fette Klangwand aufbauen kann.

Der Crunch-Kanal steht nun als dritter Kanal zur Verfügung und wurde gegenüber der Standardversion in seinen Gain-Reserven gezähmt. Das bewerte ich positiv, denn so lassen sich tatsächlich Sounds erzeugen, die diesen Namen auch verdienen. Der Verzerrungsgrad liegt damit zwar unter dem des Lead-Kanals, aber immer noch deutlich über dem eines klassischen Marshall 2203. Im Vergleich zu diesem ist das Klangbild auch deutlich fülliger.

DIE QUAL DER WAHL

Wer sich für den 6505 II und Konsorte interessiert, hat ziemlich umfassende Wahlmöglichkeiten. Bei Peavey und Fender/EVH zähle ich in der 100-Watt-Kategorie sieben Modelle (6505, 6505 II, 6534+, Invective 120, EVH 5150III, EVH5150IIIS, EVH 5150IIIS EL34). So wird man möglicherweise auch den teureren Invective 120 in Betracht ziehen, der eine umfassendere Ausstattung mit Boost, Gate, doppeltem Effekt-Loop, MIDI und einen umfassenden Fußschalter bietet.

Wie auch der 6505 1992 Original klingt der Invective 120 nicht identisch, sondern nochmals moderner und wiederum im Mittenspektrum leicht anders. Er ist wie auch die Fender/ EVH-Modelle unbedingt einen Vergleichstest wert. Unterschiede gibt es in allen Fällen. Je nach Instrument, Stimmung, Ausstattungsbedarf, Spielart, Genre aber auch abhängig von der eingesetzten Box dürfte mal der eine Verstärker, mal ein anderer die Nase vorn haben.

Ich würde dennoch sagen, dass der charakteristische Lead-Kanal in allen Modellen klar einer Klangfamilie zuzuordnen ist. Und nein: Ich schere die zahlreichen Modelle nicht über einen Kamm und es gibt gute Gründe für jeden einzelnen Verstärker. Hier entscheidet der eigene Geschmack.

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