(Bild: Dieter Stork)
Mit High-Gain-tauglichen Konstruktionen schufen die Hersteller von Röhrenverstärkern Anfang der Neunziger Referenzen, die bis heute prägend sind. Peavey hatte mit dem 5150, der später in 6550 umbenannt wurde, den richtigen Riecher und schuf einen modernen Klassiker, dessen Reissue nun nochmals genau auf die Urversion schaut.
Der 6505 wurde 1992 unter dem Namen 5150 als SignatureModell von Eddie Van Halen auf den Markt gebracht. Er entstand in enger Zusammenarbeit zwischen dem legendären aber auch wählerischen Gitarristen und Entwickler James Brown. Inspiriert wurde der Verstärker durch den Soldano SLO-100, den Eddie live und zu guten Teilen auf ‚For Unlawful Carnal Knowledge‘ 1991 zum Einsatz brachte und damit seinen berühmten Marshall Superlead ergänzte.
Der 5150 war aber keinesfalls ein Nachbau, sondern bezog bei der Entwickung auch Peavey-eigene Produkte wie den VTM oder die Endstufen der Classic-Reihe ein. Eddie Van Halen bestand zum Beispiel auf höheren Gainreserven, wodurch sich auch die fünf Gainstufen sowie der Einsatz von ebensovielen 12AX7 erklären. Das Ergebnis der Zusammenarbeit darf man mit Fug und Recht als exzellent bezeichnen.
Und so wurde der preisgünstig angebotene Verstärker, der nach dem Ende der Zusammenarbeit mit Van Halen anlässlich den vierzigjährigen Firmenjubiläums in 6505 umbenannt wurde, zu einem echten Verkaufsschlager. Schnell kristallierte sich heraus, dass der 6505 keinesfalls nur VanHalen-Fans ansprach, sondern auch Rocker wie Ted Nugent aber vor allen eine beachtliche Zielgruppe aus den Genres Metal, Hardcore und dem aufkommendem Downtune-Bereich – von Machine Head über Pro Pain bis Lamb of God.
CHARAKTERSCHWEIN
Original und Re-Issue warten mit immensen Gainreserven auf. Dazu erzeugt die Schaltung mit ihrer 120-Watt-Endstufe einen eigenständigen mächtigen, druckvollen und dennoch definierten Sound. Dabei klingt der Verstärker durchsetzungsfähig und ist dazu äußerst gefällig spielbar. Bis heute gilt das erste, besonders roh klingende Modell als Klassiker und hat auch gegenüber neueren Varianten nichts an Polularität eingebüßt.
(Bild: Dieter Stork)
NEUHEITEN
Mythen ranken sich um die Variationen dieses Modells. So sind die beiden Versionen des 5150, mit EVH-Blockletter-Logo und Van-Halen-Unterschrift abseits der eingesetzten Sylvania-Röhren tatsächlich baugleich. Das gilt auch für den 6505 aus US-amerikanischer Fertigung, wobei es zu irgendeiner Zeit einen Herstellerwechsel im Trafobereich gegeben haben soll, jedoch bei gleichbleibenden Spezifikationen. Es folgte der Wechsel der Produktion nach China.
Nachdem das Modell im letzten Jahr nicht mehr produziert wurde, gibt es nun den 6505 1992 Original. Dieser geht mit dem Anspruch an den Start, alle Qualitäten des Originals zu bieten. Verpackt in das bewährt robuste, breite und gleichzeitig tiefe Topteilformat in schwarzem Tolex mit silbernem Panel und schwarzen Schutzgittern. Dennoch gibt es Neuerungen: So wurde die Optik dem alten 5150 angenähert, indem die Typenbezeichnung nun groß und mittig prankt und der Firmenname in kleinerer Form rechts platziert wurde.
Endlich darf man sich auch über eine Kaltgerätebuchse freuen, die zudem um einen Spannungswahlschalter ergänzt wird. Eine weitere Änderung findet sich in Form des verbauten Ausgangsübertragers. Hier hatten sich über die Jahre und trotz gleichbleibender Specs ein paar klanglich relvante Abweichungen ergeben. Der neue Trafo bezieht sich klanglich und von seinen Spezifikationen her auf ein 5150-Original (um genau zu sein, sogar auf den 5150 von Misha Mansoor).
In der Endstufe arbeiten vier 6L6GC von Tung-Sol. Äußerlich macht das Testgerät einen bühnentauglichen Eindruck. Umso überraschter war ich, dass mir die Zierplatte der Front nach dem Auspacken fast entgegenfiel – schlecht verklebt und nur von dünnen Stiftnägeln gehalten. Hoffentlich eine Ausnahme …
Das Feature-Set ist unverändert: Zunächst gibt zwei Eingänge, wobei der Lo-Eingang den Eingangspegel um 6 dB zähmt. Es gibt zwei Kanäle (Rhythm und Lead), die sich eine dreibandige Klangregelung teilen, die um Presence- und Resonance-Regler in der Endstufe ergänzt wird. Die Kanäle verfügen über eigene Gain- und Level-Regler (Pre/Post Gain). Kanal 1 lässt sich zusätzlich zwischen Clean und Crunch umschalten und bietet einen Bright-Taster. Weiterhin gibt es einen seriellen Loop und einen Vorstufenausgang. Ein Fußschalter mit zwei Tasten (Channel, Loop) gehört zum Lieferumfang.
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(Bild: Dieter Stork)
KLANG
Ein wuchtiger und massiv verzerrter Klang schiebt aus den Lautsprechern. Der 6505 ist seit jeher kein Leisetreter und bringt bei Bedarf jeden Laden zum wackeln. Dabei ist er nicht besonders empfindlich für Rückkopplungen, allerdings nicht frei von Nebengeräuschen. Durch die hohe Kompression fällt zudem die Spieldynamik und die Reaktion bei Zurückregeln des Potis an der Gitarre eher gering aus.
Gleichwohl gehört der Lead-Kanal zurecht zu den Klassikern im High-Gain-Bereich, denn sein dichter Sound ist enorm durchsetzungsfähig, funktioniert mit den meisten Gitarren und dazu bestens mit tiefen Stimmungen.
Als einziger Verstärker der Modellserie haben Original und Re-Issue aufgrund eines höheren Widerstands in der ersten Gainstufe einen etwas dickeren Klang. Der Verstärker klingt somit breiter, aber weniger tight im Bass. Allerdings lässt er sich effektiv mit einem passenden Booster oder Overdrive verschlanken.
So konnte ich mit dem Friedman Buxom Boost den Bassanteil in der Vorstufe variabel ausdünnen und den Sound explizit trocken abstimmen, um dann nach Lust und Laune Bässe über den Resonance-Regler wieder zuzugeben – hier gibt es jede Menge Reserven. Herrlich! Der Clean-Kanal ist kein Kaufargument. Auch bei zurückgeregeltem Gain ist der Sound leicht schmutzig, ohne den Glanz und die Transparenz von Spezialisten.
Hingegen ist der Crunch-Modus spannend. Man sollte jedoch weder knochigen Marshall-Sound noch einen bluesigen, explizit dynamischen Ton erwarten. Dafür erhält man auch hier eine satte breite Verzerrung, die schlicht Spaß macht. In allen Fällen ist man dank breitem Mittenspektrum sorgenfrei in der Band hörbar. Der üppige Bassbereich sollte über das Resonance-Poti an die Box angepasst werden, damit man nicht übers Ziel hinausschießt. Und auch im Höhenbereich muss man die gewünschte Abstimmung finden. Der Verstärker kann ordentlich sägen, weshalb hier die richtige Balance zwischen Höhen- und Presence-Regler sowie den eingesetzten Lautsprechern gefragt ist.
WIE NAH AM ORIGINAL?
Nicht jeder 6550/5150 klingt gleich. Die Grundtendenz ist jedoch stets ähnlich, so auch bei der Reissue. Wie bei den meisten Verstärkern gibt es Unterschiede, die sich aus Bauteiltoleranzen, Röhren und dem Alter ergeben. Ein weiterer Punkt: Wenigstens das Original wurde ab Werk vergleichweise „kalt“ im Bias eingestellt. Ich selbst besaß lange zwei 5150 Modelle, von denen die Blockletter-Variante stets brutaler klang, selbst nach Neubestückung mit ungematchten, uneingemessenen Röhren!
Im Testvergleich von Reissue und besagtem (längst gewarteten) Original stelle ich aber fest, dass die Neuauflage absolut vergleichbar klingt. Unterschiede lassen sich durch Anpassen der Regler meist kompensieren, sodass ich dem 6505 1992 Original klanglich mein Vertrauen aussprechen kann.
(Bild: Dieter Stork)
RESÜMEE
Gute Rezepte verpanscht man nicht. Diese Richtlinie hat sich Peavey beim 6550 1992 Original auf die Fahnen geschrieben und tatsächlich nichts verschlimmverbessert. Ziel, erfüllt: Für meine Ohren klingt der 6550 1992 Original erstklassig. Sein Aushängeschild ist der wütend und mächtige Lead-Kanal, der bei tollem Spielgefühl einen Sound liefert, der sich in sämtlichen harten Genres bewährt hat. Diesen Sound erhält man dazu zu einem attraktiven Preis – was will man mehr?
Auch den Crunch-Sound habe ich ins Herz geschlossen, während man im Pushed-Clean-Setting eher nicht auf Fender oder Hiwatt spekulieren sollte. Fetter Hard Rock, Doom, Punk, Hardcore, Metal – alles das gelingt im Handumdrehen. Nicht zu vergessen: Peavey hat natürlich passende 4×12“-300-Watt-Boxen mit Sheffield 1230+ Speaker-Bestückung im Angebot – natürlich nach alter Rezeptur.
PLUS
● wuchtiger High-Gain-Sound
● hohes Durchsetzungsvermögen
● gefälliges Spielgefühl
MINUS
● Nebengeräusche
● geringe Dynamik
(erschienen in Gitarre & Bass 10/2023)