Wie im Paradies

Test: Ortega Linkshand-Programm

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(Bild: Dieter Stork)

Als Linkshand-Gitarrist ist man alles andere als verwöhnt. Meist muss man nehmen, was gerade verfügbar ist und sich an die Features der wenigen lieferbaren Modelle anpassen, anstatt unter zahlreichen Optionen auswählen zu können. Ortega zeigt, dass das auch ganz anders geht.

Normalerweise ist man als Falschrum-Spieler schon froh, wenn man bei einem Instrument eine zweite Farboption angeboten bekommt, alles darüber hinaus ist fast schon Custom-Shop – sprich: weit weg vom bezahlbaren Tagesgeschäft. Mit sage und schreibe 60 (in Worten: SECHZIG) akustischen Instrumenten im aktuellen Katalog, brechen die Macher von Ortega in ganz neue Sphären auf und zeigen, dass sie ein großes Herz für unsere Randgruppe haben. Drei Viertel des Sortiments sind dabei neu im Programm.

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Dazu zwei wichtige Dinge gleich am Anfang: Sämtliche Produkte kosten nicht mehr als ihre rechtshändigen Pendants, es handelt sich außerdem um ein dauerhaftes Angebot und nicht um eine zeitlich befristete Aktion. Und: Außer bei den ganz günstigen Modellen, legt Ortega auch noch ein sehr komfortables Gigbag bei. Das ist doch schon mal ein mehr als guter Start.

AUS DEN VOLLEN

Wie teilen sich die Produkte auf? Die größte Gruppe stellen Nylon-Acoustics mit 29 Ausführungen, es folgen die bei Ortega so populären Ukulelen mit 23 Versionen, dazu kommen je zwei Akustikbässe, Banjos und Mandolinen, und mit einer Banjolele sowie einem Ukebass als Krönung zwei echte Exoten. Eine derartige Auswahl dürften Lefties so noch nie vorgefunden haben.

Ein weiterer Grund zur Freude ist dabei, dass die günstigste Ukulele schon für € 59 zu haben ist, bei den Gitarren startet das Angebot bei € 139. Bevor wir uns exemplarisch näher mit den „klassischen“ Gitarren beschäftigen, noch ein Satz zu den Ukulelen: Neben verschiedenen Finishes und Holzarten werden hier auch Modelle mit Cutaway und Tonabnehmer-Systemen angeboten. Als besonderen Hingucker gibt es sogar eine Linie mit Reversed-Headstock – das Einsatzgebiet reicht also vom Strand bis zur Rock-Bühne.

Eine ähnliche Bandbreite findet sich auch bei den Nylons: Nach dem bereits erwähnten günstigen Student-Modell folgt die „Family Series“, in der sich neben fünf verschiedenen Größen von ¼- bis Full-Size auch weitere Features finden, die den speziellen Reiz des Ortega-Angebots ausmachen. Da ist zunächst die Option „Slim-Neck“: Einige der Instrumente sind mit schlankeren Hälsen bestückt, die Sattelbreite beträgt dabei nicht die üblichen 52 mm, sondern wurde auf 48 mm reduziert, was besonders eher Stahlsaitengitarren-affinen Spielern zupasskommen dürfte, die es normalerweise mit rund 45 mm Halsbreite am Sattel zu tun haben. Aber das ist erst nur der Anfang.

Die sechs Standard-Modelle sind sowohl mit Fichten- wie auch mit Zederndecken erhältlich. Bei ersteren kommen noch weitere drei Versionen hinzu: Neben zwei farbigen Ausführungen findet sich hier auch ein erstes Exemplar mit Cutaway und dem hauseigenen „MagusPRO“-Preamp. Dieser verwaltet via Volume-Poti und 3-Band-EQ den elektrifizierten Sound und ist dazu mit einem Tuner und einem Phasen-Umkehr-Schalter ausgestattet. Und noch eine Komfort-Option taucht hier zum ersten Mal auf: Bei einigen Modellen hat Ortega die Korpustiefe reduziert. Statt 102 mm bringen diese „Thinline“-Exemplare nur 85 mm aufs Tablett, was sich ebenfalls sehr angenehm auf die Bespielbarkeit auswirkt.

Von der Qualität dieser Serie konnte ich mich übrigens bereits vor gut drei Jahren überzeugen. Damals habe ich meinem Sohn das ½-Modell in Rechtshand-Ausführung gekauft – und es bis heute nicht bereut. Erstaunlich, was eine Kinder- und Jugendgitarre für vergleichsweise wenig Geld (aktuell € 168) heutzutage liefern kann. Damit hätten wir quasi die Grundausstattung abgehakt.

Auf der nächsten Stufe, der „Family Series Pro“, gibt es erstmalig massive Decken, neben vier Modellen mit Zederndecke im Natur-Satin-Finish ist dort auch eine schwarze Variante mit Fichten-Top gelistet. Der geneigte Lefty hat dabei wieder die Wahl zwischen rein akustischen Ausführungen und Versionen mit Cutaway und Pickup, je wahlweise mit Standard-Hals oder Slim-Neck. Die schwarze Ausführung richtet sich dann besonders an Gitarristen, die eher von der elektrischen Seite kommen: zu Cutaway, Pickup und Slim-Neck kommt hier noch die reduzierte Korpustiefe.

Doch damit noch immer nicht genug, im Gegenteil: In Sachen Features legt die Company bei der „Performer Series“ nochmals einen drauf. Neben einem Modell mit den bereits mehrfach erwähnten Specs Cutaway und Pickup in Standard-Body-Tiefe finden sich hier auch zwei Varianten, die sich ganz besonders an den Stahlsaitengitarristen, gerne auch aus dem E-Gitarren-Sektor, richten. Bei ihnen geht der Hals erst am 14. Bund in den Korpus über, dazu ist das Griffbrett hier nicht flach sondern mit Radius ausgeführt. Pickup und Cutaway sind natürlich ebenfalls an Bord. Viel näher kann eine Nylon dem nicht-klassischen Gitarristen kaum noch kommen. Die schwarze Ausführung liegt uns zum Test vor, dazu gleich ein wenig mehr.

Doch vorher noch ein kurzer Blick auf die letzten verbliebenen fünf Nylon-Lefties im aktuellen Programm von Ortega: Das Signature-Modell von Thomas Zwijsen (Nylon Maiden) ist ebenfalls für den Live-Einsatz optimiert und mit einem Slim-Neck bestückt. Wer weder normale 52-mm-Hälse noch 48er-SlimNecks mag, könnte bei der Version mit dem 50-mm-Medium-Neck fündig werden. Ein weiterer Exot ist die Ausführung mit sechs Locking-Mechaniken in einer Reihe auf der Kopfplatte, die sehr E-gitarristisch daherkommt. Beide sind wieder mit Tonabnehmer-System sowie einem Cutaway ausgestattet.

Doch Ortega bedient auch klassisch orientierte Lefties. In der „Traditional Series“ finden sich zwei in Spanien gefertigte Nylon-Acoustics, die auf moderne Features komplett verzichten. Erstes Fazit: Fast jeder Linkshänder, der eine Gitarre sucht, kann bei Ortega fündig werden. Von klein bis erwachsen, natur bis farbig, Fichte bis Zeder, ob mit oder ohne Pick-System – die Auswahl ist für Lefty-Verhältnisse riesig. Dass dazu noch „moderne“ Specs wie schmalere Hälse und verschlankte Korpusse angeboten werden, setzt dem Programm mehr als nur ein Sahnehäubchen auf.

PRAXIS

Exemplarisch für diese Auswahl liegen uns zwei Gitarren zum Test vor: das bereits erwähnte Modell aus der „Performer Series“, sowie das teuerste Instrument im aktuellen Katalog, ein Edelbass mit selektierten Tonhölzern. Beginnen wir mit der Gitarre, die auf den schönen Namen „RCE138-T4BK-L“ hört. Neben der edlen Optik, mit diversen Bindings und Holz-Einlagen, fällt als Erstes die komfortable Bespielbarkeit auf: Der verschlankte Korpus schmiegt sich angenehm an den eigenen Körper, dank Cutaway und des Übergangs am 14. Bund lässt sich auch ein H-Moll-7 in dieser Lage noch ohne größere Verrenkungen greifen. Auch Solisten profitieren natürlich vom optimierten Zugriff zu den oberen Lagen.

Nur der am unteren Rand das Halsfußes montierte Gurtknopf schränkt die Bewegung in diesem Bereich ein wenig ein. Durch die verringerten Korpusmaße ist die RCE akustisch etwas leiser als eine konventionelle klassische Gitarre, was in den allermeisten Fällen jedoch nicht ins Gewicht fallen dürfte – erst recht, wenn man ihre Konzeption bedenkt: Im Live-Betrieb ist sie dafür weniger Feedback-anfällig, hier spielt dann auch der hauseigene MagusPRO-Preamp seine Stärken aus.

Bedienfeld Bass (Bild: Dieter Stork)

Doch auch im „Wohnzimmer-Modus“ leistet er hilfreiche Dienste – einen Tuner an Bord kann man immer brauchen. Ebenfalls auf der Haben-Seite, vor allem für Gitarristen, die von Stahlsaitengitarren kommen oder aus anderen Gründen ihre Greifhand nicht so weit spreizen können oder wollen, wie das eine Nylon sonst erfordert: Die vier Millimeter, die der Hals am Sattel schlanker ist, machen einen großen Unterschied aus. Für einen Listenpreis von € 478 liefert die RCE insgesamt viel Qualität und Optionen.

Sind akustische Nylongitarren schon relativ selten, gilt das für Bässe erst recht. Ortega bietet aktuell gleich zwei von ihnen an: eine optisch eher konventionelle Ausführung mit Pickup und Cutaway für € 449, und unter der Bezeichnung „STRIPSU.ACB-L“ auch eine „Private Room“-Ausführung, bei der die Firma tief in die Feature-Schatulle gegriffen hat. Neben einer massiven Decke aus Alaska-Fichte, Boden und Zargen aus edel gemasertem AAA-Ebenholz sowie erneut Bindings und Einlagen, ist es vor allem die abgeschrägte Armablage am oberen Korpusrand, die die Blicke auf sich zieht. Wie viele zuvor erwähnte Specs erleichtert auch sie die Bespielbarkeit deutlich.

Auch wer nur gelegentlich den tiefen 4-Saiter in die Hand nimmt, kann sich darauf auf Anhieb wohlfühlen. Das Pickup-System erledigt seinen Job erneut ohne Fehl und Tadel und die hauseigenen Mechaniken vermitteln einen guten Eindruck. Ebenso erfreulich wie das Instrument als solches ist die Tatsache, dass Ortega einen derart edlen Bass auch für Linkshänder anbietet. So viel serienmäßigen Luxus gibt es für Falschrum-Spieler selten.

Buchse & Batteriefach Gitarre (Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Eine Riesenauswahl, kleine Preise und dazu noch nicht einmal die sonst übliche Mindermengenzulage für Linkshänder – man kann den Machern von Ortega zu ihrem Ansatz und Einsatz nur gratulieren. Unter 60 Produkten, vom Standard-Instrument bis zum absoluten Spezialisten, dürfte fast jeder Lefty fündig werden. Die beiden Testmodelle belegen dabei, dass sich hochwertige Ausstattung, sehr gute Verarbeitung und verhältnismäßig günstige Preise nicht ausschließen. Vielen Dank für diese vorbildliche Geschäftspolitik, die hoffentlich viele Nachahmer finden wird.

www.ortegaguitars.com

Preise:
RCE138-T4BK-L Nylon-Akustik: € 478
STRIPSU.ACB-L Akustikbass: € 699

PLUS

● riesige Auswahl
● auch Exoten im Programm
● keine Aufpreise
● keine Aktion, sondern dauerhafter Service für Lefties

(erschienen in Gitarre & Bass 12/2020)

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