Die 2012 von Simon Keats gegründete Firma Origin Effects entwickelt und fertigt ihr inzwischen beträchtlich angewachsenes Pedalprogramm von Hand in Buckingham, England. Bereits Gewicht, Haptik und Gängigkeit von Potis, Schalter und Fußtaster lassen den hohen Verarbeitungsstandard erkennen, der beim Blick ins Innere unseres Testgeräts bestätigt wird.
Zwei Overdrive-Pedale sind die neuesten Kreationen der Briten. Das Halcyon mit dem Nachnamen „Green Overdrive“ orientiert sich klanglich primär – wer hätte es gedacht – am legendären Ibanez TS808 Tube Screamer, bietet jedoch noch einige Leckereien mehr. Der M-EQ Driver fungiert als Overdrive mit Mid-Booster und Cut-Regelung (ein Höhenfilter à la AC30). Eine der Besonderheiten beider Pedale sind deren „Adaptive Circuits“, die die klangliche wie auch dynamische Reaktion des Pedals auf die Anschlagsintensität und die Arbeit mit dem Gitarren-Volume erhöhen.
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HARDWARE
Die matt geschliffenen Gehäuse aus gebogenen 1,5 mm Edelstahlblechen machen optisch richtig was her. Boden und Oberteil sind über vier Gewindeschrauben miteinander verbunden, obendrauf ein zusätzliches 1,5 mm Alublech mit Beschriftungen und Seriennummer, unten drunter sichern vier kleine Gummipads den Stand. Den Netzteilanschuss und die beiden gehäuseisolierten, ausreichend zupackenden In/Out-Kunststoffklinkenbuchsen finden wir auf der Stirnseite. So lassen sich die Pedale auf dem Board unmittelbar nebeneinander platzieren.
Die Potis hat man selbstverständlich mit dem Gehäuse, die massiven griffigen Aluknöpfe auf den Achsen verschraubt. Keinen Platz zur Verschraubung gab es indes für die 2- bzw. 3-Wege-Minischalter, die mittig zwischen den Reglern von den passgenauen Gehäusebohrungen zuverlässig gehalten werden. Deren Hebel sind lang genug, um sie komfortabel bedienen zu können, ragen jedoch nicht hervor und werden durch die Reglerknöpfe geschützt. Ein hochwertiger geräuschloser Fußtaster mit optimalem Druckwiderstand (de)aktivert den Effekt (Buffered Bypass), eine rote LED signalisiert den Status.
(Bild: Dieter Stork)
HALCYON
Hier haben wir es mit einem Overdrive-Effekt im Low/Mid-Gain-Bereich zu tun, der standardmäßig mit den Reglern Drive, Tone und Level daherkommt. Der zusätzliche Dry-Regler mischt quasi das zerrfreie Eingangs- dem Overdrive-Signal zu, was Artikulation und Durchsetzungsvermögen erhöht. In Mittelstellung entspricht der Clean-Anteil dem eines Vintage-Tube-Screamers. Nach rechts gedreht, fördert Dry an einem übersteuerten Amp Klangfülle, Transparenz und Definition. Dreht man das Poti nach links, wird das Clean-Signal reduziert, was in Kooperation mit einem cleanen Verstärker die besten Ergebnisse erzielt.
Mit Vintage-Style-PAF-Humbuckern gespielt, startet die Zerrpalette bei dezentem Crunch und reicht bis zu fettem Classic-Rock-Rhythm, zeigt aber auch Sustain-schwangere Lead-Ambitionen. Der Voice-Schalter ermöglicht die Wahl des klassischen TS808- Sounds mit seiner typischen Mittenbetonung sowie einer Origin-Effects-Modifikation mit helleren, fokussierteren Höhen, die Humbuckern mehr Transparenz und Artikulation bescheren. Quasi das Sahnehäubchen des Halcyon ist der Adapt-Switch, dessen beiden Schaltkreise bestimmen, wie die Pedalverzerrung auf die Anschlagsdynamik und Lautstärkeveränderungen des Gitarren-Volume-Potis reagiert.
In Position 0 agiert das Halcyon wie ein TS808, in Stellung II wird die Höhen- und Bassdämpfung beim Herunterdrehen des Gitarrenpotis deutlich reduziert, was einen stufenlosen Übergang zwischen TS808- Oderdrive-Sound und einem vollen, satten Clean-Tone ermöglicht. In Position I ist der Adapt-Effekt etwas weniger ausgeprägt als in Position II. Die Reaktion auf Dynamik- und Lautstärkeänderungen ist immer noch gut wahrnehmbar, ein leichter Abfall von Bässen und Höhen wird jedoch bewusst beibehalten. Der Vorteil dabei ist: Die Bässe bleiben straff und bei High-Gain-Sounds werden etwaige Feedback-Probleme minimiert.
Um die Intensität dieser Schaltung auszuloten, empfiehlt es sich, Position II zu wählen, das Gitarren-Volume voll aufzudrehen und einige Licks zu spielen. Dann drehe ich den Gitarrenregler bis zu einem cleanen Sound herunter und wähle Adapt-Position 0. Der Unterschied zum gewohnten Clean-Sound ohne Adaption ist wirklich beeindruckend! Bei Pickups mit hohem Output und/oder hohen Drive-Settings nimmt die Effizienz des Adapt-Effekts ab. Vorbildlich kooperiert er indes mit Strat-Singlecoils im Vintage-Style.
M-EQ DRIVER
Das Mid-Booster- & Drive-Pedal basiert auf einem Pultec-Studio-Equalizer. Diese passiven Klangreglungen der 50er-Jahre sind heute wegen ihrer musikalischen und flexiblen EQ-Kurven und übersteuerbaren Gegentakt-Ausgangsstufen gesucht. Origin Effects hat das Klangverhalten des Pultec-EQs nachgebildet und für E-Gitarre optimiert. Während Level und Drive den Ausgangspegel bzw. die Zerrintensität kontrollieren, boostet der dank wählbarer Mittenfrequenzen halbparametrische Mid-Regler die Bereiche um 0.8, 1.0 oder 1.3 kHz. Statt der heute gebräuchlichen Beschriftung mit kHz (Kilohertz) verwendet der Hersteller die alte Bezeichnung Kilocycles (KCS).
Wie das Halcyon arbeitet auch der M-EQ Driver im Low/Mid-Gain-Bereich, natürlich abhängig von Anschlagsintensität und Pickup-Output. Basierend auf der Höhenbedämpfung des Pultec-EQs senkt der Cut-Regler bei Rechtsdrehung die Höhen ab. Origin Effects hat auch dem M-EQ Driver den Adapt-Schaltkreis spendiert, wenn auch hier nur einstufig, also an- oder ausschaltbar. In On-Position I aktiviert der Schalter den adaptiven Schaltkreis in Zusammenarbeit mit dem Cut-Regler und reduziert dessen Wirkung, sobald die Anschlagsintensität verringert oder das Gitarren-Volume-Poti zurückgedreht wird. Dies ermöglicht sanfte Übergänge von warmem Overdrive zu hellen, klaren Clean-Tönen.
In Position 0 ist die Adapt-Schaltung deaktiviert, wobei sich die Wirkung des Cut-Reglers voll entfalten kann. Je höher die Settings von Cut und Drive, umso deutlicher wird die Adapt-Wirkung. Um den Adapt-Schaltkreis in Aktion zu hören, drehe ich Drive auf einen mittleren Wert und Cut voll auf und spiele einige Töne. Nehme ich jetzt die Gitarrenlautstärke zurück, sinkt die Zerrintensität und der Ton klart auf. Dabei verringert sich die Cut-Wirkung, und während der Klang cleaner wird, nehmen die Höhen zu.
Bei voll aufgedrehten Drive-Potis tun sich beide Origin-Effects-Pedale in puncto Zerrintensität nichts, beide sind im unteren bis mittleren Gain-Spektrum unterwegs, sodass Blues, Blues-Rock, Crunch, Classic-Rock und Hardrock nicht nur mit durchsetzungsstarken Riffs und Chords, sondern auch mit Sustain-reichen dynamischen Lead-Klängen bedient werden. Nach unten hin ist der M-EQ Driver sogar flexibler, da niedrige Drive-Settings auch cleane Sounds ermöglichen. Somit lässt sich das Pedal auch als reiner Mid-Booster mit drei wählbaren Center-Frequenzen einsetzen.
RESÜMEE
Mit Halcyon und M-EQ Driver erweitert die britische Firma Origin Effects ihr Portfolio um zwei weitere erstklassige Verzerrer. Während das Drive-Poti des Halcyon über seinen gesamten Regelbereich die dichten und sehr harmonischen Verzerrungen kontinuierlich erhöht, kann das M-EQ Driver etwa ab 14 Uhr noch nachlegen. Beide geben sich selbst bei extremen Drive- und Tone/Cut-Settings äußerst nebengeräuscharm.
Highlights der Pedale sind ohne Frage die Adapt-Schaltkreise, die für exzellente Dynamik sorgen und filigranes, akzentuiertes und ausdrucksstarkes Spiel sowie die Arbeit mit dem Gitarren-Volume in bester Manier unterstützen und dabei kaum nennenswerte Klangverluste verursachen. Für Gitarrespielende, die Klangfarben primär per Saitenanschlag und/oder Volume-Poti kontrollieren, ein absolutes Must-have!